Schweinfurt
man sich nit fast weren, die selbigen zn lesen. Wie
kurz gehet Sophronius19 mit den aposteln herdurch.
Aber welch grobe, dicke, feiste, ungeschwungen
lügen findet man jetzt in den büchern, das es auch
zu erbarmen ist, das christen leute mit solchen fa-
beln sollen umbgehen. Der heilige Augustinus20, trac-
tatus 27 super Johannem, hat auf dem tag Laurentii
das evangelion Johannis 6. cap. gehandelt und do-
selbst nur mit kurzen worten des lieben Laurentii
gedacht und wirft nicht umb sich mit solchen gro-
ben lügen, wie bisher gebrauch ist gewesen. Derhal-
ben erfordert es die ehre Gottes und ist auch nötig
von wegen unser seligkeit, das man solche lügen aus
der kirchen ausfege und nur die bücher des alten und
neuen testaments fleißig treibe mit lesen und pre-
digen.
Es ist auch nicht zu verwerfen, das man die lec-
tiones auf dise Aveise verordenet, nemlich das man
morgens gemeinlich bei dem neuen testament bleibe
und mittages oder zur vesper das alte testament
handele, denn je das neu testament als evangelion
und der apostel schrift die propheten gar gewaltig
erkleren und auslegen, das drumb je billich doher der
anfang und zugang zu der propheten bücher sol ge-
nomen werden, und solchs zeuget die erfarung auch.
Der heilige Augustinus schreibt hb. 9. confessionum
cap. 521, wie das er Ambrosium22 umb einen rat er-
suchet und gebeten habe, was er doch für bücher
aus der heiligen schrift zuerst solle lesen. So habe
Ambrosius befolhen und geheißen, er solle Isaiam,
den propheten, lesen. Aber Augustinus beklagt do-
selbst, wie das er sich in den propheten nicht habe
richten können und habe also müssen desmals ab-
lassen und lenger verziehen, und ist mir recht, so hat
es die erfarung Augustinum hernaher geleret, das
19 Ein Schriftsteller Sophronius, der hier gemeint sein
könnte, ist nicht festzustellen. Es scheint ein dop-
pelter Irrtum vorzuliegen. Im Jahr 1529 gab Desi-
derius Erasmus von Rotterdam eine griechische
Übersetzung von des Hieronymus Schrift ,,De viris
illustribus“ (diese: MSL 23, 601 ff.) heraus. Dabei
nannte er an vorletzter Stelle (vor Hieronymus selbst)
u. a. auch als Übersetzer anderer Schriften des Hiero-
nymus einen Sophronius. Diese Meinung war, wie
heute feststeht, falsch. Sutellius scheint nun außer-
dem noch den vermeintlichen Übersetzer für den
Verfasser gehalten zu haben. Sein Urteil über des-
sen Verfahren paßt zudem durchaus für diese Arbeit
man zuerst und forderst ersuche und lese der lieben
aposteln und evangelisten bücher und damit einen
eingang mache zu dem alten testament; denn er
schreibet epistola prima ad Volusianum und spricht:
Ich ermane dich, das du fürnemlich der aposteln zun-
gen lesen woltest. Daraus wirstu verstehen die pro-
pheten, welcher zeugnus die aposteln gebrauchent23.
Und weil Augustinus, ein alter, fürtrefflicher lerer,
das schreibt, hoffe ich, es solle dise ordenung nie-
mand leichtlich tadeln, so wir gebrauchen.
Man sol aber hierbei treulich gewarnet sein, das
niemand meine oder gedenke, das diese kirchord-
nung und ceremonien ein solch werk oder dienst sei,
damit man etwas wölle verdienen und erwerben für
Gott, wie denn auf solche weise der großeste und
mehrer teil bisher zur kirchen ist gangen, das sie
uberredet sind, wenn sie bei diesen ceremonien seien
gewesen, haben sie ein groß werk ausgerichtet und
Gott werde das statlich belonen, welchs doch ein un-
aussprechliche verfürung ist und eine schmahe des
heiligen bittern leidens Jesu Christi und nicht weni-
gers darwider zu predigen ist, denn Paulus gepre-
digt hat wider das falsch vertrauen der Juden, so
sie gesetzet und gesteUet haben auf ire beschneidung,
auf die werk des gesetzes, auf die opfer, feiertage
und auf ander ceremonien. Es sollen nur alle kirchen-
ordnung und ceremonien, auch das singen, lesen,
predigen, ermanen, trösten, strafen dohin werden
gerichtet, das die menschen hieraus werden gebes-
sert, ja das jederman durchs wort in allerlei erkent-
nus des göttlichen willens kome, im glauben sterker
werde, das herze durch die tröstliche verheißung er-
frischet und durch empfahung der sacramente wol
versichert und erquicket werd; denn wir gehen in die
kirchen nicht anders denn als in eine schule, da wir
des Hieronymus. Schriften eines andern, 638 gestor-
benen Sophronius erschienen erst 1840 im Druck
(G. Krüger, Sophronius in: RE 529-533) und konn-
ten dem Sutellius also nicht bekannt sein. Sie tragen
außerdem gerade den hier von ihm getadelten We-
senszug.
20 Der 430 verstorbene Kirchenvater (MSL 35, 1621.—
Deutsch: BKV Augustin 5, 55f.
21 MSL 32, 769. - Deutsch: BKV Augustin 7, 196.
22 Kirchenvater, gestorben als Bischof zu Mailand 397.
23 — Praecipue apostolorum linguas exhortor, ut legas;
ex his enim ad cognoscendos prophetas excitaberis,
quorum testimoniis utuntur apostoli (M SL 33, 508).
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man sich nit fast weren, die selbigen zn lesen. Wie
kurz gehet Sophronius19 mit den aposteln herdurch.
Aber welch grobe, dicke, feiste, ungeschwungen
lügen findet man jetzt in den büchern, das es auch
zu erbarmen ist, das christen leute mit solchen fa-
beln sollen umbgehen. Der heilige Augustinus20, trac-
tatus 27 super Johannem, hat auf dem tag Laurentii
das evangelion Johannis 6. cap. gehandelt und do-
selbst nur mit kurzen worten des lieben Laurentii
gedacht und wirft nicht umb sich mit solchen gro-
ben lügen, wie bisher gebrauch ist gewesen. Derhal-
ben erfordert es die ehre Gottes und ist auch nötig
von wegen unser seligkeit, das man solche lügen aus
der kirchen ausfege und nur die bücher des alten und
neuen testaments fleißig treibe mit lesen und pre-
digen.
Es ist auch nicht zu verwerfen, das man die lec-
tiones auf dise Aveise verordenet, nemlich das man
morgens gemeinlich bei dem neuen testament bleibe
und mittages oder zur vesper das alte testament
handele, denn je das neu testament als evangelion
und der apostel schrift die propheten gar gewaltig
erkleren und auslegen, das drumb je billich doher der
anfang und zugang zu der propheten bücher sol ge-
nomen werden, und solchs zeuget die erfarung auch.
Der heilige Augustinus schreibt hb. 9. confessionum
cap. 521, wie das er Ambrosium22 umb einen rat er-
suchet und gebeten habe, was er doch für bücher
aus der heiligen schrift zuerst solle lesen. So habe
Ambrosius befolhen und geheißen, er solle Isaiam,
den propheten, lesen. Aber Augustinus beklagt do-
selbst, wie das er sich in den propheten nicht habe
richten können und habe also müssen desmals ab-
lassen und lenger verziehen, und ist mir recht, so hat
es die erfarung Augustinum hernaher geleret, das
19 Ein Schriftsteller Sophronius, der hier gemeint sein
könnte, ist nicht festzustellen. Es scheint ein dop-
pelter Irrtum vorzuliegen. Im Jahr 1529 gab Desi-
derius Erasmus von Rotterdam eine griechische
Übersetzung von des Hieronymus Schrift ,,De viris
illustribus“ (diese: MSL 23, 601 ff.) heraus. Dabei
nannte er an vorletzter Stelle (vor Hieronymus selbst)
u. a. auch als Übersetzer anderer Schriften des Hiero-
nymus einen Sophronius. Diese Meinung war, wie
heute feststeht, falsch. Sutellius scheint nun außer-
dem noch den vermeintlichen Übersetzer für den
Verfasser gehalten zu haben. Sein Urteil über des-
sen Verfahren paßt zudem durchaus für diese Arbeit
man zuerst und forderst ersuche und lese der lieben
aposteln und evangelisten bücher und damit einen
eingang mache zu dem alten testament; denn er
schreibet epistola prima ad Volusianum und spricht:
Ich ermane dich, das du fürnemlich der aposteln zun-
gen lesen woltest. Daraus wirstu verstehen die pro-
pheten, welcher zeugnus die aposteln gebrauchent23.
Und weil Augustinus, ein alter, fürtrefflicher lerer,
das schreibt, hoffe ich, es solle dise ordenung nie-
mand leichtlich tadeln, so wir gebrauchen.
Man sol aber hierbei treulich gewarnet sein, das
niemand meine oder gedenke, das diese kirchord-
nung und ceremonien ein solch werk oder dienst sei,
damit man etwas wölle verdienen und erwerben für
Gott, wie denn auf solche weise der großeste und
mehrer teil bisher zur kirchen ist gangen, das sie
uberredet sind, wenn sie bei diesen ceremonien seien
gewesen, haben sie ein groß werk ausgerichtet und
Gott werde das statlich belonen, welchs doch ein un-
aussprechliche verfürung ist und eine schmahe des
heiligen bittern leidens Jesu Christi und nicht weni-
gers darwider zu predigen ist, denn Paulus gepre-
digt hat wider das falsch vertrauen der Juden, so
sie gesetzet und gesteUet haben auf ire beschneidung,
auf die werk des gesetzes, auf die opfer, feiertage
und auf ander ceremonien. Es sollen nur alle kirchen-
ordnung und ceremonien, auch das singen, lesen,
predigen, ermanen, trösten, strafen dohin werden
gerichtet, das die menschen hieraus werden gebes-
sert, ja das jederman durchs wort in allerlei erkent-
nus des göttlichen willens kome, im glauben sterker
werde, das herze durch die tröstliche verheißung er-
frischet und durch empfahung der sacramente wol
versichert und erquicket werd; denn wir gehen in die
kirchen nicht anders denn als in eine schule, da wir
des Hieronymus. Schriften eines andern, 638 gestor-
benen Sophronius erschienen erst 1840 im Druck
(G. Krüger, Sophronius in: RE 529-533) und konn-
ten dem Sutellius also nicht bekannt sein. Sie tragen
außerdem gerade den hier von ihm getadelten We-
senszug.
20 Der 430 verstorbene Kirchenvater (MSL 35, 1621.—
Deutsch: BKV Augustin 5, 55f.
21 MSL 32, 769. - Deutsch: BKV Augustin 7, 196.
22 Kirchenvater, gestorben als Bischof zu Mailand 397.
23 — Praecipue apostolorum linguas exhortor, ut legas;
ex his enim ad cognoscendos prophetas excitaberis,
quorum testimoniis utuntur apostoli (M SL 33, 508).
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