VII 1 Kirchenordnung 1543
teglich Gottes wort hören, studiren und leren sol-
len, wie wir mancherlei fellen, anfechtung, trübsalen
durch Gottes wort begegen und widerstehen müs-
sen.
Das man aber viler ceremonien, die doch bisher
als zum uberflus getriben, nun abgangen ist, ge-
schicht nicht aus verachtung oder als solte man gar
aller ceremonien geraten und müßig gehen. Wir wis-
sen wol, das drumb mit den gesetzen, ordnung, cere-
monien bis daher in allen stiften, klöstern, pfarkir-
chen, kein maße noch ende oder aufhören gewesen
ist, weil jederman vermeinet, hierdurch als ex opere
operato24 etwas für Gott zu erwerben und also imer-
zu einer uber den andern etwas besonders wöllen
machen und anrichten. Wir aber wöllen unser ge-
wissen in diesem stuck ganz frei, ledig und los haben
und also nicht gebunden sein an die ceremonien, als
das wir sie solten nötig schezen zur rechtfertigung
und seligkeit. Drumb haben wir etliche ceremonien
geringert, ja etliche gar fallen und abgehen lassen,
als die dem wort Gottes gar wenig gemes sind ge-
wesen, haben aber doch an der selbigen stat die
predig verordenet, als daran alles gar und mitein-
ander ist gelegen. Und wer do anders recht ver-
stehet den artikel von der rechtfertigung des glau-
bens, auch worinne christliche freiheit stehet und
wie weit der bischove gesetze, kirchenordnung, cere-
monien gelten, wird unserm christlichem fürnemen
nicht widersprechen. Zudem ist weder der apostel
noch irer nachfolger meinung gewesen, die kirchen
also mit vilen gesetzen, ordenungen, ceremonien zu
uberladen und beschweren. Dionysius, bischof zu
Corinthen25, schreibt an die Gnosios und ermanet
in sonderheit iren bischof Pinytum, er wölle den
christen keine schwere last und bürde aufladen. Vide
Eusebium lib. 4. eccles[iasticae] histo[riae] cap. 2326!
Doch beklaget Augustinus in der epistel ad Janua-
24 Vgl. Anm. 10!
25 Vgl. Amn. 4!
26 Gemeint ist die Gremeinde in Knosos (auf Kreta). -
παραχαλει μηβαρυυ ψορτιον επαναγες, το περι αγνειας
τοις αδελψοις επιτιυεναι, της δε των πολλωυ χαταστο-
χαζεσυαι, ασυενειας. ( Schwarz aaO. 159). -Deutsch:
BKV Eusebius 2, 194.
27 = als, im Verhältnis zu.
28 Quamvis enim neque hoc inveniri possit, quomodo
contra fidem sint: ipsam tamen religionem, quam
rium, das bereit zu seiner zeit, das doch wol eine gül-
den zeit weder27 der unser zu nennen were, die kir-
chen mehr beschwert seien denn weiland die Juden28.
Was solt er jetzt sagen und schreiben, wenn er sehen
solte die unchristliche, unnötige, vergebliche gesetze,
ordenung und ceremonien ?
Zuletzt sol das niemand weder hindern noch er-
geren, ob etwan nicht an allen orten und stetten ein-
hellige, gleichförmige ceremonien gebrauchet wer-
den oder gehalten. In der lere und austeilung der
heiligen hochwirdigen sacramenten sollen wir je
keine unordenung fürnemen, sondern eine lere füren,
wie wir von Christo und den apostelen empfangen
haben, auch in den sacramenten keinen andern ver-
stand suchen, denn die wort geben. Aber der cere-
monien müssen wir mechtig sein und dieselbigen
nach der zeit, personen und gelegenheit anrichten
und brauchen, aber doch also, das uns nicht zu ser
der fürwitz und ehrgeizigkeit stechen, domit wir wol-
ten etwas neues aufbringen und sonst uns mit an-
deren dienern des götlichen worts nicht vergleichen.
So in einer stat mer denn ein pfarkirche ist, so er-
fordert es die notturft, das die diener sich ganz christ-
lich und brüderlich vergleicken in den ceremonien
und einerlei ordnung und ceremonien halten, domit
ergernus und unnütz rede zu verhüten. So sollen
auch die pfarherrn, so draußen auf den dörfern wo-
nen, auch nicht ires eigens kopfs sein, angesehen das
die dörfer in die stat gehören und ein erbar rat do
zu gebieten und verbieten hat, sondern sollen der
ordenung geleben, so in fürgeschrieben ist.
Etliche sind, die do gar sturmen und aus der kir-
chen werfen die bilder. Erwiderumb sind etliche, die
lassen die bilcler bleiben. Alhier solte man fleißig
sehen auf die zeit, personen und andere umbstende.
Wir wissen, das uns die bilder weder zur gerechtig-
keit noch seligkeit etwas helfen oder dienen. Und
paucissimis et manifestissimis celebrationum sacra-
mentis misericordia Dei esse liberam voluit, servili-
bus oneribus premunt, ut tolerabilior sit conditio
Judaeorum, qui, etiamsi tempus libertatis non agno-
verint, legalibus tamen sarcinis, non humanis prae-
sumtionibus subiiciuntur. Sed ecclesia Dei inter mul-
tam paleam multaque zizania constituta multa to-
lerat et tamen, quae sunt contra fidem vel bonam
vitam, non approbat nec tacet, nec facit (MSL 33,
221 f.).
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teglich Gottes wort hören, studiren und leren sol-
len, wie wir mancherlei fellen, anfechtung, trübsalen
durch Gottes wort begegen und widerstehen müs-
sen.
Das man aber viler ceremonien, die doch bisher
als zum uberflus getriben, nun abgangen ist, ge-
schicht nicht aus verachtung oder als solte man gar
aller ceremonien geraten und müßig gehen. Wir wis-
sen wol, das drumb mit den gesetzen, ordnung, cere-
monien bis daher in allen stiften, klöstern, pfarkir-
chen, kein maße noch ende oder aufhören gewesen
ist, weil jederman vermeinet, hierdurch als ex opere
operato24 etwas für Gott zu erwerben und also imer-
zu einer uber den andern etwas besonders wöllen
machen und anrichten. Wir aber wöllen unser ge-
wissen in diesem stuck ganz frei, ledig und los haben
und also nicht gebunden sein an die ceremonien, als
das wir sie solten nötig schezen zur rechtfertigung
und seligkeit. Drumb haben wir etliche ceremonien
geringert, ja etliche gar fallen und abgehen lassen,
als die dem wort Gottes gar wenig gemes sind ge-
wesen, haben aber doch an der selbigen stat die
predig verordenet, als daran alles gar und mitein-
ander ist gelegen. Und wer do anders recht ver-
stehet den artikel von der rechtfertigung des glau-
bens, auch worinne christliche freiheit stehet und
wie weit der bischove gesetze, kirchenordnung, cere-
monien gelten, wird unserm christlichem fürnemen
nicht widersprechen. Zudem ist weder der apostel
noch irer nachfolger meinung gewesen, die kirchen
also mit vilen gesetzen, ordenungen, ceremonien zu
uberladen und beschweren. Dionysius, bischof zu
Corinthen25, schreibt an die Gnosios und ermanet
in sonderheit iren bischof Pinytum, er wölle den
christen keine schwere last und bürde aufladen. Vide
Eusebium lib. 4. eccles[iasticae] histo[riae] cap. 2326!
Doch beklaget Augustinus in der epistel ad Janua-
24 Vgl. Anm. 10!
25 Vgl. Amn. 4!
26 Gemeint ist die Gremeinde in Knosos (auf Kreta). -
παραχαλει μηβαρυυ ψορτιον επαναγες, το περι αγνειας
τοις αδελψοις επιτιυεναι, της δε των πολλωυ χαταστο-
χαζεσυαι, ασυενειας. ( Schwarz aaO. 159). -Deutsch:
BKV Eusebius 2, 194.
27 = als, im Verhältnis zu.
28 Quamvis enim neque hoc inveniri possit, quomodo
contra fidem sint: ipsam tamen religionem, quam
rium, das bereit zu seiner zeit, das doch wol eine gül-
den zeit weder27 der unser zu nennen were, die kir-
chen mehr beschwert seien denn weiland die Juden28.
Was solt er jetzt sagen und schreiben, wenn er sehen
solte die unchristliche, unnötige, vergebliche gesetze,
ordenung und ceremonien ?
Zuletzt sol das niemand weder hindern noch er-
geren, ob etwan nicht an allen orten und stetten ein-
hellige, gleichförmige ceremonien gebrauchet wer-
den oder gehalten. In der lere und austeilung der
heiligen hochwirdigen sacramenten sollen wir je
keine unordenung fürnemen, sondern eine lere füren,
wie wir von Christo und den apostelen empfangen
haben, auch in den sacramenten keinen andern ver-
stand suchen, denn die wort geben. Aber der cere-
monien müssen wir mechtig sein und dieselbigen
nach der zeit, personen und gelegenheit anrichten
und brauchen, aber doch also, das uns nicht zu ser
der fürwitz und ehrgeizigkeit stechen, domit wir wol-
ten etwas neues aufbringen und sonst uns mit an-
deren dienern des götlichen worts nicht vergleichen.
So in einer stat mer denn ein pfarkirche ist, so er-
fordert es die notturft, das die diener sich ganz christ-
lich und brüderlich vergleicken in den ceremonien
und einerlei ordnung und ceremonien halten, domit
ergernus und unnütz rede zu verhüten. So sollen
auch die pfarherrn, so draußen auf den dörfern wo-
nen, auch nicht ires eigens kopfs sein, angesehen das
die dörfer in die stat gehören und ein erbar rat do
zu gebieten und verbieten hat, sondern sollen der
ordenung geleben, so in fürgeschrieben ist.
Etliche sind, die do gar sturmen und aus der kir-
chen werfen die bilder. Erwiderumb sind etliche, die
lassen die bilcler bleiben. Alhier solte man fleißig
sehen auf die zeit, personen und andere umbstende.
Wir wissen, das uns die bilder weder zur gerechtig-
keit noch seligkeit etwas helfen oder dienen. Und
paucissimis et manifestissimis celebrationum sacra-
mentis misericordia Dei esse liberam voluit, servili-
bus oneribus premunt, ut tolerabilior sit conditio
Judaeorum, qui, etiamsi tempus libertatis non agno-
verint, legalibus tamen sarcinis, non humanis prae-
sumtionibus subiiciuntur. Sed ecclesia Dei inter mul-
tam paleam multaque zizania constituta multa to-
lerat et tamen, quae sunt contra fidem vel bonam
vitam, non approbat nec tacet, nec facit (MSL 33,
221 f.).
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