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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0667
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VII 3 Dorfordnung für Gochsheim und Sennfeld. 1543

Hernachbemelte ordnung hab ich Lorentz von
Romroth 1, amptmann zu Schweinfurt, ampts hal-
ben gegen beden dorfern Gochsheim und Sendevelt
den inwohnern derselbe dorfer zu nutz und gutem
furgenomen, die ich bei der straf, darinne vermeldt,
gehalten haben will.
Erstlich ich schultheißen, bauernmaister und allen
inwohnern eines jeden dorfs und auch iren kindem
und eehalten2 hirmit ernstlich anstatt und von we-
gen meines gnedigen herrn landgraven als schutz-
und schirmsherrn des heiligen romischen reichs der
statt Schweinfurt und beder obberurter dorfer, in
solichen schutz gehorig, gepoten haben will, das ein
jeder inwohner sampt bemelten seinen kindern und
gesind, dieweil nun ir von Gott dem allmechtigen
und der oberhand mit einem rechtgeschaffen gelar-
ten prediger3 begabet und versehen seit, vleißig und
embsig in die predig, das wort Gottes zu hören, gehen
sollet, darinne euch nicht leichtfertig, sonder zuch-
tig, auch erbarlich halten, kein gespott darob zu
treiben noch soliche predig mit ainichen worten zu
verlestern und eerlichen in der forcht Gottes dar-
nach mit pußfertigem leben euch erzeigen und er-
weisen, auch eueren herrn prediger und seinen kir-
chendiener4 mit aller eererbietung halten und inen
die beweisen.
Es soll auch weder alt noch jung unter der predig
noeh unter dem abentmal auf dem kirchove nit steen
Druckvorlage: Das z. B. um 1910 im Stadtarchiv
Schweinfurt (40/11) vorhandene Original kann zur Zeit
nicht aufgefunden werden. Als Vorlage mußte daher
der Druck in Weher 324ff. dienen.
1 von Romrode (Bumrodt) als Vertreter des Land-
grafen Philipp von Hessen als des kaiserlichen Vog-
tes über die beiden Reichsdörfer. Glied einer alten
hessischen Adelsfamilie (Zedler, Universallexikon 32
[1750] 1810f. - Schöffel 238. 268. 269).
2 = in die Hausgemeinschaft aufgenommene Dienst-
boten (Schmeller 1,8).
3 Nicht aus dieser Dorfordnung an sich, wohl aber dar-
aus, daß der jetzige Prediger Gochsheims als erster
evangelischer Geistlicher genannt wird, folgt, daß
Gochsheim erst 1543 evangelisch wurde. Pfarrer Joh.
Spangenberg war bis anfangs 1543 Pfarrer in Ha-
melburg (Doell, Geschichtliche ... Nachrichten
über die Stadt Hammelburg, in: Archiv des Histo-
rischen Vereins von Unterfranken 22 [1874] 360. -
Schornbaum, Unterfranken 73. 75).

noch auch auf dem platz noch in den gassen, daruf
auch nit spaciren gehen, auch auf das veld darunter
nit zu gehen, welichs ir auch euern kindern und ehe-
halten verbieten sollet.
Dergleichcn soll sich auch keiner in keinem wirts-
haus darunter in solichen predigen und cristlichen
ampten bedreten lassen bei der straf 3 pfund5 gelts,
so oft und dick einer ungehorsamlich sich in solichen
articuln erweist und erfaren oder bedreten wurd, zu
geben schuldig und pflichtig sein soll, welche straf
und buß zur kirchen gepraucht werden soll.
Dergleichen verbiet ich hiemit die große gots-
schwur6 und gottslesterung mit worten noch sonst,
die durch euch oder euere kindlin und gesind nit ge-
praucht werden sollen, sonder die pestes fleiß zu ver-
meiden und euch alle deren zu enthalten und beden-
ken, auch zu herzen furen die große straf Gottes, so
vor augen, sonder dargegen mit vleißigem, demu-
tigem gepet euch gegen Gott mit embsiger anhal-
tung, wie ir von euerm herrn predicator horet, er-
weisen und anhalten. Das ir auch euch, euer seel
nutz und heil nach, auch zu vermeiden verschwen-
dung euer sin und vernunft, auch euer zeitlichen
guter, die dester stattlicher zu enthalten, die un-
[n]utze große schwelcherei mit vollfressen und sau-
fen, auch das groß, unmeßig zutrinken7 zu ganzen
und halben enthalten wollet.
4 Die Annahme, daß ein gleichzeitig für Sennfeld ge-
nannter Johann ... mit Spangenberg personengleich
sei (Weber 38), ist nach unserer Stelle unwahr-
scheinlich, da hier von einem weiteren Kirchendiener
die Rede ist. Sennfeld erscheint hier wieder als Toch-
terkirche von Gochsheim, nachdem Gochsheim ja
nun auch selbst evangelisch war.
5 Unter dem Vorbehalt, den eine Übertragung wirt-
schaftlicher Verhältnisse von Nürnberg an den mitt-
leren Main erfordert, wird auf S. 31 Amn. 20 und
S. 334 Anm. 9 verwiesen. 1 Pfund von 1543 ent-
sprach dann ungefähr 15 DM von 1959.
6 = Flüche.
7 Die Nötigung, so viel nachzutrinken, als einem vor-
getrunken worden war (,,zu ganzen und halben“)
— eine vor allem damals durch Reichs- und Landes-
gesetze und -verordnungen immer vergeblich be-
kämpfte deutsche Unsitte (Zedler, Universallexi-
kon 64 [1750] 890-929).

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