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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0673
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Eine neue Bewegung kam, als der frühere Frühmesser von Graben, Nilcolaus Alberti, um die Jahres-
wende 1525/2614, als Kaplan nach Weißenburg kam. Er hatte schon 1523 in Graben mit alten
kirchlichen Gebräuchen gebrochen15, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß gerade das der Grund für
seine Berufung war. Er erklärte sich am 9.Juli 1528 der Stadt gegenüber aus Gewissensgründen nicht
mehr in der Lage, die Messe zu halten. Der Rat war damit einverstanden16. Es ist anzunehmen, daß
er von da an dafür als Prediger tätig war. Am 9. Dezember schloß Albrecht auch die Ehe17.
Inzwischen liefen im Sommer 1528 die Verhandlungen zwischen Nürnberg und Brandenburg-Ans-
bach wegen einer gemeinsamen Kirchenvisitation, bei der auch eine Kirchenordnung erarbeitet wurde18.
Das war vermutlich der Anlaß, weshalb nun die Weißenburger evangelischen Geistlichen am 22. No-
vember dieses Jahres eine Kirchenordnung zusammenstellten und sie dem Rat übergaben19. Dieser sandte
die Kirchenordnung nach Nürnberg, wo sie der dortige Rat wieder an Andreas Osiander zur Begut-
achtung weitergab. Sein Gutachten vom 23. Dezember 152820 war durchaus damit einverstanden. Nur
in zwei Punkten ging ihm der Entwurf zu weit - darin, daß das Abendmahl solchen verweigert wurde,
die es nicht unter beiderlei Gestalt empfangen wollten, und in der vollständigen Abschaffung der Ves-
pern. Der Rat gab dieses Gutachten auch noch andern Nürnberger Predigern, die sich Osiander an-
schlossen und erklärte dann am 15. Januar 1529 auch sein Einverständnis mit dieser Kirchenordnung.
Sie wurde daraufhin von der Stadt21 bestätigt, anscheinend aber unter Berücksichtigung der Wünsche
der Nürnberger Geistlichen22. Daneben blieben die von den altgläubigen Geistlichen gehaltenen Messen
unangetastet, zumal sie wohl von der Gemeinde kaum besucht wurden.
Als in Speyer am 24. April 1529 die evangelischen Reichsstände die Protestations- und am Tag
darauf die Appellationsurkunde gegen die Aufhebung des Reichsabschieds von 1526, der die Behand-
lung der religiösen Frage dem Gewissen der Reichsstände anheimgestellt hatte, unterzeichneten, setzte
auch Weißenburgs Bote den Namen seiner Stadt unter sie23. Ebenso stand Weißenburgs Name unter
dem Bekenntnis, das am 25. Juni 1530 in Augsburg dem Kaiser überreicht wurde, wenn auch nicht
mehr in diesem Exemplar selbst24.
Daß dabei nicht die Obrigkeit allein so dachte, sondern daß diese damit nur das Bekenntnis der
Bürgerschaft zum Ausdruck brachte, zeigte sich sehr rasch. Der Reichsabschied verlangte bis zum 15. April
des folgenden Jahres völlige Abkehr von evangelischer Haltung. Nach gründlichen Überlegungen und
Beratungen verlas ihn deshalb am 15. November Bürgermeister Ulrich Hagen vor einer in die Andreas-
kirche einberufenen Bürgerversammlung. Darauf ließ er öffentlich abstimmen. Während lediglich 7 dem
Kaiser Gehorsam leisten wollten, entschieden sich 447 für Treue zu der erkannten Wahrheit25.
Die Behauptung, Philipp Melanchthon habe auf der Rückreise von Augsburg eine große Visitation
des ganzen Kirchenwesens gehalten26, ist falsch. Die aus dem Jahr 1566 stammende Quelle, auf die man

14 Ried 120.
15 K. Schornbaum, Ein altes Haushaltungsbüchlein, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürn-
berg 43 (1952) 496. 16Vogt 19f. 17 Schornbaum aaO. 18 Unsere Nr. III 3.
19 Unsere Nr.VIII 1. 29 NStA S I L 63 Nr. 8.
21 AbgedrucktVogt 55f. - Das von Vogt genannte Datum der Antwort der Geistlichen (23. 12. 28) ist falsch. Es
stammt von Schreiberhand und bezeichnet den Einlauf in der ,,Frage“ (d. h. der Referentenamtszeit [von Schu-
bert, Gottesdienstordnung 279. — Simon, 1. Abendmahlsfeier 370 Anm. 29]), die am 23. Dezember 1528 be-
gonnen hatte,wie der gleiche Vermerk auch auf dem Schreiben der Stadt Weißenburg (vgl. Anm. 20) angebracht
wurde. 22 Ried 41.
23 J• Kühn, Die Geschichte des Speyrer Reichstags 1529 ( = Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 146)
Halle 1929. 219. 237f.
24 Die Zustimmung des Rates traf am 16. Juli in Augsburg ein (Döderlein, Jubelfreude 21-37. - Vogt 24-43.
- Ried 42-51. - Gußmann I 1 163-177 [passim]. 487. 497).
25Vogt 39-43.- Ried 49 . 26 Döderlein, Jubelfreude 32f. —Vogt 39.— Ried 47.

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