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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0706
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Grafschaft Castell

die hausväter und -mütter, desgleichen die gewach-
sene söhne und döchter, auch alles hausgesind, was
ohne sondern nachteil abkommen kann, diese kin-
derlehre, darinnen uns die hauptpuncten unsere
christlichen glaubens und, was uns zu unserer selig-
keit zu wissen von nöten, kurzlich begriffen, für-
nemblich besuchen, bei straf vfünfzehen pfenningv
in das gottshaus, wer es ohne redliche und erhebliche
ursachen mutwillig und fursetzlich versäumbt, wson-
derlich, welche zuvor den catechismum nit konnen w.
Es haben auch die leut diese böse gewonheit, daß
sie alle ihre gescheften, was sie die ganze woche nicht
verrichten mögen oder sonsten in den wirtshäusern
dieselbige zeit hinder dem wein liegen, uf den feier-
tag sparen, als dann über veld gehen, ecker, wiesen,
weingarten und anderst besichtigen, auch etwan
vögeln und dergleichen narrenwerk nachgehen, dar-
durchx sie die predigt versäumen, welches wir hiemit
abschaffen und wöllen, daß vor und unter der pre-
digt kein gescheft, dadurch die predigt versaumbt,
sondern dem wort Gottes und dem gebet zuegehört
und ausgewart werde.
Welcher aber darwider handlet und ohne leib-
schwachheit oder sonsten erhebliche, gnugsame ur-
sachen die predigt nicht besucht und in der kirchen
nicht erscheinen wurdet, der solle, ywie oben gemel-
dety, so oft er es verbricht, zein pfund20z in das
gottshaus zue straf geben.
Under der predigt an den son- und feiertagen sol
man kein krämer lassen feil haben, auch niemand
danzen, zechen, spielen oder unnötige arbeit tun,
auch vor kirchen und uf der gassen nit gehen, stehen
chismum und kinderlehr hält und predigt, alle-
zeit etliche buben und mädchen nach der ord-
nung, damit es umgehe, befragen und verhören
und sonderlich achtung darauf haben, ob sie beten
können und im fall, ob sie das noch nicht gelernt,
so sollen sie die eltern beschicken, von denselbi-
gen erfahren und anhören, ob sie, die alten, beten
können und warum sie die jungen solches nicht
auch gelernt. Wo dann die alten beten können,
soll er sie anhalten, daß sie die kinder auch unter-
richten, wo nicht, daß sie, die eltern samt den
kindern, dasselbige förderlich und unverzüglich
uf eine bestimmte zeit leren sollen. Wo sie dann
solche warnung verachten und daran säumig wer-
den, sollen sie uns angezeigt werden, der gebühr
nach haben zu bestrafen.
v-v 1569: 4 turnes w-w Fehlt 1569.
y-y Fehlt 1569. z-z 1569: vier turnes20

oder sitzen noch in der kirchen unnötigerweis aus-
und einlaufen, sondern ein jeder seine gescheften zu-
vor dahin richten, wenn manzuesamenleutet, [da]mit
er (sowol auch der pfarrer) in die kirchen gehen, Got-
tes wort hören, der predigt auswarten und sein ge-
bet mit einer ganzen gemeind ruhig und still vol-
bringen möge.
Da aber jemand leibsschwachheit halber oder son-
sten redliche ursach hätte, die predigt zu versaumen,
sol er doch die selbig zeit sich in seinem haus still
und unergerlich enthalten, aalles bei obgemeldter
straf, ein pfund21a in das gottshaus bzue geben15.
Es möcht sich aber einer so frevenhch und ver-
ächtlich hierin erzeigen, wir wurden es bei dieser
straf nicht bleiben lassen und sonderlich, wo man
under der predigt spielen und saufen wurdet, sol ein
jeder einen gulden22 und die wirt, so solche seufer
und spieler ufenthalten, wein und platz darzue ge-
ben, jeder zwen gulden in das gotshauszuestrafgeben.
Es csoll auch neben dem schulmeister jemand ver-
ordnet werdenc, in der kirchen fleißig achtung dzud
haben, daß die jugend stifl und züchtig der predigt
zuehöre. Da sie aber schwetzen, lachen, schlafen oder
sonst ungebertig sein, sollen diejenigen, so in die
schulen gehen, daselbsten in der schul und die, so
nit in die schul gehen, von den elterne mit ruten ge-
züchtiget werden, damit sie zur gotsforcht, dem ge-
bet und zucht angewiesen und um die fahrlessigkeit
gestraft werden.
Sollten aber die eltern den kindern solches ver-
hengen23 und nit darum strafen wöllen, soll fsie der
a-a 1569: bei straf vier turnes21.
b-b 1569: so oft er hierin sträflich erfunden wird
c—c 1569: sollen auch die pfarrherrn, schultheiß, heim
burgen und schulmeister d Fehlt 1569.
e 1569 : + im beisein des pfarrers und schultheißen
f-f 1569: solches an uns gebracht werde, nach ge-
legenheit der sachen
20 Hier gehen die Strafen auseinander. Während oben
4 Turnes mit 15 Pfennigen gleichgesetzt waren, steht
ihnen hier ein Pfund (alt) zu 30 Pfennigen (E. Schol-
ler, Der Reichsstadt Nürnberg Geld- und Münz-
wesen in älterer und neuerer Zeit. Nürnberg 1916.
241 ff. - Lang 2, 99) gegenüber.
21 Vgl. Anm. 20!
22 = 8 Pfund (alt) 12 Pfennige = 252 Pfennige (an
Kaufkraft gleich 110 DM von 1959) (vgl. 334 Anm.9).
23 _ gestatten (Schmeller 1, 1131f.).

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