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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0708
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Grafschaft Castell

sWolte sich aber einer an die erste straf nicht sto-
ßen, sondern mit seinem fluchen und gotslestern fort-
faren oder die gotslesterung so gar grob und schwer
sein, soll er doppelt gestraft werden und, so oft er
es verbricht, widerumb gedoppelt, bis er sich gebür-
lich und gehorsamlich erzeigt oder aber so grob und
verechtlich macht, daß ine der schultheiß einzihen,
gefänglich verwaren und uns berichten solle, die fer-
nere gebur gegen ime vorzuenemen.
Und da gleich ein frembder in unser oberkeit ginge
und über vleißige, getreue verwarnung und bitten
von seinem fluchen und gotslestern nicht abstehen
wolte, soll er von dem zuehörenden dem schulthei-
ßen angezeigt werden, der ine verstricken oder im
fall der not gefenklich einziehen solle, bis er die ge-
bürende straf wie ein inwoner erlegts.
Von zauberei, teufelsbeschweren,
warsagen, segnen
und andern aberglauben.
Wiewol wir unseren untertonen nicht zuegetrauen,
daß sie mit solchem teufelswerk umbgehen und die
zeit hero Gottes wort bei inen rein und lauter ge-
predigt, solches nicht mehr frucht gebracht haben
sollte dann daß sie erst Gottes verlaugnen, dem Teu-
fel sich ergeben und durch sein anreizung und hilf
iren negsten beschädigen wolten, so tbefinden wir
doch in vilen orten, da gleichwol das evangelium
s-s1569 : Wenn aber solche gotteslästerung und fluch
aus zorn und vorsetzlich über das getane ver-
manen und warnen geschehen und sich nicht dran
stoßen oder vor gut nehmen wollen, soll der über-
treter auf frischem fuß dem schultheiß ange-
zeigt, von demselbigen gefänglich angenommen
und uns überschickt werden, demselbigen seiner
verwürkung nach im turn oder sonst haben zu
bestrafen.
Es mögt sich aber jemand mit so schwerer oder
hoher gotteslästerung so freventlich und gefähr-
lich halten, auch so oft darob ergriffen werden
und nicht davon abstehen wollen, der soll andern
zum exempel vermög der kaiserlichen peinlichen
rechten32 beklagt und bestraft werden.
t-t 1569: wer uns doch glaublich angebracht, daß
viel und fast gemein unter ihnen solch wahrsagern
nachlaufen. u 1569: + zu
v-v1569: unter unsern untertanen oder in unserer
obrigkeit
w-w 1569: dieselbigen gefänglich anzunehmen und uns
zu überantworten. Gedenken wir sie an leib und

auch gepredigt wurd, daß nichts desto weniger die
leut teils aus unverstand teils aus kleinmütigkeit teils
aus geiz und teils aus fürwitz solchen wahrsagern
nachlaufent, in irem anligen derselben ratu pflegen,
auch sonsten mit vilen segnen und anderen33 aber-
glaubischen geweiheten kräutern34, salz35, wasser36,
lichter37 und dergleichen sich, ire kinder, vihe und
güter vor dem Teufel, krankheit, ungewitter, wel-
fen und anderm unglück zu bewaren, dabei aber Got-
tes vergessen und daß sie denselbigen in allen iren
nöten anrufen sollen, der inen auch helfen kan und
wil, nichts achten noch die gebürliche arzneien und
mittel, von Got geordnet und zuegelassen, gebrau-
chen, welches dan die großeste sunde und greuel vor
Got ist, der da sagt im 1. gebot [Ex. 20, 2f.]: Ich
bin der Herr, dein Gott, ein aiferiger Gott. Du sollst
kein ander götter neben mir haben! Item im andern
gebot [Ex. 20, 7]: Du sollst den namen deines Herrn
und Gottes nicht mißbrauchen!
Dieweil dann die teufelsbeschwerung und, so durch
denselben wahrsagen, auch die unhulden, zauberer
und zauberin sich dem Teufel ergeben, mit ime ver-
binden und vermüschen, allen christen absagen und
Gotes verlaugnen müssen, welches dann die hochste
sunde ist, so setzen und ordnen wir: Wer derselbigen
gottlosen leut vin unserm fleckenv betreten und er-
fahren, daß sie dem schultheißen angezeigt, der wsie
gefenklich einzihen und wol verwahren und uns be-
richten, auch ferners bescheids gewarten sollew.
leben strafen zu lassen, wie uns das Gott nach
Moysen[3. Mos. 20, 27] geboten: Die zauberer und
zauberinnen solt du nicht leben lassen! Wenn ein
mann oder ein weib ein warsager oder zeichendeu-
ter sein wird, die soll des todes sterben. Man soll
sie steinigen; ihr blut sei uf ihnen!

32 Die Constitutio criminalis Carolina, das 1532 ge-
gebene Strafgesetzbuch Karls V. Artikel 121 (G. Rad-
bruch, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V.
[Text] 1926) wollte in Artikel 106 ,,gotsschwerer“ an
„leip, leben oder glidern nach gelegenheit und ge-
stalt der personen und lesterung gestraft“ wissen.
33 Hier sind Gebräuche aus der katholischen Zeit, die
aber teilweise schon aus der heidnischen Vorzeit
stammen mögen, gemeint.
34 Bächtold 5, 440-446; 6, 1366-1386.
35 Bächtold 7, 901 f., 908ff.
36 Bächtold 3, 1684.
37 Wetzer 7, 1970f. - LThK 5,935; 10, 707. - Bäch-
told 4,1243-1255; 5,1262-1272.

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