seine Presse ganz in den Dienst ihrer Gedanken. Dagegen standen Frosch und Kastenbauer fest auf
der Seite Luthers; in Kaspar Huberinus 29 bekamen sie bald einen wertvollen Kampfgenossen. Zwar fand
sich 1528 auch Rhegius wieder zu ihnen zurück; aber Augsburg war doch seit 1527 eine zwinglische
Stadt30. Das zeigte sich auch in der recht tumultuarischen Form, in der sich die Lösung von den alten
Formen vollzog. Am Sonntag Judica, 14. März 1529, zerschlug Keller am Altar der Barfüßerkirche ein
großes Kruzifix; am 24.Juni vergrub der Pfarrer Seyfried von St. Georg ein Meßgewand zum Zeichen,
daß nun keine gotteslästerliche Messe mehr gelesen werden solle 31.
Der Rat ließ die Bewegung sich weiter entwickeln und hielt sich zurück. Am 16.April 152732 er-
laubte er zwar ausdrücklich die Abendmahlsfeier unter beiderlei Form. Im Januar 1528 ordnete er auch
einen lutherischen und einen zwinglischen Geistlichen zur Berner Disputation ab, wie er im gleichen Jahre
auch den leidenschaftlichen Wortführer der Katholiken, den Moritzprediger Nachtigall, zwang, die
Stadt zu verlassen33. Sonst aber hielt sich der Rat so, daß er die kaiserliche Gunst nicht in Gefahr brachte.
Bei diesem völligen Mangel an klarer Führung inmitten einer gärenden religiösen Volksbewegung
war es - noch abgesehen von anderen Gründen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und verkehrsmäßiger
Art - nicht mehr als selbstverständlich, daß sich in Ausgburg auch noch die Vertreter verschiedenstener
mehr unter den einfacheren Volksschichten lebendiger, anderwärts verfolgter Richtungen sammelten, vor
allem die Täufer. Diese hielten im August 1527 geradezu eine Synode ihrer vielverzweigten Bewegung ab
und bestellten dann hier eine große Anzahl von Aposteln zur planmäßigen Missionierung von ganz
Süd- und Mitteldeutschland34. Ein Augsburger Bürger schildert die damalige Lage seinem Schwager in
Zerbst am 7. März 1528 mit diesen Worten:
,,Ir solt wissen, das es nach ubel zusteit bei uns; dan große ketzerei ist bei uns - funferlei secten:
etliche predigen, es sei Christus kein got gewest, sunder ein prophet; die andern sagen, das brot oder sacra-
ment sei nit Christus leib und blut; etliche teufen iderman wider; darnach seind die lutherische und
papisten, und ist ein solcher jammer, das die ganz stadt Augsburgk betrubt ist... Wan ein widerteufer
oder ein zwinglischer bei uns predigt, so sein bei sechzentausent zu horen; wan die andern doctores pre-
digen, sind ir kaum sechs oder siebin menschen aufs meiste“35. Kaum anders schildert 1530 Pfarrer
Adam Weiß von Crailsheim seinen Eindruck aus der Zeit des Reichstags 36.
Bei solchen Verhältnissen ist es natürlich unmöglich, von klaren Augsburger Gottesdienstordnungen
zu reden. Man könnte sie zudem nur für die jeweiligen Gruppen aufzeigen, wobei man aber bedenken
müßte, daß die Übergänge durchaus fließend waren. Immerhin gaben sich die Evangelischen eine feste
Ordnung für ihre Wochenfrühgottesdienste - wohl, weil hier wenigstens Lutheraner und Zwinglianer mit-
einander gehen konnten. Diese Ordnung liegt vor im „Frühgebet“37. Es wird einfach die Gottesdienst-
form Kellers und seiner schweizerisch gerichteten Freunde wiedergegeben. Diesem Büchlein war ein
29 * 1500 Stotzard bei Aichach. - Nach Studium in Wittenberg, seit 1525 ohne Amt in Augsburg, 1535 Augsburg
Heilig Kreuz Diakonus, 1537 Domprediger, 1542 St. Stephan Prediger, 1552 Öhringen Prediger - † 1533 (Joh.
Chr. Wibel, Hohenlohische Kirchen- und Reformationshistorie. Ansbach 1752-1755. 1, 325. 344—366. 371. 379 bis
382; 2, 452f.; 3 Cod. dipl. 308-321. 324-332. 340-355, 4, 181f. Cod. dipl. 102f. - Rein 15. - ADB 13, 258f. -
Roth, Huberinus. — Roth, Register. — RK 8, 415jf.).
30 Roth 1, 197-210.
31 Roth 1, 305f. 32 Schott 9, 260, 262.
33 Roth 1, 15f. 130f. 306f. — LThK2 6, 1221 (Luscinius).
34 Simon, EKGB 191f. - Roth, 1, 218-271.
35 Kawerau, Zur Reformationsgeschichte Augsburgs, in: BbKG 2 (1896) 131. -Friedr. Arencke, Ein Augsburger
Privatbrief aus der Reformationszeit, in: ARG 13 (1916) 154f. — Roth 1, 207—217. 268. - Wie in den hier nicht
wiedergegebenen Nachrichten über die Hinrichtungen von Wiedertäufern sind die zuletzt genannten Zahlen zweifel-
los weit übertrieben. Für die Lage ist der Brief aber höchst bezeichnend.
36 Jak. Friedr. Georgii, Uffenheimische Nebenstunden. 1. (Schwabach 1740) 675f. — Roth 1, 325.
37 Unsere Nr. I. 2. - Kamp. — Waldenmaier 50.
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der Seite Luthers; in Kaspar Huberinus 29 bekamen sie bald einen wertvollen Kampfgenossen. Zwar fand
sich 1528 auch Rhegius wieder zu ihnen zurück; aber Augsburg war doch seit 1527 eine zwinglische
Stadt30. Das zeigte sich auch in der recht tumultuarischen Form, in der sich die Lösung von den alten
Formen vollzog. Am Sonntag Judica, 14. März 1529, zerschlug Keller am Altar der Barfüßerkirche ein
großes Kruzifix; am 24.Juni vergrub der Pfarrer Seyfried von St. Georg ein Meßgewand zum Zeichen,
daß nun keine gotteslästerliche Messe mehr gelesen werden solle 31.
Der Rat ließ die Bewegung sich weiter entwickeln und hielt sich zurück. Am 16.April 152732 er-
laubte er zwar ausdrücklich die Abendmahlsfeier unter beiderlei Form. Im Januar 1528 ordnete er auch
einen lutherischen und einen zwinglischen Geistlichen zur Berner Disputation ab, wie er im gleichen Jahre
auch den leidenschaftlichen Wortführer der Katholiken, den Moritzprediger Nachtigall, zwang, die
Stadt zu verlassen33. Sonst aber hielt sich der Rat so, daß er die kaiserliche Gunst nicht in Gefahr brachte.
Bei diesem völligen Mangel an klarer Führung inmitten einer gärenden religiösen Volksbewegung
war es - noch abgesehen von anderen Gründen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und verkehrsmäßiger
Art - nicht mehr als selbstverständlich, daß sich in Ausgburg auch noch die Vertreter verschiedenstener
mehr unter den einfacheren Volksschichten lebendiger, anderwärts verfolgter Richtungen sammelten, vor
allem die Täufer. Diese hielten im August 1527 geradezu eine Synode ihrer vielverzweigten Bewegung ab
und bestellten dann hier eine große Anzahl von Aposteln zur planmäßigen Missionierung von ganz
Süd- und Mitteldeutschland34. Ein Augsburger Bürger schildert die damalige Lage seinem Schwager in
Zerbst am 7. März 1528 mit diesen Worten:
,,Ir solt wissen, das es nach ubel zusteit bei uns; dan große ketzerei ist bei uns - funferlei secten:
etliche predigen, es sei Christus kein got gewest, sunder ein prophet; die andern sagen, das brot oder sacra-
ment sei nit Christus leib und blut; etliche teufen iderman wider; darnach seind die lutherische und
papisten, und ist ein solcher jammer, das die ganz stadt Augsburgk betrubt ist... Wan ein widerteufer
oder ein zwinglischer bei uns predigt, so sein bei sechzentausent zu horen; wan die andern doctores pre-
digen, sind ir kaum sechs oder siebin menschen aufs meiste“35. Kaum anders schildert 1530 Pfarrer
Adam Weiß von Crailsheim seinen Eindruck aus der Zeit des Reichstags 36.
Bei solchen Verhältnissen ist es natürlich unmöglich, von klaren Augsburger Gottesdienstordnungen
zu reden. Man könnte sie zudem nur für die jeweiligen Gruppen aufzeigen, wobei man aber bedenken
müßte, daß die Übergänge durchaus fließend waren. Immerhin gaben sich die Evangelischen eine feste
Ordnung für ihre Wochenfrühgottesdienste - wohl, weil hier wenigstens Lutheraner und Zwinglianer mit-
einander gehen konnten. Diese Ordnung liegt vor im „Frühgebet“37. Es wird einfach die Gottesdienst-
form Kellers und seiner schweizerisch gerichteten Freunde wiedergegeben. Diesem Büchlein war ein
29 * 1500 Stotzard bei Aichach. - Nach Studium in Wittenberg, seit 1525 ohne Amt in Augsburg, 1535 Augsburg
Heilig Kreuz Diakonus, 1537 Domprediger, 1542 St. Stephan Prediger, 1552 Öhringen Prediger - † 1533 (Joh.
Chr. Wibel, Hohenlohische Kirchen- und Reformationshistorie. Ansbach 1752-1755. 1, 325. 344—366. 371. 379 bis
382; 2, 452f.; 3 Cod. dipl. 308-321. 324-332. 340-355, 4, 181f. Cod. dipl. 102f. - Rein 15. - ADB 13, 258f. -
Roth, Huberinus. — Roth, Register. — RK 8, 415jf.).
30 Roth 1, 197-210.
31 Roth 1, 305f. 32 Schott 9, 260, 262.
33 Roth 1, 15f. 130f. 306f. — LThK2 6, 1221 (Luscinius).
34 Simon, EKGB 191f. - Roth, 1, 218-271.
35 Kawerau, Zur Reformationsgeschichte Augsburgs, in: BbKG 2 (1896) 131. -Friedr. Arencke, Ein Augsburger
Privatbrief aus der Reformationszeit, in: ARG 13 (1916) 154f. — Roth 1, 207—217. 268. - Wie in den hier nicht
wiedergegebenen Nachrichten über die Hinrichtungen von Wiedertäufern sind die zuletzt genannten Zahlen zweifel-
los weit übertrieben. Für die Lage ist der Brief aber höchst bezeichnend.
36 Jak. Friedr. Georgii, Uffenheimische Nebenstunden. 1. (Schwabach 1740) 675f. — Roth 1, 325.
37 Unsere Nr. I. 2. - Kamp. — Waldenmaier 50.
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