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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0041
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licher, einheitlicher Bestallungsentwurf zusammengestellt, den alle Geistlichen durch Unterschrift aner-
kennen mußten11 und der nun weiterhin zur Anwendung kam12.
Die Führer der Evangelischen waren in diesen entscheidenden Tagen der Bürgermeister Ulrich
Behlinger13 und der Stadtarzt Gereon Sailer 14. Peutinger, der die Reformation vergeblich durch den Hin-
weis auf die politischen und wirtschaftlichen Folgen zu verhindern gesucht hatte, schied jetzt aus dem
Dienst der Stadt.
Der Bischof bemühte sich gar sehr um Baierns Hilfe; er bekam aber nur im Juni 1535 dadurch
Unterstützung, daß den baierischen Bauern verboten wurde, Vieh nach Augsburg zu verkaufen. Der
Wiener Hof beschränkte sich auf Befehle und Drohungen an den Rat. Dieser ließ es sich allerdings
auch sehr viel Geld kosten, die einflußreichen Männer dazu zu bringen, daß es dabei bleiben konnte.
Der Rat verließ sich aber nicht nur auf seine Bestechungsgelder. Er suchte auch Anschluß an die
anderen evangelischen Stände. Dazu mußte freilich eine Einigung mit Wittenberg zustande gebracht
werden. Im November und Dezember 1534 weilte Butzer, der große Unionsmann, in Augsburg. Die
Augsburger Prediger nahmen auch seine Vermittlungsformel über das Abendmahl an. Daran anschlie-
ßend erlebte er den gleichen Erfolg auch in anderen oberdeutschen Städten, darunter in Memmingen,
Kempten und Lindau. Zum Zeichen ihres ernsten Vermittlungswillens nahmen die Augsburger im
August 1535 in Johann Forster15, einem Stadtkind, einen lutherischen Prediger an. Ihm wurde bald
Kaspar Huberinus beigesellt. Am 10. Januar 1536 wurde Augsburg in den Schmalkaldischen Bund
aufgenommen. Die Einigungsverhandlungen wurden in der Wittenberger Konkordie16 zu Ende geführt.
Gerv. Schuler aus Memmingen und Wolfhart und Meußlin aus Augsburg waren dazu in Wittenberg.
Die Stadt nahm sie auch ausdrücklich an17. Zu wirklicher Bedeutung aber gelangten sie hier so wenig
wie anderswo. Doch war Luthers Briefwechsel mit Augsburg in den Jahren 1535 und 1536 sehr freund-
schaftlich18.
Butzer drängte auf weitere Bereinigung des Kirchenwesens. Das war freilich nicht ohne einen Ein-
griff in die staatlichen Hoheitsrechte des Bischofs möglich, weshalb es auch Luther selbst widerriet. Das
Volk aber drängte weiter. Bei der Ratsneuwahl kam mit Hans Welser ein stürmisch vorstoßender Bür-
germeister in die Führung. So beschloß denn nach Welsers Vortrag am 17. Januar 1537 der Große Rat
mit ⅞Mehrheit, alle Kirchen - auch den Dom - dem evangelischen Gottesdienst zu öffnen, die Messe zu
verbieten und alle Geistlichen, Mönche und Nonnen, die sich nicht ins Bürgerrecht begeben wollten,
auszuweisen. Auch alle Bilder sollten beseitigt werden. Schwierigkeiten gab es bei den Nonnen von
St. Katharina und St. Nikolaus. Sie waren zwar schon seit früherer Zeit im Bürgerrecht, wollten aber
keine evangelische Predigt hören und auch ihre Tracht nicht ablegen. Einziehung von Klostergut er-
folgte nicht; nur wo Klosterbesitz der Stadt übergeben wurde, wurde er angenommen. Doch wurden
einige entbehrliche Kapellen abgebrochen19.

11 Nach dem Bericht des Huberinus bei Germann 314f. - Roth 2, 242f.
12 Unsere Nr. I 6. — Weitere Originale: Augsburg Stadtarchiv, Evang. Wesensarchiv Nr. 264ff.
13 * um 1475, † 1547. — 1523—1535 abwechselnd Bürgermeister und Baumeister (AD B 27, 598. — Both [Register]).
14 Aus Blumenthal bei Aichach. - 1527 Augsburg Stadtarzt - † 1563. - Weit geschätzt und viel zu diplomatischen
Diensten verwendet, bes. bei Landgraf Philipp von Hessen und den Herzögen von Baiern (ADB 30, 462ff. -
Roth [Register]. - Friedr. Roth, Aus dem Briefwechsel Gereon Sailers, in: ARG 1 [1904] 101-171. - Sigmund
Riezler, Geschichte Baierns. 4 und 6. Gotha 1899. 1903 [Register]).
15 * Augsburg 1496. - 1525 Zwickau Lehrer für Hebräisch, 1530 Wittenberg Prediger und Lehrer für Hebräisch, 1535
Augsburg St. Johannis (beim Dom) Prediger, 1537 Heilig Kreuz Prediger, 1539 Tübingen Professor, 1543
Nürnberg Propsteiverwalter und Vertreter Osianders, zur Durchführung der Reformation in Regensburg, 1543
Schleusingen Hofprediger, 1548 Merseburg Superintendent, 1549 Wittenberg Professor für Hebräisch und Prediger
an der Schloßkirche — † 1556. Verfasser eines großen Hebräisch-lateinischen Wörterbuches (Rein 22. — Ger-
mann. - ADB 7, 165. - RE 6, 129ff. - Schottenloher 6444-6451). 16 Roth 2, 241-263.
17 Vgl. Einführung S. 8. 18 WA Br 7. 19 Roth 2, 309. 323.

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