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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0069
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Kirchenordnung von 1537

Und solle weder der president noch jemands an-
ders dem, der gefraget ist und sein gutbedunken an-
zaigt, mit nichten einreden, sonder ainen jeden
seine mainung mit aller sanftmut und stille anzaigen
und wol ausreden lassen.
Hat aber jemands etwas zum bericht einzureden,
der beite13, bis das der gefraget ausgeredt, und, ehe
ain anderer anfahe, begere, er vom presidenten er-
laubnus, seinen bericht zu tun. Und wa ime erlaub-
nus nit gegeben, solle er seine einred sparen, bis es
an in kompt und er vom presidenten gefraget wür-
det. Mag dieweil was im zufallet, damit ers nit wider
vergesse, ufzaichen.
Es soll sich des orts auch ein jeder befleißen, mit
aller zucht und gotsforcht ufs kurzest und verstend-
lichest sein gutbedunken fur zubringen und allain,
wes zur sach dienet, on vergebne wort zu reden.
Er solle auch kainer dem andern seine reden on-
fruntlich aufnemen oder ungutig deuten, sonder,
was er achtet, an der andern reden zu verbessern
sein, dasselbig mag er durch schrift oder gute ver-
nunftige ursachen on ainiches spitzigs verwerfen
oder verhönen mit aller erbietung und christen-
lichen wolstand dartun, wie es gaistlichen und gots-
gelerten, gottseligen und vernunftigen mennern, die
im rat sitzen gottlicher hendel, aigentlich gepurt;
dann jedes orts allain aus dem Gaist Christi geredt
und gehandelt werden sölle. Der ist aber ain gaist
des fridens, der ordnung und alles wolstands, und
wo jemands im selb entgehn14 und nit mit recht
cristenlicher beschaidenhait und zucht reden oder
der andern red aufnemen wolte, den solle der presi-
dent, doch mit rat des beisitzenden probsts, zu end
des convents, darumb ankomen und strafen vor dem
convent, weil der noch beiainander ist oder beson-
ders, wen die andern hingehen, wie es sie fur das
besserlich ansehen wurt.
Und wen die andern alle ire manung gesagt, als
dann solle der president seine mainung auch dar-
geben und dann, was das merer worden, sumieren
und dem convent wider erzelen und so es dabei blei-
bet, solle dem merer ganzlich nachkomen werden.
Und so etwan ain wichtiger handel ist, solle das

13 = warten (Schmeller 1, 303. - Grimm 1, 1403ff.).
14 = sich gehen lassen.

merer auch in ain besonder buch, darzu verordnet,
mit meldung der zeit ufgeschriben werden.
Da sichs aber zutruge, das ain merer wurde, in wel-
ches der weniger tail nit wißte zu bewilligen, da sol-
len die nit bewilligen konden, an den presidenten
gesinnen15, das man sie weiter hören und vernemen
welle, welchs der president inen auch zugeben solle,
es were dann, das es die beisitzenden kirchenpröbst
sampt den dreien pfarrhern, die zu irer zeit auch
president send, nit für nötig angesehen, und, wa je-
mand wider gehört wurde, so soll auf sein einreden
wider ain umbfrag beschehen. Was dann abermal
das mer wurd, dabei bleibt es. Möchte sich aber ai-
ner oder mer in dasselbig merer seines gewissens
halb noch nicht richten, so sollen die vier lesenden
pfarer, sampt zwaien den eltesten von gemainen
kirchenpröbsten den- oder dieselbigen auf ainen an-
dern tag zu inen beruefen und lugen, ob sie jene
durch das wort Gottes und vernunftige ursachen zu
der mainung bringen könnden, die dem mererm tail
gefallen, und wa das nicht geschehen möchte, so
soll doch derselbig oder dieselbigen, die zu gleichem
und gemainem verstand nit bracht werden möchten,
demnach nach irer besondern mainung in der kir-
chen oder sonst nichts uberall reden noch handlen
oder zu reden und ze handlen macht noch gewald
haben, es werde ime dann solichs vom convent oder
ainem erbern rat erlaubet; dann, wa jemand ver-
mainte, das er vom convent unbillich beschweret
wurde, der hat allweg soliche seine beschwärden den
erbärn herren burgermaistern und volgends ainem
erbern rat furzubringen.
Es soll auch alles, so im convent gehandelt und
andern anzuzaigen nit bevolhen, ein jeder im be-
halten und niemand uberall anzaigen, damit im con-
vent dester freier von jedennan zur besserung ge-
redt und gehandelt werde.
Weil sich dann auch ain erbar rat geren als ain
christenliche oberkait beweisen wolte, auch uber alle
seelen den obern gewalt hat, so solle in der kirchen
nichts neus an ler oder andern gebreuchen nichts
furgenomen und angerichtet werden, ob es schon
vom ganzen convent, allen predigern und pröbsten
15 = an ihn ein Ansinnen stellen, ihn um etwas an-
gehen (Schmeller 2', 292. - Girimm 4 I 4, 4117f.).

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