Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0079
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung von 1537

Vom heiligen tauf.
Die prediger sollen die leut getreulich und oft ver-
manen, das si die wurde dises hailigen sacraments wol-
bedenken und sich so großen gnaden, die uns der Herr
durch dies sacrament beweiset, dankpar erzaigen.
Und damit dis bei dem volk dester ehe erlangt46,
sollen die prediger das volk vermanen, das si ire
kinder auf die sonntäg, so die ganze gemain Gottes
bei ainander ist, wo sie des sontags erwarten mögen,
zum tauf bringen, auf das, so des kind der ganzen
gemain eingeleibt werden solle, das auch die ganze
gemain fur das kind bete und dise mittailung gott-
licher kindschaft und des himelischen burgerrechts
den kindern vor allen kindern Gottes und burgeren
des himelreichs mitgetailt und ubergeben werde.
Doch weilm vom Herren kain besonder zeit zum tauf
bestimmet und allweg gut ist, das unseren kindern
das bad der widergepurt mitgetailet und inen in der
kirchen die angeporne sund offenlich abgeweschen
werde, sollen die prediger auch zu andern zeiten zu
teufen, wenn das begeret wurt, willig und berait
sein, und furnemlich sollen die helfer hierzu auf die
tagpredigen durch die ganze wochen gewertig sein,
wie bisher der brauch gewesen47.
Und wie es der zeit halb gehalten werde, so sollen
die prediger darzu alles fleiß vermanen, das die veter
und verwandten der kinder dise ture, selige gab
Gottes des hailigen taufs mit recht gottlicher ture
schetzung begeren und ufnemen, selbsampt den
gveternn bei dem tauf mit aller andacht erschinen
und, wa der tauf uf ain ander zeit dann, so die ge-
main Gottes on das bei ainander ist, sollte mitge-
tailt werden, das die veter und verwandten ire liebe
frund und nachbauren, wie das der waren christen-
lichen liebe art ist und hievor ain gotseliger brauch
gewesen, zu dem tauf erbeten, damit dis hoch-
m In der Vorlage ,,will“.
n Die Vorlage hat: guetern. Das ist wohl als „gve-
tern“ — „gevattern“ — zu lesen oder ist ein Schreib-
46 = ankommen, etwa erreichen (Grimm 3, 887f.).
47 Auf ein räumlich abgeteiltes Parochialverhältnis ist
hier also gar keine Rücksicht genommen. Die evan-
gelischen Pfarreien waren reine Personalgemeinden,
was mit den verworrenen Konfessionsverhältnissen
Augsburgs zusammenhängt. Erst 1808 wurden für die
Kirchenbuchführung räumlich abgegrenzte Pfarreien
geschaffen (von Seida, Beschreibung 1, 358-361).

wirdig sacrament dester herlicher gehalten und de-
ster von vilern der Her fur das kind gebeten und umb
die gnad des taufs gedanket werde.
Es sollen auch die leut dahin gewisen werden das
si die kinder, denen si den tauf begern, so es auf die
sonntäg ist, bei zeiten an das ordenlich ort des taufs
bringen, desgleichen auch die auf ander täg und, da-
mit dis beschehen möge, sollen in allen pfarrkir-
cken48 besondere taufstett, wie man ain besondere
statt zur predig und zum hailigen abentmal hat, ver-
ordnet werden.
So auch der tauf begeret wurt, sollen die pfarer
die eltern, wa si etwan die gnade des christentumbs
nicht gnug erkennen oder recht schetzen oder sunst
ergerlich lebten und der gemaind Gottes wenig oder
nichts achteten, fruntlich vermanen, des si wol und
christenlich bewegen, was dise hailige sacrament
vermögen und das ain jeder seinen fleiß welle, an-
keren, damit er selb und die seinen alle irer tauf ge-
meß leben und solche teure gnad des Herren nit ver-
geblich ufnemen.
Vermanung und gepet vom hailigen tauf ist im
getrucken biechlin49 verfasset.
Von des Herren abentmal.
Und nach der vermanung von dem hailigen abent-
mal soll der pfarer allmal wie auch uf die sonntäg,
die nechsten vor dem, so in jeder pfaren des Herren
abentmal gehalten werden solle, des volk fleißig er-
manen, das si ir junges volk und auch alle, die trost
und bericht bedörfen, deren ja mer sind, dann man
selb mainen will, sich dieselbige woch und, wa nicht
zu ander zeit, doch dem sambstag nach dem abent-
gepet zu dem pfarer oder helfer verfuegen, da selbst
trost und bericht zu empfahen, welchen der pfarer
und helfer ainem jeden getreulich mittailen sollen.
Die ordnung aber, des Herren abentmals ist in der
fehler für goden (= Paten [Schmeller 3, 887f. -
Grimm 4 1 5, 668).
48 Nachdem jetzt nicht nur die Predigthäuser, sondern
auch die entsprechenden Pfarrkirchen in die Hand
der evangelischen Gemeinde übergegangen waren.
war das eigentlich nur noch in der Barfüßerkirche
nötig. Die Annakirche blieb ja noch geschlossen.
49 Vgl. unsere Nr. I 10!

63
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften