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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0083
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[19.] Die zehen gebot, /Articul des Glaubens, Und das / Vater
unser, sampt ainer offnen Beicht / und fürbitt für die gemeinen
stend, Wie sy vor der Sontägigen Predig
allhie zu Aug- /spurg verlesen / werden / [1537].

Die zehen gebot.
Vernemend die zehen gebot, so Got durch Mosen
den kindern Israel auf dem berg Sinai geben hat
(R: Exodi am 20. [2-17]), in welichen der hailig will
Gottes und, was er von uns erforderet. in ainer kur-
zen summa anzaigt wirt. Die vier ersten gebot 1 le-
ren, was man von Got halten, wie man im vertrauen
und dienen soll die andere sechs, wie wir gegen un-
serm nächsten leben sollen. Darumben si auch von
den alten also in zwu tafeln abgetailt und under-
schaiden seind, Augustinus libri quaestionum vete-
Druckvorlage: Originaldruck (bei Philipp Ulhart,
o. J. [1537]; 8°. S Blätter, letzte Seite leer; Augsburg
Stadtbibliothek). - Hans, Agenden 153—156. - Vgl.
oben S. 26!
1 Hier wird statt der bis dahin in der abendländischen
Kirche seit Augustinus (vgl. Anm. 2!) üblichen Zäh-
lung der Zehn Gebote eine Zählung verwendet, wie
sie bei Philo, Josephus und seit Origenes (vgl. Anm.
3 !) in der griechisch-katholischen Kirche (RE 4, 561)
gebraucht, dann durch Leo Juds „Christlich klare
und einfältige Einleitung in den Willen Gottes“
(Zürich 1534), die Züricher Ordnung von 1535
(Christenliche Ordnung und Brüch der Kilchen
Zürich), vor allem aber durch Johannes Calvin in sei-
ner Institutio von 1536 aufgegriffen und schließlich
als sog. reformierte Zählung üblich wurde (Aug.
Lang, Der Heidelberger Katechismus [ = Schriften
des Vereins für Reformationsgeschichte 113]. Leipzig
1913. 33f.).
Zwingli und seine Freunde hatten zwar auf dem
2. Züricher Religionsgesrpäch 1523 (CR 89 [ -
Zwingli 2] 664-883) und Zwingli noch besonders in
seiner Antwort an Valentin Compar über dessen vier
Artikel (1525; CR 91 [= Zwingli 4] 84-153) die
Selbständigkeit des Bilderverbotes so stark betont,
daß ihnen Eck in seinen 404 Artikeln W. Gußmann,
Quellen und Forschungen zur Geschichte des Augs-
burgischen Glaubensbekenntnisses. 2 [Kassel 1930]
122) vorwarf, sie machten aus den Zehn Geboten
deren elf. Man änderte aber die Zählung dort nicht
wie z.B. die Züricher Katechismustafel von 1525
zeigt (Cohrs 1, 122-127).
In Straßburg aber griff man auf die jüdische Zäh-

ris et novi testamenti quaestio 72; Origines Home-
Ha 8. super Exodum3, Hieronymus4 et Ambrosius5
in 6. cap. epistolae ad Ephesios.
Die gebot der ersten tafel.
Das erst:
Ich bin der Herr dein Gott, der ich dich ausgefürt
habe von dem land Egypten aus dem diensthaus.
Du solt kain andere götter vor mir haben [Ex. 20,
2. 3].
Das ander:
Du solt dir kain bildnus noch irgend ain gleichnuß
lung zurück. Sie stimmt zmneist mit der Zählung der
Ostkirche überein, läßt aber das 2. Gebot schon mit
,,Du sollst keine anderen Götter...“ beginnen. Das
geschah literarisch 1534 durch Martin Bucer und den
Schulmeister Hebsack (Reu, Quellen 4ff. 61 f. 83f.).
Vorher aber schon hatte sie der aus Straßburg nach
Augsburg gekommene Bon. Wolfhart in dem späte-
stens zu Anfang 1533 erschienenen Augsburger
Katechismus (Catechismus, das ist; ain anfengk-
licher Bericht der Christlichen Religion von den Die-
nern des Evangelions zu Augspurg für die Jugent
aufs kürtzest verfasset und beschriben [1533]. -
Reu, Quellen 451 ff. 758. 760f. — Hans, Augsburger
Katechismen 111 ff. — Reu, Katechismusunterricht
450-454) verwendet. Letzterer, der auch andere
neue Einteilungen am Katechismustext vornahm,
scheint sie hier erstmals öffentlich vertreten zu ha-
ben, was gleich Luthers zwischen 26. und 29. Jan.
1533 erfolgten Widerspruch herausforderte (WA
Tischreden 3, 109f. Nr. 2942 a-c).
Unsere Ordnung hier schließt sich dagegen der in-
zwischen durch Calvin verbreiteten Zählung an (vgl.
S. 60 Anm. 39!). Sie wurde dann auch von Joh.
Meckhart in seinem Katechismus übernommen und
blieb so bis 1632 in Augsburg in Gebrauch (vgl. S.
29!). - Über die Verwendung der sog. reformierten
Zählung in Memmingen vgl. S. 223!
2 Der Kirchenvater, + 430 (Werke: Basel 1569. 4.
Band 705).
3 Kirchenvater, † 254 (Werke, Basel 1536. 92)
4 Kirchenvater, † 420 (Werke, Köln 1616. 6, 247).
5 Kirchenvater, † 397 (Werke, Basel 1567. 5, 361).

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