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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0136
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Das Patronatsrecht an dieser Pfarrkirche hatte das Benediktinerkloster Hirsau, das es um 1525 an seine
Propstei Mönchsroth abtrat. Dagegen stand die überwiegende Menge der Benefizien - außer zwei Pfarr-
kaplänen zählte Dinkelsbühl damals 12 Benefizien an der Pfarrkirche, 3 im Spital und 1 bei St. Leon-
hard - im Präsentationsrecht der Stadt oder ihrer Bürger.
Daß diese Stadt ein offenes Ohr für den Ruf Luthers hatte, war selbstverständlich. Ob ihn schon Paul
Speratus, der 1519 bis 1520 Inhaber der anscheinend erst kürzlich gestifteten und durch den Rat ver-
liehenen Predigerstelle war, laut werden ließ, muß fraglich bleiben. Auf alle Fälle antwortete ihm die
Stadt schon 1522 oder 1523 damit, daß sie einen ,,ausgelaufenen, meineidigen Mönch“1, wie ihn seine
Feinde beschimpften, als Prediger an die Georgskirche berief - Konrad Abel2 . Er predigte sogleich evan-
gelisch, hielt auch evangelische Abendmahlsfeier und konnte sogar die Ehe schließen. Er gewann all-
mählich Gehilfen. Anfangs 1525 gab sich die Stadt unter Abels Einfluß eine neue Ordnung, die aber im
einzelnen nicht bekannt ist. Der Bauernkrieg führte einen bedeutsamen Rückschlag herbei, wenn auch
nicht in der evangelischen Betätigung des Predigers, so doch in der Haltung des Rates. Doch lag die eigent-
liche Triebkraft und Führung immer bei Bürgern wie Matth. Rösser, Hans Harscher, Mich. Bauer
und andern. Die Stadt nahm auch den Speyerer Abschied von 1529 an. Gegen den Augsburger Abschied
hatte ihr katholischer Bürgermeister gleichfalls nichts einzuwenden. Der katholische Pfarrer konnte jetzt
sogar die evangelische Abendmahlsfeier verhindern. In der Osterzeit 1531 verzichteten daher zwei Drittel
der Einwohner überhaupt auf den Abendmahlsgang, um nicht an der Messe teilnehmen zu müssen3.
In der sich so erhebenden Auseinandersetzung zwischen Pfarrer und Rat wurde schließlich doch der
Pfarrer am 3. Juli 1531 kurzerhand aus der Stadt geführt. Die Stadt kaufte nun am 28.Februar 1532
Mönchsroth das Patronatsrecht ab und bestellte sich selbst einen Pfarrer evangelischer Haltung. Als sol-
cher zog im Dezemher 1533 der durch Pfarrer Adam Weiß im damals ansbachischen Crailsheim4 ver-
mittelte Bernhard Wurzelmann5 auf. Die Stadt handelte dabei aber nicht nur als Patron, sondern als
Inhaher der Kirchengewalt; denn von einer Beteiligung des Bischofs ist nicht im mindesten die Rede.
Damit war die reformatorische Bewegung zum Siege gelangt.
Am 12.Januar 1534 schaffte Wurzelmann die Messe ab. Sie durfte aber am Elisabethaltar in der
Spitalkirche noch weiter gelesenwerden. ,,Dieser Rest, den man in evangelischer Christenliebe unange-
fochten ließ, [bedeutete] den Samen, aus dem hernach für die Evangelischen eine bittere Ernte schmerz-
licher Verfolgung erwachsen sollte“6.
Grundlage der neuen Ordnung wurde die brandenburgisch-nürnbergische Kirchenordnung von 15337.
Doch wurde die Privatabsolution nicht übernommen. Andererseits wurden - vielleicht nach Nördlinger
Vorbild8 - tägliche ,,Kapitel“ morgens und abends - kurze Morgen- und Abendgottesdienste - gehalten,

1 Bürckstümmer 1. 54.
2 Abel. Aus Ulm. — Franziskanermönch, als evangelisch ausgetreten (doch wohl in Verbindung mit Johann Eberlin ?),
1522 Dinkelsbühl Prediger, 1546 Pfarrer - † 154S (Bürckstümmer 1, 16 u.ö. 54. 77. 98. 118. — Greiner
Nr. 9.).
Die Personengleichheit mit dem gleichnamigen Mann aus Massenbachhausen, der 1495-1515 in den Matrikeln
von Heidelberg und Tübingen erscheint, ist fraglich.
3 Bürckstümmer 1, 53ff. - Schornbaum, Zur Reformationsgeschichte.
4 Simon, APfB Nr. 3237. - Bossert, in: RE 21, 73-76.
5 Aus Wimpfen. - Wimpfen Stiftsherr, (1528?) geht als evangelisch, Schwaigern Pfarrer, 1531 Dinkelsbühl Pfarrer,
1546 nach dem kaiserlichen Sieg entlassen, 1549 Katechist in Benningen - † 1554 (Enders, Kasp. Löners
Briefbuch, in: BbKG 2 (1896) 301f. - Bossert Gv., Das Interim in Württemberg, Halle 1895 (= Schriften des
Vereins für Reformationsgeschichte 46) 113. 184 Anm. 15. — Kolde Theod., Die Berufung des K. Greter, in:
BbKG 5 (1899) 197f. — Am mon Wolfg., in: Archiv für Kulturgeschichte 1 (1903) 310. — Bürckstümmer 1
(oft). — Greiner Nr. 10.
6 Bürckstümmer 1, 85.
7 Bürckstümmer 1, 66. 77. 84. - Diese Sehling 11, 140-278.
8 Siehe dort: Einleitung S. 276f.

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