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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0153
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Generalbestallung auf alle und jede Helfer

nicht gesinnet, solche calvinische lehr in diser statt
zu gedulden, so sol er sich solchen irer mt. und zu
förderst Gottes wort und bevelch gemeß dis orts
erzeigen, auch die vier interrogatoria vom nachtmal
des Herrn sambt dem ganzen prozeß (wie ihm dessen
copii zugestellet werden solle20) mit aigener hand
underschreiben21. Da er auch von der warhait
Christi zu menschenopinion (da Gott ihn und uns
genediglich für behüten wöl) treten wurde, so sol er
solche lehr auf die canzel nicht bringen, sondern
dem pfarrer sein gemüt entdecken, ihm sein con-
fession alsbald zustellen und im fall der not, da er in
disem oder anderm articul zu einem wolangeordne-
ten consistorio - es were bei einem furstentumb oder
reichstat - müste gestellet werden, solchs unweiger-
lich eingehn und alda seines glaubens rechenschaft
geben und ferners beschaids nach gelegenheit der
sachen von uns auf ergangene erkantnus zu gewar-
ten, bei seinen pflichten schuldig sein22.
Gleiche meinung sol es haben, so vil andere aus
der augspurgischen confession ausgesetzte irrige
lehr der widertaufer23, schwenkfeldianer24 und an-
derer belanget.
Dieweil sich auch laider eine zeit hero under den
lehrern der augspurgischen confession allerlei zwifalt
etlicher lehrarticul halben erhaben und die teils sich
irgend bemühen, mehr personen zu sich zu ziehen,
so sol er in solchem auf sich selbst wol achtung ge-
ben, das er durch das ansehen gelerter und irgend
20 Im Kirchenpflegerbücblein.
21 Diese Unterschriften sind nicht erhalten.
22 Dieser Fall ereignete sich schon 1579 (vgl. oben
S. 132 Anm. 4!).
23 In den Artikeln 9, 16 und 17 (Bekenntnisschrif-
ten 62. 68. 70). - Kirchenordnung Wolfgangs von
Zweibrücken f. 55-62.
21 Zu Schwenckfeld vgl. S. 164 Anm. 1. - In der
Augsburgischen Konfession werden sie nicht er-
wähnt. - Im benachbarten Pfalz-Neuburg hatte die
Kirchenvisitation von 1558 gezeigt, daß Wieder-
täufer und Schwenckfelder Anhänger hatten (Max.
Weigel, Schwenckfelder und Wiedertäufer im Her-
zogtum Pfalz-Neuburg im Jahre 1558, in: ZbKG- 8
[1933] 232ff.). - Der katholische Rat Dinkelsbühl
nahm in der unverkennbaren Absicht, unter der
evangelischen Gemeinde Zwiespalt anzurichten und
das evangelische Kirchenwesen durch Abweichun-
gen von der Augsburgischen Konfession zu Fall zu
bringen, anderwärts ausgewiesene Wiedertäufer und
Schwenckfelder ins Bürgerrecht auf (Bürckstüm-
mer 2, 29).

auch umb die kirchen wolverdienter personen nicht
irr gemacht und von der gewißheit rainer lehr nicht
abgefürt werde. Vil weniger sol er die von den geler-
ten erregte gezenk auf die canzel bringen, das dar-
durch die blöden gewissen mit unnotwendigen
scharpfen und gefärhchen disputationen verwirret,
verfüret und irr gemacht werden, vor welchen dis-
putationen er unsern und der in Gottes wort mehr
verstendigen personen erachten gemeß wurd bewart
werden, wan er der heiligen bibel sprüch und dan
nach denselben das examen25 sambt den lehrbü-
chern, so in der kirchenordnung unter dem titel. Von
der lehr26 ernennet, vleißig lesen, ihm selbst wol
einbilden und sich beede im judiciren und lehren
darnach richten und, neue formen und weis zu re-
den, meiden und nit andern personen zu gefallen
auf die canzel bringen wurd, fur welchem sich zu
hueten er durch uns getreuherziger meinung nicht
allein verwarnet, sonder ihm auch ernstlich hiemit
auferlegt sein soll, damit durch ihn, helfer, ebenso
wenig als durch den pfarrer die gmein irr gemacht
und in verwirrung gebracht werde.
Doch wollen wir ihm hierinnen, die bücher zu
lesen, sich deswegen mit dem pfarrer in sonderbarer
underredung zu besprechen und zu conferiren, nicht
abgeschlagen haben; dan wir allein von denen din-
gen reden, die auf die canzel mit nachteil der zu-
hörer nicht sollen gebracht werden, in welchem
allem der heiligen schrift regel er vor augen haben
25 In der Kirchenordnung Wolfgangs (Anm. 5) f. 1—98
(Richter 2, 194).
26 Wolfgangs Kirchenordnung f. 4 v: ,,... die confession,
die der kai[serlichen] maj[estät] zu Augsburg 1530
überantwortet ist [Bekenntnisschriften 3-137],
der catechismus und bekanntnus Lutheri [Be-
kenntnisschriften 501-541 (Kleiner Katechis-
mus) und 543-733 (Großer Katechismus)], item
die artikel, so auf das concilium zu Mantua [das
Papst Paul III. auf den 23. Mai 1537 einberufen,
dann aber hinausgeschoben hatte, bis es schließlich
1545 zu Trient eröffnet wurde] hetten sollen ge-
schickt werden [die sog. Schmalkaldischen Artikel
(Bekenntnisschriften 405-498)] sampt den haupt-
artikeln christlicher Lehre, zu latein loci theologici
genannt., so Philippus Melanchthon lateinisch und
teutsch hat ausgehen lassen [Melanchthons theolo-
gisches Hauptwerk, in der 3. Bearbeitung seit 1543,
in letzter, vom Verfasser durchgesehener Ausgabe
1557 erschienen (CR 21, 601-1050)] ...“

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