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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0155
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Generalbestallung auf alle und jede Helfer

dirn, sich auch selbst alles gehorsambs gegen den-
selben erzeigen, damit man an seinen worten und
werken spüren und abnemen künne, das er lust hab,
seine zuhörer zu allem gottseligen gehorsam und
guter zucht und disciplin zu weisen, damit in dieser
statt ein gerühiges und stilles leben in aller gott-
seligkeit und erbarkeit gefürt werde.
Fürs dritt. So hat die röm. kai. mt. in irem aller-
genedigsten bevelch des 19. Decembris in nechst-
verschinen 72. jar28 den kirchenpflegern, sovil die
religion und kirchensachen belanget, gemeiner bur-
gerschaft kirchendiener underworfen und inen aufer-
legt,was si denselben fürhalten und bevelchen sollen.
Derowegen er dan gegen den kirchenpflegern alles
geburlichen gehorsams in kirchensachen (doch das
ihm bevolhen werde, was Gottes wort nicht zuwider)
und aller ehrerbietung, freundlichkeit und beschei-
denheit sich zu erzeigen schuldig sein sol. Da dan
sie, die kirchenpfleger, nach der regel göttlichs worts
in beisein des pfarrers (damit er nicht gedenke, si
wollten mit ihm handeln in sachen, die si nicht vor-
stunden oder nicht gebüreten) jedesmals mit ihm
handlen und im fall der not, damit er mit fueg nichts
zu clagen habe, auch bei anderen gottsgelerten kir-
chendienern sich rats zu erholen, hiemit erbütig sein
wollen.
Da er hergegen schuldig sein soll, neben allem ge-
horsam gegen den kirchenpflegern und pfarrer, den
wir jederzeit haben werden, sittig und friedlich zu
leben, sich nit in frembde händl zu mengen, nit
wider si in der burgerschaft zu practiciren und weder
inner weder außer der stat zu verkleinern, rotten
und parteien gegen pfarrer und kirchenpflegern zu
machen und anzurichten und andere personen auf
si zu verhetzen und zu verbittern; dan er uber sol-
chem von inen enturlaubt und sonst in beschwer-
liche sachen kommen wurde.
Zum vierten: Nachdem er järflch zu etlich maln
jungen und alten auf des pfarrers geheiß zu mor-
gends und abends die haustafel29 fürlesen wurd, sol
er sich in seinem leben befleißen, derselben gute volg
zu tun, damit nicht irgend, da das widerspie] geschehe,
vil in der gmein daran möchten geergert werden.
In sonderheit soll er sich befleißigen eines nüch-
tern lebens und alle füllerei und trunkenheit stetig
28 Im Kirchenpflegerbüchlein unter Nr. 8.

meiden, damit er bei diser großen gemein mit kinder
taufen, kranken besuochen und, was seinen beruf be-
langt, nichts verwüste, dardurch, den widersachern
zu lestern und seinen zuhörern ubel davon zu re-
den, ursach geben und er umb solcher füllerei willen
one allen verzug wurde enturlaubt werden.
Er sol sich auch befleißigen, da er irgend vor dem
altar oder in der beicht oder bei kranken in heusern
etwas unrechts zu strafen und dawider zu reden hat,
das er solchs gegen den personen one ungestimen
zorn, erbitterung und dergleichen ungeberde, son-
der mit ernster dapferkeit und doch sittiglich tu, da-
mit die personen aus worten und geberden abnemen,
das durch solch strafen nichts anders dan der irren-
den und sündigenden bekerung und besserung ge-
sucht und in der kirchen gute ordnung bleib und er-
halten werde.
Er sol auch daran sein, das sein weib und gesind
embsig, vleißig und zu rechter zeit in die kirchen
kommen andern zum guten exempel und, damit ihm
nicht müg furgeworfen werden, niemand achte der
kirchen wenig[er] den seine hausgenossen.
Dieweil auch S. Paulus austrucklich der diacon
weibern so wol als andern furhelt, wes si sich gegen
iren männern und andern leuten verhalten sollen
[Eph. 5, 22; Kol. 3, 18; 1. Tim. 3, 11], wurd er in
solchem gute fursehung tun sollen, das sein weib die
leut nit mit hin- und widerwaschen aneinander
knüpfe, fluchens und gottslesterns sich enthalte,
nicht zank und hader mit den nachparn errege, nie-
mand mit seltzamen nach- und zunamen beschwere,
auch mit täglichem unnötigem uberlaufen entlehens
halben und, wie es mag namen haben, diser burger-
schaft verschone, sondern das sie eines stillen und
erbarn wandels sich befleißige, eingezogen und
christlich inner und außer des haus gegen und mit
jederman lebe und erfunden werde.
Wie er dan selbst auch fluchens und schwerens,
spielens, hin- und widerspacierens und müßiggehens,
der weinheuser und anderer ergerlicher leichtfertig-
keit sich enthalten und mit jederman friedlich und
freundlich leben und sich erbar erzeigen soll, damit
er mit desto mererm ansehen andern leuten solche
und dergleichen sünd undersagen und sonst mit
größern nutz erbauen müge.
29 Luthers (Bekenntnisschriften 523-527).

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