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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0188
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Innerkonfessionelle Auseinandersetzungen.

Die evangelischen Geistlichen ließen sich durch die Ermordung Weibels nicht einschüchtern. Sie
fanden sogar weitere Gesinnungsgenossen. Damit kam freilich der innerkonfessionelle Zwiespalt in die
Gemeinde. Haistung war Anhänger Zwinglis. Die gleichfalls aus Kempten stammenden Geistlichen
Johann Seger1 und Hans Rottach2 aber hielten sich zur lutherischen Richtung. Zwar unterschrieb
Kempten, das sich selbstverständlich schon am Speyerer Reichstag 1529 entschieden auf die Seite der
,,Protestanten“ gestellt hatte, am 15. Juli das Augsburger Bekenntnis3. Im übrigen aber wuchs die
Schweizer Richtung. Über einer Himmelfahrtspredigt Rottachs im Jahr 1529 begann der Kanzelstreit.
Solange der ruhige Sixtus Rummel Pfarrer war, hielt er die auseinanderstrebenden Geister noch zusam-
men. Als er aber im Sommer 15304 starb, kam es zum offenen Bruch. Haistung überkam nun ganz die
Führung. Weder eine Disputation in Isny noch ein Vermittlungsversuch Wolfgang Capitos5 am 8. März
1532 und am wenigsten eine Übersendung der Bekenntnisse der streitenden Theologen nach Augsburg,
Nürnberg und Straßburg hatte Erfolg. Zu Beginn des Jahres 1533 stimmte man über Beibehaltung
oder Beseitigung der Bilder in den Kirchen ab. 174 Bürger meinten zwar, man solle sie belassen; 500
aber stimmten für ihre Abschaffung. So wurden am 11. Januar die Heiligenbilder aus den Kirchen getan
und im Spitalhof verbrannt. Nur die Orgel ließ man mit Rücksicht auf ihren am kaiserlichen Hof lebenden
Stifter. Benützt wurde sie aber bis zum Jahr 1579 nicht mehr. So folgte die Stadt selbstverständlich auch
nicht dem gerade damals eingeholten Rat Nürnbergs, in Einklang mit der Unterschrift des Augsburger
Bekenntnisses die dort soeben am 1. Januar 1533 eingeführte Kirchenordnung anzunehmen. Sie suchte
vielmehr den Frieden dadurch herzustellen, daß sie am 31. Januar die beiden Lutheraner entließ und
an ihrer Stelle zwei Schweizer holte6.
Damit war jetzt die aus der Messe entwickelte Gottesdienstform gefallen. 1534 wurde die katholische
Messe verboten7. Welche Kirchenordnung Kempten dann befolgte, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich
nahm man die der Stadt Memmingen8 an, wie man sich ja auch im Oktober 1535 den dortigen Prediger
Simprecht Schenck für ein Dreivierteljahr zur Aushilfe erbat. Anderseits trat Kempten 1536 aber - viel-
leicht erst nach Haistungs Tod, der in diesem Jahr erfolgte - auch dem Schmalkaldischen Bunde bei9,
obwohl seine konfessionelle Haltung eigentlich nicht so ganz entsprach. Wenn es stimmt, daß Kempten
1542 außer den Sonntagen und Weihnachten, Ostern und Pfingsten alle Feiertage abschaffte10 - und Anlaß
zu einem Zweifel besteht nicht —, so ging man in der Feiertagsordnung noch beträchtlich über die Memmin-
ger Ordnung11 hinaus in der Linie der Ulmer Kirchenordnung von 153112.
Den Abschluß der inneren Gestaltung des Kirchenwesens brachte die kurze Amtszeit des Pfarrers
Johannes Jung13. Er war der Kemptener Kirche von Konstanz geliehen worden, als sie, die sich von

1 Simon, APfB Nr. 2789. 2 Simon, APfB Nr. 2467.
3 Wilh. Gußmann, Quellen und Forschungen zur Geschichte des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses 1 I (Leip-
zig 1911) 487.
4 Erhard, Sakramentsstreitigkeiten 172 (also nicht schon 1529!).
5 * Hagenau 1478. - 1512 Bruchsal Stiftsprediger, 1515 Basel Münsterprediger, auch Universitätsprofessor (1519
Dr. jur.), 1519 Mainz Domprediger (1523 Dr. theol.), 1523 Straßburg St. Thomas Propst, 1524 Jung-St. Peter
Pfarrer und Leiter des Kirchenkonvents — † 1541 (BE 3, 715ff. — RGG3 1, 1613. — NDB 3, 132f. — Bopp Nr.
755).
6 Erhard, Sakramentsstreitigkeiten; Reformationsgeschichte 24-38. 77—87.
7 Haggenmüller 2, 6. 8 Unsere Nr. VII 2. 9 Fabian, Beschlüsse 3, 21. — Haggenmüller 2, 8.
10 Karrer 24 (Ostern und Pfingsten sind als Sonntage wohl nur gewohnheismäßig genannt); sie sind ja ohnehin
Sonntage. 11 Vgl. S. 235. 12 Richter 1, 158.
13 Aus Bischofszell (Thurgau). — Petershausen ( = Konstanz-Petershausen) Benediktiner, 1523 Petershausen
Pfarrer, 1529 Konstanz Prediger, 1545 Kempten Pfarrer, 1548 Bischofszell Pfarrer, 1559 Basel Ruhestand —
† 1562 (Hch. Neu, Pfarrerbuch der evang. Kirche Badens. 2 [Lahr 1939] 301. — Traug. Schiess, Briefwechsel
der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer. 1 [Freiburg i.B. 1908] 288 u, o.).

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