ihren inneren Auseinandersetzungen noch nicht erholt hatte, durch den Ehebruch ihres Pfarrers an den
Rand des Verderbens gebracht war14. Jung erreichte jetzt vor allem, nachdem frühere ähnliche Ord-
nungen, die im einzelnen unbekannt sind, keinen rechten Erfolg gehabt hatten, mit Hilfe des Stadt-
schreibers Lorenz Schmidt im Mai 1546 die Schaffung einer Zuchtordnung. Auch sie ist nicht erhalten,
dürfte sich aber wohl wesentlich nach dem Vorbild von Konstanz gerichtet haben. Es waren 4 Zucht-
herren (censores) bestellt15.
Im gleichen Jahre wurde auch verfügt, daß keine Trauung ohne Vorwissen des Bürgermeisters
erfolgen dürfe. Als höhere Instanz in Ehestreitfragen wurde immer noch das bischöfliche Chorgericht in
Augsburg anerkannt und benützt16.
Den am Donnerstag stattfindenden Wochengottesdienst verwandelte Jung in eine Katechismus-
stunde für die Jugend17.
Der 1537 von der Stadt unternommene Versuch, mit Hilfe des ihrem Spital zustehenden Patronats-
rechtes die Pfarrei Kimratshofen evangelisch zu besetzen, fand nach allerlei ernsten Auseinandersetzungen
ein gütliches Ende. Das Stift, dem alle weltlichen Rechte zustanden, löste 1538 das Patronatsrecht ab18.
Anderseits verkauften die Nonnen von St.Anna, die die Stadt schon vor Jahren verlassen hatten, in
dem für die evangelischen Stände glückhaften ersten Abschnitt des Schmalkaldischen Krieges ihren Be-
sitz an die Stadt19.
Das Interim und der Neubau unter Primus Truber.
Das Interim mußte Kempten am 25. Juni 1548 offiziell annehmen. Pfarrer Roßdorfer ging schon
deshalb allein. Als sie dann langsam mit der tatsächlichen Einführung beginnen wollte, mußte die
Stadt im November 1550 den für Roßdorfer angestellten Pfarrer Thomas Kirchmaier (Naogeorgus),
den bekannten Dramatiker, der wegen seiner interimsfeindlichen Haltung schon aus Kaufbeuren hatte
weichen müssen, wegen seiner heftigen Angriffe auf das Interim entlassen. Im nächsten Jahr mußten
wieder zwei Prediger gehen. Nur einer nahm das Interim an. Katholische Geistliche wurden wieder an-
gestellt* 1. 1552 brach dieser Traum des Kaisers von seiner Zwischenreligion endgültig in sich zusammen.
Schon am 3. Juni konnte wieder evangelische Predigt, am 18. September auch wieder evangelische
Abendmahlsfeier gehalten werden, wobei zunächst Lindau2, dann Memmingen3 mit einem Prediger aus-
half. Die katholischen Geistlichen verschwanden.
Der neue Leiter des Kirchenwesens wurde Primus Truber4, der gerade in seiner Kemptener Zeit
14 Nicht erhalten. - Erhard, Reformationsgeschichte 44. - Schieß 2, 445. — Köhler 2, 325—328.
15 Köhler 2, 328. 16 Haggenmüller 2, 13f. 17 Haggenmüller 2, 28.
18 Baumann3, 403, 408. — Haggenmüller 2,13f. 19 Baumann3, 457f. — Haggenmüller2, 7. 13.
1 Erhard, Reformationsgeschichte 52—57. - Karrer 15—21. — Haggenmüller 2, 44—50.
2 Wolfart [siehe bei Lindau] 1 I 288. — Erhard, Reformationsgeschichte 59.
3 von Ammon [siehe bei Memmingen], Michael 21.
4 * 1508 bei Laibach. — 1527 Cilli St. Maximilian Kaplan, 1535 Laibach Prediger, 1542 Domherr, 1547 als evange-
lisch vertrieben, 1548 Rothenburg o. T. Heilig Geist 2. Kaplan, 1553 Kempten Pfarrer, 1561 Laibach Pfarrer,
1564 erneut als evangelisch vertrieben, 1565 Lauffen am Neckar, 1566 Derendingen — † 1586. — Er wirkte durch die
Schaffung einer reichen evangelischen Literatur in slowenischer Sprache nachhaltig für die Reformation seiner
Heimat (Elze, in: RE 3, 136—143. — Walter Hocevar, Die Anfänge der Reformation auf dem Gebiete des heutigen
Jugoslawien, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 55 [1936] 615—633. — Mikro Rupel, Trubariana, in: Slo-
venska Akademija Znanosti in Umetnosti, Classis II: Philologia et Literae, Ljubljana 1958; Primoz Trubar v
Kemptenu, in: Slavisticna Revija, Ljubljana 1958). — Das Jahr 1551 in den Daten der von Loesche abgedruckten
Briefe ist unmöglich, wie sich schon allein aus der beigelegten Kirchenordnung (unsere Nr. V) ergibt. Sie bezieht
sich ja nicht nur auf Ereignisse des Jahres 1552, sondern setzt sogar eine Veröffentlichung des Jahres 1553 voraus.
Ferner bestand des Interims wegen 1551 noch keine Möglichkeit, Truber nach Kempten zu berufen, und außer-
dem waren vor ihm zunächst noch zwei andere Geistliche aushilfsweise in Kempten tätig. Da die von Loesche ab-
gedruckten Briefe nur in Abschrift vorhanden sind, läßt sich nicht mehr feststellen, wo der Fehler liegt. Nach der
Erneuerung von Trubers Bestallung in Kempten (Loesche 24) trat er dort gewiß am 12. Juni 1553 an.
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Rand des Verderbens gebracht war14. Jung erreichte jetzt vor allem, nachdem frühere ähnliche Ord-
nungen, die im einzelnen unbekannt sind, keinen rechten Erfolg gehabt hatten, mit Hilfe des Stadt-
schreibers Lorenz Schmidt im Mai 1546 die Schaffung einer Zuchtordnung. Auch sie ist nicht erhalten,
dürfte sich aber wohl wesentlich nach dem Vorbild von Konstanz gerichtet haben. Es waren 4 Zucht-
herren (censores) bestellt15.
Im gleichen Jahre wurde auch verfügt, daß keine Trauung ohne Vorwissen des Bürgermeisters
erfolgen dürfe. Als höhere Instanz in Ehestreitfragen wurde immer noch das bischöfliche Chorgericht in
Augsburg anerkannt und benützt16.
Den am Donnerstag stattfindenden Wochengottesdienst verwandelte Jung in eine Katechismus-
stunde für die Jugend17.
Der 1537 von der Stadt unternommene Versuch, mit Hilfe des ihrem Spital zustehenden Patronats-
rechtes die Pfarrei Kimratshofen evangelisch zu besetzen, fand nach allerlei ernsten Auseinandersetzungen
ein gütliches Ende. Das Stift, dem alle weltlichen Rechte zustanden, löste 1538 das Patronatsrecht ab18.
Anderseits verkauften die Nonnen von St.Anna, die die Stadt schon vor Jahren verlassen hatten, in
dem für die evangelischen Stände glückhaften ersten Abschnitt des Schmalkaldischen Krieges ihren Be-
sitz an die Stadt19.
Das Interim und der Neubau unter Primus Truber.
Das Interim mußte Kempten am 25. Juni 1548 offiziell annehmen. Pfarrer Roßdorfer ging schon
deshalb allein. Als sie dann langsam mit der tatsächlichen Einführung beginnen wollte, mußte die
Stadt im November 1550 den für Roßdorfer angestellten Pfarrer Thomas Kirchmaier (Naogeorgus),
den bekannten Dramatiker, der wegen seiner interimsfeindlichen Haltung schon aus Kaufbeuren hatte
weichen müssen, wegen seiner heftigen Angriffe auf das Interim entlassen. Im nächsten Jahr mußten
wieder zwei Prediger gehen. Nur einer nahm das Interim an. Katholische Geistliche wurden wieder an-
gestellt* 1. 1552 brach dieser Traum des Kaisers von seiner Zwischenreligion endgültig in sich zusammen.
Schon am 3. Juni konnte wieder evangelische Predigt, am 18. September auch wieder evangelische
Abendmahlsfeier gehalten werden, wobei zunächst Lindau2, dann Memmingen3 mit einem Prediger aus-
half. Die katholischen Geistlichen verschwanden.
Der neue Leiter des Kirchenwesens wurde Primus Truber4, der gerade in seiner Kemptener Zeit
14 Nicht erhalten. - Erhard, Reformationsgeschichte 44. - Schieß 2, 445. — Köhler 2, 325—328.
15 Köhler 2, 328. 16 Haggenmüller 2, 13f. 17 Haggenmüller 2, 28.
18 Baumann3, 403, 408. — Haggenmüller 2,13f. 19 Baumann3, 457f. — Haggenmüller2, 7. 13.
1 Erhard, Reformationsgeschichte 52—57. - Karrer 15—21. — Haggenmüller 2, 44—50.
2 Wolfart [siehe bei Lindau] 1 I 288. — Erhard, Reformationsgeschichte 59.
3 von Ammon [siehe bei Memmingen], Michael 21.
4 * 1508 bei Laibach. — 1527 Cilli St. Maximilian Kaplan, 1535 Laibach Prediger, 1542 Domherr, 1547 als evange-
lisch vertrieben, 1548 Rothenburg o. T. Heilig Geist 2. Kaplan, 1553 Kempten Pfarrer, 1561 Laibach Pfarrer,
1564 erneut als evangelisch vertrieben, 1565 Lauffen am Neckar, 1566 Derendingen — † 1586. — Er wirkte durch die
Schaffung einer reichen evangelischen Literatur in slowenischer Sprache nachhaltig für die Reformation seiner
Heimat (Elze, in: RE 3, 136—143. — Walter Hocevar, Die Anfänge der Reformation auf dem Gebiete des heutigen
Jugoslawien, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 55 [1936] 615—633. — Mikro Rupel, Trubariana, in: Slo-
venska Akademija Znanosti in Umetnosti, Classis II: Philologia et Literae, Ljubljana 1958; Primoz Trubar v
Kemptenu, in: Slavisticna Revija, Ljubljana 1958). — Das Jahr 1551 in den Daten der von Loesche abgedruckten
Briefe ist unmöglich, wie sich schon allein aus der beigelegten Kirchenordnung (unsere Nr. V) ergibt. Sie bezieht
sich ja nicht nur auf Ereignisse des Jahres 1552, sondern setzt sogar eine Veröffentlichung des Jahres 1553 voraus.
Ferner bestand des Interims wegen 1551 noch keine Möglichkeit, Truber nach Kempten zu berufen, und außer-
dem waren vor ihm zunächst noch zwei andere Geistliche aushilfsweise in Kempten tätig. Da die von Loesche ab-
gedruckten Briefe nur in Abschrift vorhanden sind, läßt sich nicht mehr feststellen, wo der Fehler liegt. Nach der
Erneuerung von Trubers Bestallung in Kempten (Loesche 24) trat er dort gewiß am 12. Juni 1553 an.
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