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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0204
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Lindau

alles, was sie gewar wurdent, das ergerlich und
christenleuten übel anstendig und doch nit in
unsern ordnungen, das es gestraft sol werden, aus-
gedruckt ist, das alles sollen sie sametlich oder son-
derlich durch sich selbs oder auch mittelpersonen in
still vaterlich warnen und allen möglichen fleiß fur-
wenden, das sie solch sachen alle zu gutem und dahin
bringend, das bösers in allweg verhuet, Got der Herr
gelopt und ergernus abgestellt werde.
So12 aber das haimlich mit solcher warnung nit
hingelegt noch abgestellt, sonder der arkwon und
haimlichait in der tat ausprechen und laster be-
gangen werden, so soll dagegen mit straf gehandelt
und solcher ernst darin gebraucht werden, das Got
und die menschen abnemen mogend, das wir als ain
cristliche oberkait ain mißfallen ab den lastern tra-
gen.
Darauf so volget
erstlich von lesterung Gottes, unsers hailigen,
cristlichen glaubens und der sacrament.13
Welicher oder weliche etwas reden, leren oder pre-
digen, das den zwelf artikeln unsers hailigen, un-
gezweifelten, cristenlichen glaubens widerwertig,
oder weliche die gotthait oder menschait Cristi Jesu,
unsers ainigen Herren und Seligmachers, verlaug-
nen, schmachen, desgleichen den hochen, trafen-
lichen verdienst seins bittern leidens und sterbens
verachten oder schmölernd und sich mit göttlicher
schrift von iren irtumben nit abweisen lassen, son-
der also darauf mutwilliger, böser weis verharren

c 1554 -f : sacrament.
12 Wie bisher schon ähnlich Konstanz (Hauß 78f.).
13 Dieser Abschnitt steht nicht in der Konstanzer Ord-
nung. 14 = Rübenschnitze.
15 Vorwiegend im Sinn von Fluchen (Schmeller 2,
6457). - Der Abschnitt ganz nach Konstanz (Hauß
80f.) und dem Memminger Vorschlag (Jäger 455f.).
16 = geringem (Grimm 8, 982).
17 Eine Verstümmelung aus Gotts - ( Grimm 2, 279. -
Schmeller 1, 416; 2, 416).
18 Auch der Reichstag zu Nürnberg hatte 1524 vor-
geschlagen, für jeden Fluch - auch bei den Lands-
knechten — 1 Kreuzer als Strafe einzuziehen (Egel-
haaf 1, 497).
19 Lindau verwendete damals zwei Münzsysteme neben-
einander: zunächst die alte Rechnung mit Pfennigen

wolten, desgleichen auch diejenigen, so die hailige,
göttliche schrift, die hailigen sacrament des taupfs,
auch leibs und pluts Cristi, so in des Herrn nacht-
mal christenlich gehandelt, verklainern, verspotten
und wie ander schlecht wein und brot oder noch
verächtlicher weiß ,,beckenbrot", ,,riebschnitz"14
oder dergleichen spottlich nennen, die werden wir
im gewonlichen rat, dermaßen und mit so dapferm
einsehen strafen, darab meniglich unser groß miß-
fallen spuren und abnemen wurd.
Vom schwören.15
Welcher oder welche unverdachtlichen und allain
us ringen16 gemuet und böser gewonhait ongeferd
schwört, flucht oder sagt „gotsmacht, -kraft" oder
dergleichen, das gottlicher majestet zugelegt wurde,
„gotsleichnam, -marter, -wunden, -onmacht“ und,
was die menschait Cristi antrift, ,,Gots-Valtin-Qui-
rin“ oder undere Gottes hailigen zu dem wortlin Got
oder botz17 nennet, tauf, himelc oder firmament und
dergleichen der jeglicher sol von ainem solchen
schwur oder fluch ain creuzer18 geben.
Item wer flucht, der fluch sei wie er wöl, mit zuset-
zung des wort Gots alain der ist verfallen zwen
pfennig19.
Wer aber schwert mit underlassung des worts Gott
und nennet aber ain hailigen zum fluch oder sonst
ander strafen und plagen als bestilenz, grimen20,
fueber und dergleichen plagen und strafen, der-
gleichen der, so schwur bei Got außerhalb gerichts,
etwas war sein zu bestätigen, dieweil es ain uberfluß
und leichtfertigkait ist, der sof von jedem derselben

(zu 2 Hellern), die man nach Schillingen ( = 12
Stück) und Pfunden (= 240 Stück) zählte, und
dann die neuere Rechnung mit Silbergulden zu
60 Kreuzern. Sie waren so zueinander ins Verhältnis
gebracht, daß 1 Gulden 200 Pfennige galt, 1 Kreuzer
also fast 4 Pfennige (Wolfart 2, 166). - Zur Beur-
teilung der Kaufkraft dieses Geldes hilft, daß ein
Pfund Fleisch 4 Pfennige kostete und daß freilich
erst etwas später bei bereits gesunkener Kaufkraft
der Taglohn eines landwirtschaftlichen Arbeiters
12Pfennige, der eines Maurers 18 Kreuzer, der seines
Gehilfen 10 Kreuzer betrug (Wolfart 1 I 346. 341.
338).
20 = Bauchgrimmen, Leibschmerzen (Schmeller 1,
996f. - Grimm 4 1 6, 355).

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