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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0225
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Agenda, Das ist Ordnunge in der Pfarrkirchen zu Lindaw

nit unwürdig gehn sollen und wir doch allein durch
bekantnus unserer sünden und glauben an Jesum
Christum für Got für würdig geacht werden, so
wöllen wir erstlich unsere sünd dem allmechtigen
Gott offenlich bekennen und darnach unsern glauben
durch die absolution sterken, spreche derhalben ein
jedes in seinem herzen also:p12
Ich armer sünder komme zu bekentnus Gott mei-
nem himlischen Vater und bekenne mich, das ich
noch nie volbracht hab seinen götlichen willen we-
der mit worten, werken noch gedanken. Das ist mir
laid von herzen und bitte derhalben dich Gott, him-
lischen Vater, du wöllest gnedig und barmherzig sein
mir armen sünder und meiner sünden nimmermehr
gedenken durch das bitter leiden und sterben deines
Sons, meines Herrn Jesu Christi. Wöllest mir auch
geben und vermehren deinen Hailigen und guoten
Gaist, der mich laite und führe in alle warhait, der
mich auch anhalte, nichts anders anzufahen noch
zu tun dann, das dein hailiger und guter wille ist,
der mich auch sterke in der letsten stund meines
abschids, das ich, lieber Herr, bei dir ewiglich müge
behalten werden, durch Jesum Christum unsern
Herrn. Amen.
Höret nun auch die hailigen absolution.
Alle diejenigen, die ire sünd von herzen also be-
kennen und ire zuversicht allein auf Jesum Christum
unsern Herrn setzen, denselbigen will ich durch die
kraft der schlüssel und bevelch des hailigen evan-
gelii vergebung der sünden zugesagt und verhaißen
haben und dis in dem namen Gott des Vaters und
des Sons und des Hailigen Gaistes. Amen.
qKompt alle diejenigen, so begeren, sich tailhaftig
zu machen des heiligen testaments unsern Herren
Jesu Christi! Amen.
Darnach Uset der kirchendiener für dem altar
gegen dem volk gewandt folgende vermanung zum
gebet.q
Lieben freund Christi, weil wir hie versamlet
1555: Nach solchem allem gehet der prediger von
der canzel für den altar, darauf brot und wein
12 Eine ähnliche Offene Beichte mit allgemeiner Ab-
solution hatte - trotz eines wie in Lindau vorher-
gehenden, gesonderten Beichtgottesdienstes - auch
Württemberg 1536 (Richter 1, 268), aber nicht
mehr Württemberg 1553 (Hauß-Zier 56).

sind, in dem namen des Herren, sein hailiges testa-
ment zu empfahen, so vermane ich euch aufs erste,
das ir euere herzen zu Gott erhebet, mit mir zu be-
ten das Vater unser, wie uns Christus unser Herr ge-
leret und erhörung tröstlich zugesagt hat13,
das Gott unser Vater im himmel uns seine elende
kinder auf erden barmherziglich ansehen wölle und
gnad verleihen, daß sein hailiger name under uns
und in aller weit gehailiget werde durch raine recht-
schaffne lehr seines worts und durch brünstige liebe
unsers lebens, wölle gnediglich abwenden alle fal-
sche lehr und böses leben, darin sein werder name
gelestert und geschendet wird,
das auch sein reich zu komme und gemehrt werde,
alle sünder, verblente und vom Teufel in sein reich
gefangne zur erkantnus des rechten glaubens an
Jesum Christum seinen Son bringen und die zal der
christen groß machen wölle,
das wir auch mit seinem gaist gesterkt werden,
seinen willen zu tun und zu leiden, baide im leben
und sterben, im guten und bösen, allzeit unsern
willen brechen, opfern und töten.
Wöll uns auch unser täglichs brot geben, für geiz
und sorg des bauchs behüten, sonder uns alles guts
gnug zu im versehen lassen.
Wölle auch uns unsere schuld vergeben, wie wir
denn unserm schuldigern vergeben, das unser herz
ein sicher frölich gewissen für im habe und für kai-
ner sünd uns nimmermehr fürchten noch erschrek-
ken.
Wöll uns nicht einführen in anfechtung, sonder
helfe uns durch seinen Gaist, das flaisch zwingen, die
welt mit ihrem wesen verachten und den Teufel mit
allen seinen tücken uberwinden.
Und zuletzt uns wölle erlösen von allem ubel baide
leiblich und gaistlich, zeitlich und ewiglich.
Welche das alles mit ernst begeren, sprechen von
herzen: Amen. Ohn allen zweifel glaubent, es sei ja
und erhört im himel, wie uns Christus zusagt
nach anzal der communicanten gelegt und gesetzt
ist, und mit gewanten angesicht spricht er:
13 Die folgende Vaterunserparaphrase aus Luthers
Deutscher Messe (WA 19, 95f.).

14 Sehling, Bd. XII, Bayern II: Schwaben

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