Agenda, Das ist Ordnunge in der Pfarrkirchen zu Lindaw
Allmechtiger, barmherziger Gott und Vater, die-
weil du uns in deinem hailigen wort zugesagt und
versprochen hast, was wir dich im namen deines lie-
ben Sons, unsers Herren Jesu Christi, bitten werden,
die erste am morgen zu acht ur, zu welcher zeit
man auch pflegt mit dazu geordneten säcklin, das
heilige almusen einzusamlen und den communi-
canten das hailige sacrament zu geben, und wird
gepredigt nach dem alten gebrauch das sonteglich
evangelion oder von dem fest.
Die ander predigt geschicht zu mittag nach
ailfen den ehehalten - auch aus dem evangelio -,
dieweil dieselbigen irer hausgescheft halben zur
amptpredigt nicht kommen könden, und, so dise
aus ist, wirt den hausarmen leuten das almuosen
als brot schmalz, mus, mel etc. nach anzahl der
personen ausgetailt.
Die dritte helt man zur vesper zeit umb drei ur
und wirt gepredigt ain sontag umb ain ander ain-
mal die fünf bücher Mose, das ander die historien-
bücher des alten testaments.
Zum andern, so predigt man ordenlicher weis
alle tag in der wochen zu winterszeit umb sibne,
im somer aber zu sechsen
am montag die episteln S. Pauli,
am zinstag16 den psalter,
am mitwoch die evangelisten,
am dornstag17 die epistlen S. Johannis und
der andern apostlen,
am freitag widerumb aus den epistlen Pauli,
am sambstag aus ain propheten,
damit sovil müglich man in allen büechern
altes und neues testaments geübet werde und des
texts gewone.
Vom catechismo.
Damit auch unsere jugent in gottesforcht er-
zogen und in den fürnembsten artiklen christen-
licher religion underrichtet werde, so wird alle
freitag nachmittag ain kinder predigt in der pfarr-
kirchen gehalten, darein alle vier schulen - die
lateinisch und die teutsch knaben und die zwo
megdlin schulen -, durch die schulmaister und
maisterin gefüert werden und, wie der kirchen-
diener vier seind, also predigt der ein von zehen
geboten, der ander vom simbelo18, der dritt vom
Vater unser, der vierte von den hailigen zwei
sacramenten, tauf und nachtmal, und von der
absolution - ain gebot, artikel, gebet und stuck
16 Nebenform zu ziestag = Dienstag (Schmeller 2,
1070f. - Grimm 15, 1236f. 1534. -Fischer 6 1123f.).
17 = Donnerstag (Grimm 2, 1300).
18 = symbolo.
19 Bekenntnisschriften 501-523. - Wolfart spricht (1
I 384) von einem Druck aus dem Jahr 1561. Er ist
nicht auffindbar, wie auch schon Reu (1, 460) dort
nur einen von 1586 fand (jetzige Signatur K III 187).
Dieser stimmt mit dem von 1573 überein.
20 Catechismus, das ist kurze und ainfeltige erkle-
das wöllestu uns gnediglich umb seinetwillen verlei-
hen und geben. So bitten wir dich in seinem namen
von ganzem herzen, du wöllest dir für und für unter
uns eine kirchen samlen und die raine lehr deines hai-
nach dem andern und, so die predigt verrichtet,
werden aus allen vier schulen etliche knaben und
megdlin aufgestelt und gefragt, wie sie die haupt-
stuck und auslegung gelernet haben, und wirt ge-
braucht in unser kirchen der klainer catechismus19
D. Martini Lutheri, wie wir denselbigen für unsere
jugent mit sampt der litania (die wir alle zinstag
nach der predigt halten) und andern gesangen, den
catechismum lerend, haben trucken lassen20.
Damit auch die alten den catechismum nicht
verachten oder sonst gring halten und in vergeß
stellen, so werden alle jar viermal die sechs stuck
christlicher religion in ainer ganzen wochen dazu
genomen aufs ainfeltigst ausgelegt,
und erstlich am sontag nach kurzer erklerung
des sonteglichen evangelii, gleich sumarischer
weis, doch deutlich und aufs ainfeltigst umb des
land volks willen, das unserer kirchen ain großer
tail ist, werden alle sechs stuck, wie sie im cate-
chismo auch erklert seind, ausgelegt, darzu geton
wird, ain ernste vermanung, das die herrn und
handwerksleut mit ir gesind und kinder neben
den vier schulen auch erscheinen und die haupt-
stuck ires glaubens und seligkeit lernen wöllen.
Darnach am montag legt man aus in ainer pre-
digt die zehen gepot,
am zinstag den glauben,
am mitwoch das Vater unser,
am dornstag die wort des hailigen taufs,
am freitag die wort der einsatzung des hailigen
abendmals,
am sampstag die wort der hailigen absolution
oder ampt der schlüssel etc.
Von den leichpredigten.
Damit das volk des sterbens und der aufer-
stehung von toten desto friegelicher21 könde er-
innert und bericht werden, darumb, wann ain
person stirbt, die zum hailigen sacrament des
altars gegangen, wird dieselbige (so ain zaichen
mit der glocken dazu gegeben) von iren klagenden
freunden und verwandten, desgleichen von den
vier kirchendienern und andern nachpaurn
und guten freunden zur begrebnus beleitet. Die-
weil aber der kirchhof, zur begrebnus verordnet22,
rung der sechs hauptstuck christlicher religion und
lehr in frag und Antwort gestelt für die Jugend in
der pfarrkirchen zu Lindau am Bodensee. 1573. -
Gesangbüchlein für die kirchen und schulen zu
Lindau. 1573 (vorhanden z.B. NLA 12°. 121).
21 = fröhlich (Schmeller 1, 805).
22 Der Friedhof lag seit 1510 auf dem Festland bei
Äschach (Wolfart 1 I 246. - Kunstdenkmäler
Lindau. 208-215).
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Allmechtiger, barmherziger Gott und Vater, die-
weil du uns in deinem hailigen wort zugesagt und
versprochen hast, was wir dich im namen deines lie-
ben Sons, unsers Herren Jesu Christi, bitten werden,
die erste am morgen zu acht ur, zu welcher zeit
man auch pflegt mit dazu geordneten säcklin, das
heilige almusen einzusamlen und den communi-
canten das hailige sacrament zu geben, und wird
gepredigt nach dem alten gebrauch das sonteglich
evangelion oder von dem fest.
Die ander predigt geschicht zu mittag nach
ailfen den ehehalten - auch aus dem evangelio -,
dieweil dieselbigen irer hausgescheft halben zur
amptpredigt nicht kommen könden, und, so dise
aus ist, wirt den hausarmen leuten das almuosen
als brot schmalz, mus, mel etc. nach anzahl der
personen ausgetailt.
Die dritte helt man zur vesper zeit umb drei ur
und wirt gepredigt ain sontag umb ain ander ain-
mal die fünf bücher Mose, das ander die historien-
bücher des alten testaments.
Zum andern, so predigt man ordenlicher weis
alle tag in der wochen zu winterszeit umb sibne,
im somer aber zu sechsen
am montag die episteln S. Pauli,
am zinstag16 den psalter,
am mitwoch die evangelisten,
am dornstag17 die epistlen S. Johannis und
der andern apostlen,
am freitag widerumb aus den epistlen Pauli,
am sambstag aus ain propheten,
damit sovil müglich man in allen büechern
altes und neues testaments geübet werde und des
texts gewone.
Vom catechismo.
Damit auch unsere jugent in gottesforcht er-
zogen und in den fürnembsten artiklen christen-
licher religion underrichtet werde, so wird alle
freitag nachmittag ain kinder predigt in der pfarr-
kirchen gehalten, darein alle vier schulen - die
lateinisch und die teutsch knaben und die zwo
megdlin schulen -, durch die schulmaister und
maisterin gefüert werden und, wie der kirchen-
diener vier seind, also predigt der ein von zehen
geboten, der ander vom simbelo18, der dritt vom
Vater unser, der vierte von den hailigen zwei
sacramenten, tauf und nachtmal, und von der
absolution - ain gebot, artikel, gebet und stuck
16 Nebenform zu ziestag = Dienstag (Schmeller 2,
1070f. - Grimm 15, 1236f. 1534. -Fischer 6 1123f.).
17 = Donnerstag (Grimm 2, 1300).
18 = symbolo.
19 Bekenntnisschriften 501-523. - Wolfart spricht (1
I 384) von einem Druck aus dem Jahr 1561. Er ist
nicht auffindbar, wie auch schon Reu (1, 460) dort
nur einen von 1586 fand (jetzige Signatur K III 187).
Dieser stimmt mit dem von 1573 überein.
20 Catechismus, das ist kurze und ainfeltige erkle-
das wöllestu uns gnediglich umb seinetwillen verlei-
hen und geben. So bitten wir dich in seinem namen
von ganzem herzen, du wöllest dir für und für unter
uns eine kirchen samlen und die raine lehr deines hai-
nach dem andern und, so die predigt verrichtet,
werden aus allen vier schulen etliche knaben und
megdlin aufgestelt und gefragt, wie sie die haupt-
stuck und auslegung gelernet haben, und wirt ge-
braucht in unser kirchen der klainer catechismus19
D. Martini Lutheri, wie wir denselbigen für unsere
jugent mit sampt der litania (die wir alle zinstag
nach der predigt halten) und andern gesangen, den
catechismum lerend, haben trucken lassen20.
Damit auch die alten den catechismum nicht
verachten oder sonst gring halten und in vergeß
stellen, so werden alle jar viermal die sechs stuck
christlicher religion in ainer ganzen wochen dazu
genomen aufs ainfeltigst ausgelegt,
und erstlich am sontag nach kurzer erklerung
des sonteglichen evangelii, gleich sumarischer
weis, doch deutlich und aufs ainfeltigst umb des
land volks willen, das unserer kirchen ain großer
tail ist, werden alle sechs stuck, wie sie im cate-
chismo auch erklert seind, ausgelegt, darzu geton
wird, ain ernste vermanung, das die herrn und
handwerksleut mit ir gesind und kinder neben
den vier schulen auch erscheinen und die haupt-
stuck ires glaubens und seligkeit lernen wöllen.
Darnach am montag legt man aus in ainer pre-
digt die zehen gepot,
am zinstag den glauben,
am mitwoch das Vater unser,
am dornstag die wort des hailigen taufs,
am freitag die wort der einsatzung des hailigen
abendmals,
am sampstag die wort der hailigen absolution
oder ampt der schlüssel etc.
Von den leichpredigten.
Damit das volk des sterbens und der aufer-
stehung von toten desto friegelicher21 könde er-
innert und bericht werden, darumb, wann ain
person stirbt, die zum hailigen sacrament des
altars gegangen, wird dieselbige (so ain zaichen
mit der glocken dazu gegeben) von iren klagenden
freunden und verwandten, desgleichen von den
vier kirchendienern und andern nachpaurn
und guten freunden zur begrebnus beleitet. Die-
weil aber der kirchhof, zur begrebnus verordnet22,
rung der sechs hauptstuck christlicher religion und
lehr in frag und Antwort gestelt für die Jugend in
der pfarrkirchen zu Lindau am Bodensee. 1573. -
Gesangbüchlein für die kirchen und schulen zu
Lindau. 1573 (vorhanden z.B. NLA 12°. 121).
21 = fröhlich (Schmeller 1, 805).
22 Der Friedhof lag seit 1510 auf dem Festland bei
Äschach (Wolfart 1 I 246. - Kunstdenkmäler
Lindau. 208-215).
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