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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0255
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[VII 2.] Ordnung und Brauch deß Her- / ren nachtmals,
in der Christen- / lichen Gemain zuo Memmin- / gen,
Auf Ostern im neun- / und zwainzigisten jar / gehalten.

An die gemain Christi zuo Memmingen.
Es ist euch, ir geliebten, auserwölten freund
Gottes und brüder im Herren Christo, unverborgen,
mit was gnaden und barmherzigkait unser getreuer,
frommer Gott und Vater uns neben andern (ja auch
höhers ansehens) comunen und gemainden allhie
väterlich bedacht, nemlich durch die gnadenreiche,
tröstliche und sälige haimsuchung seines allerhailigi-
sten worts und evangelii von Christo, seinem gelieb-
ten Sun, unserm Herren, also das er dasselbig uns
vil dürftigen und hungerigen kindern zuo trost,
sterk und erquickung unsern schwachen seelen bis
anher nicht allain vergünnet, sonder auch gnedig-
lich beihendiget hat, das dann wir als die frummen,
lieben kinder mit höchstem fleiß on underlaß von
grund unsers herzen ingedenk, auch darfür mit lob,
eer und preis seinem hailigen namen in wilfarung
der lieb gegen dem nechsten dankpar sein sollen,
darzuo uns er, Christus selbs, vor der erlösung des
menschlichen geschlechts in der nacht, ee und er
laide, sein haihges und dankpares nachtmal insun-
derhait eingesetzt und zuo gedechtnus seines un-
schuldigen tods und bluotvergießens zuo halten, bis

Druckvorlage: Originaldruck (Oktav, 32 Seiten
[2. und 32. Seite leer]. - Augsburg Staats- und Stadt-
bibliothek [80 Th. Lt. O.]). Druck: Joh. Gg. Schel-
horn, Beiträge zur Erläuterung der Geschichte...
(Memmingen 1772-1777) 146-159. - Karrer, Mem-
minger Kronik. 530-546. - Vgl. oben S. 227!
1 Ahasverus ist im Buch Esther der Name eines per-
sischen Königs, der zu Susa ein großes Festmahl ver-
anstaltete (Esther 1, 3-9), und wird deshalb als
Gleichnis Gottes angesehen, so z. B. vor allem in dem
mittelalterlichen Gesang der Karwoche Discubuit:
Discubuit Jesus et discipuli eius cum eo et ait:
Desiderio desideravi hoc pascha manducare vobis-
cum antequam moriar. Et accepto pane gratias
agens fregit et dedit illis dicens: Hoc est corpus meum,
et accepto calice gratias agens dedit illis et ait: Hic
est sanguis meus [nach Mark. 14, 17-24].
Fecit Ahasverus rex grande convivium cunctis
principibus et pueris suis, ut ostenderet divitias
gloriae regni sui.

das er kumpt, bevolhen hat, welches dann wir jetz
auf jüngst verschinen Osterfest des 29. jars mit aller
reverenz, eere und christenlichen züchtigen (wie
disem hailigen sacrament und tisch des allerhailig-
sten großmechtigisten Ahasveri1und Gottes billich
zimmet) mit wort und tat Christi, auch nach brauch
der aposteln und des hailigen sant Pauli aufs nechst,
so je sein hat mügen, on alle ergerliche, verfürische
und den schriften unbekannten pompen der cere-
monien mit etlich tausend2 communicanten gehal-
ten haben, deren herz von Christo (der selbs die
speis ist) also ersetiget, das hernach durch Gottes
gnaden ir leben und lieb under jenen als den waren
christenlichen mitgelidern ersehen ist. Von deswegen
sie mermalen, sölichen hailigen, eerlichen und chri-
stenlichen brauch des Herren nachtmals zuovorder
zuo den höchsten eeren Gottes, auch zuo besserung
und auferbauung ires nechsten in druck zu pringen,
so herzlich an uns diener des worts daselbst begert
haben, das wir dann inen nach vielfeltigem ersuchen
(wie billich) ferner nicht abschlagen haben mögen,
sonder mit wort und tat in form und gestalt, wie wir
es gehalten, in truck verfertiget, damit der wider-
Et accepto [wie oben] (2. pars gradualis [Hand-
schrift Enoch Widmans] f. 187vf. [beim Pfarramt
St. Michael in Hof]. — Responsoria, quae annua-
tim in veteri ecclesia de tempore, festis et sanctis
cantari solent. Nürnberg 1572. 80f.).
2 Der gleichzeitige Bericht der Stadt an ihren Gesand-
ten Hans Ehinger in Speyer spricht nur von ,,etwa
200 personen“. Ein anderer Bericht redet von ,,et-
lich hundert personen zuo Sanct Martin“ (Dobel 3,
18). Davon, daß auch bei Unser Frauen eine solche
Feier stattgefunden habe und sich dort die fehlenden
800 Kommunikanten befunden haben, ist nichts be-
kannt. So dürfte hier mit 1000 Kommunikanten die
Gesamtzahl der Gottesdienstbesucher gemeint sein,
zumal der Bericht an Ehinger sagt, daß (außer den
genannten Kommunikanten) „meniglich hat wellen
zusen, wie es ain gestalt hab“ (aaO.).

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