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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0264
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Memmingen

bevolchen sein, welche schlusl durch irrsal und
aigengesuech auf die genannten gaistlichen gewach-
sen und zu grosser ergerung lange jar bei in erhalten
sein. Dieweil aber der allmechtig Got zuvor richter
geben, ehe dann er sein gesaz eroffnet4, und kain
ordnung oder satzung fruchtbar sein mag, es sei
dann der richter, so vermug furgenomner satzung
erstrecke und ins werk pring,
so haben wir burgermaister, rat und gemaind al-
hie zu Memmingen bedacht und furgenomen, zu er-
welen etliche frome, gotzforchtige, eiferige und dap-
fere menner, den Gottes eer, furderung der gueten
und straf der bosen sitten hoch angelegen ist, aus
uns — dem teglichen rat, den ailfen, unser großen
gemaind5 und den predicanten —, welche erwelten
kirchenpfleger und gewalthabere seien, hienach an-
statt und namen der ganzen kirchen6 alhie handlen
sollen nach inhalt volgenden artikeln.
Was für ordinanzen in der gmaind zu furderung
Gottes eren, under den predicanten im gotzdienst,
im almuesen, in schuelen, in zucht der jugend, in
ausspendung der sacrament als tauf und nachtmal,
im ausschheßen und widerannemen und furzunemen
uber die hienach gesetzten puncten und artikeln, so
wir vom taglichen rat und den ailfen uns haben ge-
fallen lassen, beschlossen und gedenken in creften
und wirden ze handhaben, dasselbig alles, was jeder-
zeit fueglich sein wollt, weiters aufzubringen, solle
von in, den kirchenpflegern, zuvor beratslagt und
hienach an den teglichen rat gepracht werden, uf
das ain ersamer rat solchen ratslag als ain oberkait in
ir statt, wo es auswendig ordnung antrifft, in craft
komen lassen oder abschaffen mugen irs gefallens
nach gelegenhait Gottes eer und fürstand des ge-
mainen nutz. Dann wir solchen kirchenpflegern
thain zeitlich jurisdiction in unser stat geben noch
furter zu geben gedenken, auf daz nit abermals zwo
zeitlich oberkaiten in unser statt aufkomen, wie vor
4 Gedacht ist an die Einsetzung der Richter durch
Mose (2. Mos. 18) vor der Gesetzgebung am Sinai
(2. Mos. 19-31).
5 Vgl. Einleitung S. 224!
6 Im Anschluß an den Entwurf des Memminger Tages:
So dann Christus dise gwalt [zu binden und aufzu-
lösen] der ganzen gemain geben, ...und aber die ge-
main von dreierlei stenden furnemblich ist zu-
sammengefüegt und in sich schleußt den weltlichen

gewesen seien; dann die gemainer gaistlicher zeit-
licher regierung als eehsachen und anders under
dem schein der schlusl sich angemast und unbillich
underzogen haben.
Wann jemand von unser christlicher gemaind sei-
nen bruder zwischen sich und im und hienach zu
gegen aim oder zwaier zeugen gestraft und bei im,
dem gestraften, kain volg gefunden, der soll und
mag desselben ungehorsam gedachten kirchenpfle-
gern im namen der kirchen anzaigen, wie under dem
gesetz Mosi die richtern und obern anstat des ganzen
volks Jsrahels alles anligen der gemaind vertreten
und verwaltet haben7, welche in durch ainen oder
zwen irn mitverwandten freuntlich warnen und, so
er in seinem bösen wilen beharret, fur sich sambt
beschicken, sein hartneckigen frevel undersagen,
verweisen sollen mit erzelung des gewalts der schlussl
und, wie schwer es sei, von den sich abzereißen, so
warhaftig glider des Hailands Christi seien, dessel-
ben heiligen leibs glider und mitgenossen. außerhalb
welcher kain hail nit sei zu verhoffen. Wo er aber
(das Got bei euch allen verhueten wolle!) die kir-
chenpfleger als die eltern und bevelchhaber nit hö-
ret, sonder verachtet die kirch, der namen si tragen,
demselben ist sein urtail Mathei am 18. capitel [15-
20] scheinbar8 anzaigt und sollte in das werk pracht
werden, wie der laster kirchenstraf hinach folgend
inhalt.
Von kirchenstraf der laster, dem ausschließen
und versonung der widerkommenden.
Solche kirchenpfleger, ob in schon nichts würd
anpracht, so sollen die dennoch als für sich selbs
ambtshalb 9auf die ganz gmaind Christi besonder
sorg und acht haben, wie man sich in gemain und
besonders halt, wer im weg Gottes fur- oder zuruck-
gang oder auch gar daraus gefallen sei, damit, wo
obern, den diener des worts und den undertan, wirt
sich wol ziemen..., das etlich personen von disen
dreien stenden, das sie der ganzen gemaind gewalt-
haber seind, erwelt... wurden (Jäger 480f.).
9 2. Mos. 18, 18-26.
s = offenbar (Schmeller 2, 424. - Fischer 5, 745. -
Grimm 8, 2433f.).
9 Von hier ab bis Anm. 13 meist wörtlich aus der
Ulmer Ordnung (d 3v-d 5).

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