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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0276
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Memmingen

ernstlicher will wolmainung, vermanen und gefal-
len, wie auch hievor verkündiget, das auf christ-
liches, vilfältig laden und anbieten ires möglichen
sondern diensts der kierchendiener ein jetlich vorab
auf dem land, da man der sachen auszuwarten stat,
zeit, blatz und fuog, der das hailig aubentmal Christi
zue empfachen gedenkt, sich am aubent zuvor nach
gehaltener vesperpredig anzeige, sein reu und leid
über die sünden bekenne, auch sein beger der abso-
lution oder verzeichung der sünden und sein für-
nämen, von den sünden abzusteen und fürohin in
christlichem gehorsam zue leben bezeuge, damit die
christliche berüefung18, darfon Paulus sagt [1. Kor.
11, 28], desto ernstlicher bei einem jeden gescheche
und andern hierinnen ain guot exempel gegeben
werde.
Und sonderlich19 will und ordnet ain ersamer rat:
So ain jungs vorhin das sacrament des hailigen
aubentmals nit empfangen oder etwan aus dem
babstumb zu unser kierchen und gemaind kom-
men were, das soliches nit ehe zuegelassen werd,
es seie denn zuvor in sonderhait ainem kierchen-
diener fürgestellet, das es von unser religion be-
fragt, nodturftiglich examiniert, verhört, berichtet
und vermanet werden möge, damit es das sacra-
ment nit mit unverstand empfache, und, wa diesel-
bigen oder auch etwan alte und betagte nit genuog-
sam verstendigt oder berichtet erfunden wurden,
sollen sie eine zeitlang aufgehalten, bis sie es besser
lernen, und alsdann zur communion gelassen wer-
den.
So aber jemand erschine, der da ergerlich lebte,
mit groben lastern behaft were, sich unbuoßfertig
hielte, gedächt auch nit, sain leben zu bessern, dem
oder denen soll der kirchendiener das abentmal zu
empfachen widerraten, bis er seine reu mit buoß,
vermeidung und abstellung der sünden besser erzei-
get und beweiset.

f-fSo nach II; Vorlage hat derselben.
18 = Prüfung. - Diese Betonung der Einzelbeichte
nach Württemberg 1553 (Richter 2, 136. - Hauß
51 f.).
19 in Anschluß an Württemberg 1553 (Richter 2,
136. - Hauß 54).

Von dem bann, kierchenzucht
oder gericht.
Wiewol die vilfältige offenbare schand und laster,
so diser zeit laider vor augen schweben, ain hartes
aufsechen und scherpfe der alten kierchenzucht und
cristlichen banns erheischten und erforderten, die
kürch umb göttlichen bevelch, aller billichait und
notwendigkait ohn gericht, bann und zucht nit sein
solle, auch die kirchendiener in irem gewissen nit er-
sättiget und rüewig sein mügen, wenn sie ihr ampt
allein mit predigen, wie scharpf auch dieselbigen
weren, verrichten und weiter nichtz wider offentlich
verächter und ungehorsame fürnämen sollten, und
aber vor angerichte zucht und gericht20 durch der
boshaftigen halsstarrigkait oder hartneckigkait ge-
schwecht ainem ersamen rat und den kürchendie-
nern gleich abgedrungen,
so haben sie sich ainer etwas milteren ordnung,
deren sich niemand, er welle denn gar verrucht und
ungezeumpt sein, beschweren solle, entschlossen
und fürgenommen.
I. Als nambhch und erstlich, wa jemand, so sich
sonst zu unser lehr und kierchen bekennet, in offent-
lichen sünden lebt, als da seind21
1, verachtung und eußerung vom predigampt,
gemainschaft und versamlung der kierchen, ge-
brauchung und nießung der hailigen sacrament,
2, im fluochen, lestern und schweren,
3, in abergleubigem segenwerk und zauberei,
4, in täglicher trunkenhait und sauferei,
5, in offentlichem ehebruch oder andern schänd-
lichen unzuochten,
6, in nachreden und verleumbden seines nächsten
und deren gleichen, weliche vor der nießung des hai-
ligen abentmals weitleüftiger verlesen werden22),
und fderselbigf ungeachtet des göttlichen zorns,
seiner eignen straf und des offentlichen ergernus sich
selber zuo der besserung nit schicken will,

20 Die Zuchtordnung von 1532, vgl. unsere Nr. VII, 3!
21 Die Beispiele aus der Kirchenordnung Wolfgangs
von Zweibrücken 1557 (Richter 2, 195).
22 Vgl. die Abendmahlsordnung von 1529, S. 248 f.
Anm. 19!

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