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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0277
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Kirchenordnung allhie zu Memingen in statt und land

so sollen in23 der gelter24 und kirchendienerg in
der stat in beisein, rat und zutun zwaier zuecht-
herren, so ußerhalb des rats verordnet25, mit fraind-
licher, christlicher bescheidenhait erinnern, warnen
und vermanen, das er sich zuo Got bekere, das erger-
nis meiden wolle, sich mit Got und der kirchen ver-
söne. Dise vermanung soll der beschickt mit rechter
demuot und zuecht zu folgen schuldig sein; dann
sie ist ein stuck des ampts, darvon der Herr redet,
Luce 10 [16]: Wer euch heret, der heret mich. Wer
euch veracht, der verachtet mich. Wer aber mich
verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat,
und gar haiter26 eingesetzt, Matth. 18 [15-18] etc.
So nun die person, welche also erinnert, der ver-
manung folgt und besserung zusagt, soll sie erstlich
die ergernus abstellen, darnach soll sie zum pfarr-
herren kommen, ier bekanntnus ton und besserung
zusagen und umb die absolution bitten und also
zur communion gelassen werden.
Wa aber der erfordert nit will kommen, soll er
zum andern und dritenmal erfordert werden oder,
so er fürkommen und nach der dritten vermanung
gleichwol in ergernus und offentlichen sünden ver-
harret, so solle der pfarherr und kierchendiener
sambt dem verordenten zuchtherren, dieweil soliche
person ungehorsam oder uf so vilfältige vermanung
von irer untugent nit abgestanden und sich nit ge-
bessert, auch noch nit besserung ernstlich zuesagt,
derselben die gemainschaft der hailigen sacramen-
ten verbieten und soll ime hinfür, so lang er sich nit
bessert, nit gestattet werden, zum abentmal zue
geen, bei der taufe zu erscheinen, kinder zu heben,
sonder als haid und unchrist gehalten werden. Doch
die predig zu heren, soll in unverboten sein, und sol-
len solich urtail der kierchenabsönderung und- aus-
schließung in beisein obberierter personen und nit
anderstwa angezeigt und verkündt werden.
Dabei sollen die prediger das volk, wa sich gele-

g-g So nach dem Entwurf (NLA, Reichsstadt Mem-
mingen 18); Vorlage und II haben eltern und kir-
chendienern.
23 = ihn. 24 Vgl. oben Anm. 9!
25 wie in der Zuchtordnung von 1532, vgl. unsere Nr.
VII 3!
26 = deutlich (Schmeller 1, 1187. - Grimm 4 II
923).

genhait gibt, wol underrichten, das der christlichen
kierchen straf und bann wider ergerhche und hals-
starrige sünder auch vor Got gelten werde, der mit
leiblichen strafen und plagen zue bestätigung der
kierchenzucht uber die pflegt zuo kommen, die den
bann verachten, wie der spruch bezeuget: Ich will
segnen, die dich segnen, und verfluochen, die dich
verfluochen, Gen. 12 [1. Mos. 12, 3] und die exempla
bezeugen 1. Cor. 5 [II], und in der kierchenhistori
liset man, das Stiliconis schreiber, der den bann ver-
achtet, besessen wierd etc.27 Derhalben kain zwei-
fel, wer in verachtung des rechten banns bleibet,
wirt sein straf von Got haben. Es möchte sich auch
einer so frävenlich und vermessen hierinnen ver-
halten, ein ersamer rat wurde von wegen des eußer-
lichen lasters und, das er sich diser ordnung wider-
setzet, ine in leibliche straf nehmen, wie dann ain
oberkait, dise bede zu strafen, vor Gott und bei irem
gewissen schuldig.
Da aber derjenige, so also von gemainschaft der
hailigen sacramenten ausgeschlossen, sich bekeren
will, von sünden und lastern ablast, seine demüetige
beicht und bekanntnus tuot und, so er jemand be-
laidiget, denselben versönet, so soll er nit verworfen,
sonder wider aufgenommen werden, doch, das er
bitte umb verzeichung seiner getonen sünden, auch
seines geiebten ungehorsams, das er die vermanung
der kierchen nit bald angenommen, sich nun gehor-
samlich erzeigt und besserung zusagt, sollen in der
elter oder pfarherr in beisein der, wie obgehert, ver-
ordneten zuchtherren, so den vorgeenden vermanun-
gen beigewonet, als zeugen seiner zuosage in der
sacristei oder sonst an ainem ort in der kirchen ab-
solvieren und folgend zu der christlichen commu-
nion zulassen.
Triege sich aber zuo, das ain pfarrherr und kir-
chendiener oder verordneter censorn, oder ampt-
man, selber in sünden lebte und seinen pfarver-

27 Ein aus der Kirchenordnung Wolfgangs von Zwei-
brücken 1557 (f. 65) genommenes Beispiel, vgl. oben
S. 146 Anm. 4!

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