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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0281
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Kirchenordnung allhie zu Memingen in statt und land

krenzlein solle billich sein ehre gegonnet und zwi-
schen einer erbern und beschraiten, zwischen einer
geschwechten und reinen ain underschid gehalten
werden.
Befende sich aber, das aine für ain jungfrau zu
kierchen und strassen gangen und schwanger ge-
wesen were, soll ainem ersamen rat die strafe vor-
behalten sein.
Vom zechen und spilen etc. under
den predigen.
Zechen, unfuor45, spil etc. soll under den predigen
in stat und land abgeschaffet und die übertreter
von der oberkait und amptleuten gestrafet werden
und auf dem land der pittel bei dem jungen volk auf
der borkierchen46, weil man prediget, steen und,
welche er sichet unfuehr und unzucht treiben, an-
zaigen.
Vom leichpredigen.
Denen, die in unserm Herren Christo Jesu ent-
schlafen, bringet unser dienst auf erden kainen nutz,
wie der hailig Augustinus selber bekennet47, da er
spricht: Die dienst, so wier den abgestorbnen tond,
seind mer der lebendigen trostungen dann der ab-
gestorbnen hilf und steur; denn Christus spricht:
Ich bin die auferstehung und das leben. Wer an
mich glaubt, wirt vom tod zum leben hindurchdrin-
gen [Joh. 11, 25f.], daher wier genuogsam vergwis-
sert, das, welicher in wahrer buoß, glauben und ver-
trauen auf unsern einigen Herren und Hailand
Cristum von dieset welt abschaidet, der seie gewiß-
lich in der seligen zal und werde mit fraiden am
jungsten tag aufersten, auch in seinem leib die herr-
lichhait zu besitzen.
Nichtsdestoweniger sollen wier unsere verschidnen
ehrlich und gebürlich zur erden mit solichen dien-
sten, die uns lebendigen zuo christlicher erinnerung
und trost dienen, bestättigen48. Und will ain er-
45 = üble Aufführung (Schmeller 1, 748. - Grimm
11 III 605f. - Fischer 6 I 147f.). 46 = Empore.
47 ,,...omnia ista, id est: curatio funeris, conditio se-
pulturae, pompa exequiarum, magis sunt vivorum
solatia quam subsidia mortuorum. Si aliquid pro-
dest impio sepultura preciosa, oberit pio vilis aut
nulla“ (MSL 41, 26. - Deutsch: BKV Augustin 1,
45). Zu Augustin vgl. Anm. 28!

samer rat, was hiefor von den leichen und leichpre-
digen verküendiget49, von leuten und anzaigung der
leichen, so den predigern zuerst geschechen solle,
confirmiert und bestätigt haben, daneben zu wissen
tun: Wiewol zu zeiten jemands aus sondern wol
befüegten ursachen die leichpredig verwegert
möchte werden50, so hat doch ain ersamer rat im
bösten geordnet, das hinfüro menighchem, so es
begert, ain leichpredig gehalten werden. Jedoch aber
soll dem pfarrherren und predicanten in bedänk-
lichen fällen in ier ampt und, was sie gewissens und
ihro bekanntnus halben schuldig, nit gegriffen
noch geredt, sonder dasselbig unbenommen sein.
Von der visitation51.
Es ist ain gemain sprichwort: Des hausfaters au-
gen und fueßtrit mache den acker faist, item:
Welcher will, daß im geling,
der seche selber zuo seinen ding!
Dieweil denn die visitation ein erhalterin obge-
sezter ordnung allain sein kan und ain ersamer rat
spüret und befindet, das auf dem land, da sie selber
nit allweg gegenwertig, wenig gottesforcht ist, die
predigen farlässig besuocht, iren vil under jungen
und alten gefunden werden, die bösser kunden fluo-
chen und schweren denn beten, schemen sich nit,
schampbare lieder zu singen, aber in der kierchen,
wenn man psalmen singt, sitzent sie wie die stumen,
etlich geen in vilen jaren nit zum hailigen abentmal,
erschreckliche sünden und lastern ungestraft hin-
geen, die pfarrherren und kürchendiener von vilen
verächtlich und hönisch gehalten werden, so ist
ain ersamer rat bedacht, zu seiner gelegenhait und,
da es imer möglich sein wirt, alle jar ainmal die
pfarrherren uf dem land nach der alten kierchen
und christlichen evangelischen ständen exempel zu
visitieren.
Und solle man die amptleüt und kierchenglider
befragen,
48 = bestatten (Schmeller 2, 798).
49 Nicht bekannt.
50 Gedacht ist wohl an Kirchenzuchtmaßnahmen wie
etwa in Dinkelsbühl (unsere Nr. II 9, S. 149) in
Anschluß an die Zweibrückener Kirchenordnung
(vgl. ebendort!).
51 Mit mancherlei Anklängen an die Zweibrückener
Kirchenordnung von 1557.

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