zurückkehren22 - ein Zeichen für den Fortschritt der evangelischen Haltung des Rates, wie Cochläus
auch 1524 die Nördlinger als Erzlutheraner (lutheranissimi) bezeichnen konnte23 aber die deutsche
Messe in der Karmeliterkirche hörte doch auf.
Die Zeit des Biilicanus.
Mit dem Verstummen der evangelischen Messen in der Klosterkirche begann der Stadtprediger
Billicanus mit neuen Gottesdienstformen in der Stadtpfarrkirche St. Georg1.
Die Stadt konnte dabei erklären, daß die ,,mißpräuch von inen selbst abgefallen“ seien, ohne ihr
Zutun, allein durch das ,,abscheuhen“ des Volkes2. Es scheint dabei eben deshalb recht wechselnd und
willkürlich zugegangen zu sein. Auch die neue Gottesdienstordnung entwickelte sich ohnejede Beteiligung
von Bürgermeister und Rat. Wir erfahren von ihr nur dadurch, daß sie mit dem Datum vom 12.Febr.
1525 ihnen in einem ausführlichen Bericht dargelegt wurde3. Es soll geschehen sein, weil der Augsbur-
ger Prediger Urban Rhegius, der eben damals eine Abwehrschrift gegen Karlstadt erscheinen ließ4, und
der braunschweigische Kanzler Johann Stappler gegen sie Bedenken wegen ihres karlstädtischen Gei-
stes geltend gemacht hätten5. Wann und bei welcher Gelegenheit das geschehen sein könnte, ist jedoch un-
bekannt. Man möchte aber doch fast eher an einen Schritt von reformationsfeindlicher Seite als Anlaß den-
ken. Die Angriffe gegen Karlstadt mögen dann durch seinen eben erschienenen Schwarm von Flugschrif-
ten veranlaßt worden sein. Mit ihrem Charakter als Verteidigung gegen die Anklage wegen karlstädtischer
Gesinnung würde sich eine am 11. Februar 1525, zwei Tage vor dem Datum des Vorwortes, an Karl-
stadt gerichtete Einladung Billicans zu einem mehrtägigen Besuch6 (wenn auch, um ihn zu bekehren)
schwer zusammenreimen7 . Während des Druckes wäre der Verfasser beinahe noch einmal in seinen An-
griffen gegen Karlstadt irre geworden. Karlstadt, der sich damals nach seiner Ausweisung aus Sachsen in
Rothenburg o.d.T. aufhielt, leistete einer Einladung Billicans Folge. Darüber wurde Gerlacher un-
sicher. Ein Brief Luthers, an den er sich deshalb wandte, vom 5. März8 half ihm aber rasch wieder zu-
recht.
In dieser Ordnung zeigten sich schon unverkennbar schwärmerische Züge. Durch das Eindringen
schweizerischer Einflüsse wurde dann weiter die Entwicklung nun eine Zeitlang gestört. Schon im Sep-
tember 1524 war es ziemlich unruhig zugegangen. Die Nördlinger wollten ,,sich (damals) lieber mit den
Waffen als im Gebet an Gott wenden"9. Am 7. Dezember 1524 verbot der Rat, die Bilder abzureißen. Die
Ernüchterung kam bald. Aber eine Zeitlang gestand Billicanus doch noch, daß er Zwingli einfach nicht
widerstehen könne10, wie es auch deshalb zu einem Bruch mit Lazarus Spengler kam11.
Daneben blieben aber auch innerlichere Bestrebungen nicht wirkungslos. An jedem Werktag wurde
morgens und abends ein Predigtgottesdienst gehalten, den man ,,Kapitel“ nannte12. Wenn später in
Steynerdruckes auf der letzten Seite des Hamburger Druckes den Nachweis geführt zu häben meint, daß diese „Evan-
gelische Meß“ auch bei Steyner in Augsburg gedruckt sei, so geht das zu weit. Bewiesen ist nur, daß der Hamburger
Druck längere Zeit in einem Sammelband unmittelbar vor dem Steynerdruck eingebunden war.
22 Otto Clemen, 81f. 23 Hocker 78f.
1 Dolp 44. — Kolde, Zur Geschichte Billicans. - Clemen 80. 2 Müller 155.
3 Unsere Nr. VIII 2. —Fendt 134ff.
4 Barge 2, 234-238. 5 Dolp 43. 6 Haußdorff 227.
7 Diese Ordnung: unsere Nr. VIII 2. — Dolp 44—46. — Zu ihr: Barge 2, 244—250. — Kolde, in RE 3, 234f. —
Geyer, Kirchenordnungen 4ff. -Fendt 134ff.
8 WA Br 3, 451 f.
9 Clemen, Husel 80. 10 CR 95 ( = Zwingli 8), Nr. 547. 11 Haußdorff.
12 Clemen 80. — In ihm wurde wohl in fortlaufender Lesung ein ganzes biblisches Buch nach dem andern behandelt
(vgl. etwa die Württembergische Kirchenordnung von 1536 [Richter 1, 266]).
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auch 1524 die Nördlinger als Erzlutheraner (lutheranissimi) bezeichnen konnte23 aber die deutsche
Messe in der Karmeliterkirche hörte doch auf.
Die Zeit des Biilicanus.
Mit dem Verstummen der evangelischen Messen in der Klosterkirche begann der Stadtprediger
Billicanus mit neuen Gottesdienstformen in der Stadtpfarrkirche St. Georg1.
Die Stadt konnte dabei erklären, daß die ,,mißpräuch von inen selbst abgefallen“ seien, ohne ihr
Zutun, allein durch das ,,abscheuhen“ des Volkes2. Es scheint dabei eben deshalb recht wechselnd und
willkürlich zugegangen zu sein. Auch die neue Gottesdienstordnung entwickelte sich ohnejede Beteiligung
von Bürgermeister und Rat. Wir erfahren von ihr nur dadurch, daß sie mit dem Datum vom 12.Febr.
1525 ihnen in einem ausführlichen Bericht dargelegt wurde3. Es soll geschehen sein, weil der Augsbur-
ger Prediger Urban Rhegius, der eben damals eine Abwehrschrift gegen Karlstadt erscheinen ließ4, und
der braunschweigische Kanzler Johann Stappler gegen sie Bedenken wegen ihres karlstädtischen Gei-
stes geltend gemacht hätten5. Wann und bei welcher Gelegenheit das geschehen sein könnte, ist jedoch un-
bekannt. Man möchte aber doch fast eher an einen Schritt von reformationsfeindlicher Seite als Anlaß den-
ken. Die Angriffe gegen Karlstadt mögen dann durch seinen eben erschienenen Schwarm von Flugschrif-
ten veranlaßt worden sein. Mit ihrem Charakter als Verteidigung gegen die Anklage wegen karlstädtischer
Gesinnung würde sich eine am 11. Februar 1525, zwei Tage vor dem Datum des Vorwortes, an Karl-
stadt gerichtete Einladung Billicans zu einem mehrtägigen Besuch6 (wenn auch, um ihn zu bekehren)
schwer zusammenreimen7 . Während des Druckes wäre der Verfasser beinahe noch einmal in seinen An-
griffen gegen Karlstadt irre geworden. Karlstadt, der sich damals nach seiner Ausweisung aus Sachsen in
Rothenburg o.d.T. aufhielt, leistete einer Einladung Billicans Folge. Darüber wurde Gerlacher un-
sicher. Ein Brief Luthers, an den er sich deshalb wandte, vom 5. März8 half ihm aber rasch wieder zu-
recht.
In dieser Ordnung zeigten sich schon unverkennbar schwärmerische Züge. Durch das Eindringen
schweizerischer Einflüsse wurde dann weiter die Entwicklung nun eine Zeitlang gestört. Schon im Sep-
tember 1524 war es ziemlich unruhig zugegangen. Die Nördlinger wollten ,,sich (damals) lieber mit den
Waffen als im Gebet an Gott wenden"9. Am 7. Dezember 1524 verbot der Rat, die Bilder abzureißen. Die
Ernüchterung kam bald. Aber eine Zeitlang gestand Billicanus doch noch, daß er Zwingli einfach nicht
widerstehen könne10, wie es auch deshalb zu einem Bruch mit Lazarus Spengler kam11.
Daneben blieben aber auch innerlichere Bestrebungen nicht wirkungslos. An jedem Werktag wurde
morgens und abends ein Predigtgottesdienst gehalten, den man ,,Kapitel“ nannte12. Wenn später in
Steynerdruckes auf der letzten Seite des Hamburger Druckes den Nachweis geführt zu häben meint, daß diese „Evan-
gelische Meß“ auch bei Steyner in Augsburg gedruckt sei, so geht das zu weit. Bewiesen ist nur, daß der Hamburger
Druck längere Zeit in einem Sammelband unmittelbar vor dem Steynerdruck eingebunden war.
22 Otto Clemen, 81f. 23 Hocker 78f.
1 Dolp 44. — Kolde, Zur Geschichte Billicans. - Clemen 80. 2 Müller 155.
3 Unsere Nr. VIII 2. —Fendt 134ff.
4 Barge 2, 234-238. 5 Dolp 43. 6 Haußdorff 227.
7 Diese Ordnung: unsere Nr. VIII 2. — Dolp 44—46. — Zu ihr: Barge 2, 244—250. — Kolde, in RE 3, 234f. —
Geyer, Kirchenordnungen 4ff. -Fendt 134ff.
8 WA Br 3, 451 f.
9 Clemen, Husel 80. 10 CR 95 ( = Zwingli 8), Nr. 547. 11 Haußdorff.
12 Clemen 80. — In ihm wurde wohl in fortlaufender Lesung ein ganzes biblisches Buch nach dem andern behandelt
(vgl. etwa die Württembergische Kirchenordnung von 1536 [Richter 1, 266]).
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