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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0293
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Dinkelsbühl die gleiche Übung auftauchte13, läßt sich das wohl nur aus Beeinflussung durch Nördlin-
gen erklären, was Beweis dafür ist, daß diese Sitte in Nördlingen Anklang gefunden hatte.
Als in dieser Zeit wieder einmal ein Verweser abzog, verlangte nun die Stadt von ihrem damals in
Köln weilenden Pfarrer, daß er sein Amt persönlich versehe. Daraufhin legte er es überhaupt nieder.
Der Patron - Kloster Heilsbronn - aber sah sich nicht in der Lage, einen neuen Pfarrer zu bekommen.
Er trug daher der Stadt das Patronat auf die Pfarrstelle samt weiteren 14 Benefizien zum Kauf an. 1525
wurde der schon 1523 abgeschlossene Kaufvertrag rechtskräftig14. Jetzt suchte sich die Bürgerschaft selbst
einen Pfarrer. Sie fand ihn in Johann Übel15. Dieser versprach der Stadt, sich so zu halten, daß weder
weltliche noch geistliche Obrigkeit sich beschweren könne.
Die weitere Entwicklung Nördlingens aber litt unter der Unklarheit seines Predigers Billicanus. Er,
der im Frühjahr 1526 einem gefangenen Priester geschrieben hatte, er möge nicht nach seinem Leben
oder Schicksal fragen, sondern nur darnach, ob er den rechten Glauben habe16, leistete am 13. Oktober
1530 in Augsburg vor Eck einen feierlichen Widerruf17. So drang der Katholizismus unter dem Nördlin-
ger Geistlichen wieder vor18. Doch wurde die Messe ständig - anscheinend auch durch Billicanus selbst -
auch in evangelischer Form gehalten, wie ein entsprechend verbessertes Missale in der Pfarrbibliothek
Nördlingen deutlich beweist. Freie Bahn aber wurde erst, als am 23. Mai 1535 Billicanus, der seine un-
klare Gesinnung noch besonders deutlich durch die Ablehnung eines in Nördlingen geplanten Kinder-
katechismus (wohl nach dem brandenburgischen Beispiel)19 bekundet hatte, die Stadt verließ und nach
Heidelberg zog.

Die Gottesdienstordnung des Kaspar Kantz.
Es ist ein beachtliches Zeichen für die evangelische Stimmung in der Bevölkerung, daß man jetzt
Kaspar Kantz, der bisher einfacher deutscher Schulmeister gewesen war, am 21. Juni zu Billicans Nach-
folger auf die Stadtpredigerstelle rief. Kantz trieb nun auch weiter. Nach wiederholten Anregungen gab
ihm der Rat am 15. Mai 1538 den Auftrag, eine entsprechende Ordnung zu entwerfen, wobei er aber
gleich wieder betonte, er wolle sich nicht in geistliche Sachen mischen, heiße und wehre nichts1. Der darauf
gefertigte Entwurf des Kaspar Kantz2 wollte den sonntäglichen Hauptgottesdienst ganz in der Form
der Messe gehalten sehen. Er sollte mit dem Introitus beginnen und bis zum Evangelium und Glaubens-
bekenntnis geführt werden. Dann sollten, während die Chorschüler in die Schule gingen, um dort das
Evangelium erklärt zu bekommen, - wie bisher - Predigt mit allgemeinem Kirchengebet und Abendmahls-
vermahnung folgen. Wenn dann die Schüler zurückgekehrt waren, sollte mit dem Sursum corda3 die
Messe weitergeführt werden.
Demgegenüber brachte die vom Rat4 bestätigte Ordnung eine etwas geänderte, aber doch auch nur we-
nig gegliederte Form, indem zunächst eine Mette, dann die Predigt mit Gebetsvermahnung, darauf (von
vorne begonnen) die katholische Messe5 und schließlich eine evangelische Abendmahlsfeier kommen sollte.

13 Siehe Dinkelsbühl Einleitung S. 120.
14 Dolp 38f.; Anh. Nr. 30ff. -Gg. Muck, Geschichte des Klosters Heilsbronn 1 (Nördlingen 1877) 258-264.
15 Auch Hubel (vgl. Billicans Epistola... 1528). — Aus Nördlingen. Studierte seit 1510 in Leipzig bis zum Magister
(Gg. Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig. Leipzig 1895—1902. 1, 562; 2, 486). 1525 Nördlingen Pfarrer,
1543 in den teilweisen Ruhestand (Stiftungsverwalter), 1547 Nördlingen Pfarrer, 1555 in den Ruhestand, † 1557. —
Seit 1535 verheiratet.
16 Dolp, Anh. Nr. 39. 43. 17 WA Br 5, 305f. — Dolp, Anh. Nr. 40—44.
18 WA Br 5, 689f. 19 Dolp, Anh. Nr. 38.
1 Geyer, Kirchenordnungen 10f. 2 Handschriftlich im Stadtarchiv Nördlingen.
3 ,,Die Herzen in die Höhe“ (Beginn der Präfation).
4 Das Datum ist nicht bekannt. 5 Geyer, Kirchenordnungen 6ff.

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