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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0297
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Am 14.Juni 1555 konnte endlich nach Emeritierung Übels ein neuer Pfarrer aufziehen. Es war
Melchior Runtzler aus Mitweida1. Er arbeitete nun sogleich mit seinen Amtsbrüdern zusammen eine
neue Kirchenordnung aus. Schon am 24. September legte er sie dem Rat vor und dieser erkannte sie am
19. November an, wobei er ausdrücklich noch Diakone und Schulmeister zu Gehorsam gegen den Pfarrer
ermahnte2 .
Runtzler hielt sich an die frühere Nördlinger Form, so daß seine Kirchenordnung zunächst ,,allein
dasjenige, so durch die fehrlichen und schrecklichen Kriege zerrissen und hingefallen ist, wieder aufliest
und verneuert“.Ihre Ergänzung und Bereicherung nahm sie ,,aus des teuren mannes Lauteri- visitationord
nung3, item aus des herrn Philippi4, Dom[ini] Brencii5, des herzog Heinrich von Sachsen6 zu Freiberg7
und anderer8, so kirchen und schulen mit großem nutz und fromen angericht und erbauet haben“. Aller-
dings läßt sich von dem Einfluß dieser Ordnungen auf seine Arbeit praktisch kaum etwas nachweisen. Sie
zeigt ja nur die Rahmen der einzelnen Handlungen und bei diesen beweist auch ein Zusammenklang mit
den eben genannten Ordnungen nichts, da die betreffenden Stücke genauso schon bei Löner vorhanden ge-
wesen sein können, zumal die meisten der genannten Quellen schon damals vorlagen.
Die Amtsbrüder, die an der Ausarbeitung dieser Ordnung mitgearbeitet haben - die geistlichen
Stellen an der Pfarrkirche verfestigten sich nach dem Interim neben dem Pfarrer, der jetzt zugleich Pre-
diger und Superintendent war, zu drei Kaplanständen - und denen Runtzler selbstverständlich in erster
Linie die Kenntnis des lönerschen Brauches verdankte, waren neben dem alten Pfarrer Übel die Diakone
Johannes Morgenroth9 und Eustachius Regner19. Georg Strauß11 kann nur unter Vorbehalt genannt
werden.
Daß aber vor allem Löners Kirchenordnung im Original vorlag und benützt wurde, ergibt sich aus
den zahlreichen, in einem großen Abschnitt gar seitenlangen wörtlichen Anklängen an die Naumburger
Kirchenordnung Medlers. Diese entstammen doch kaum einer in Löners Besitz zu vermutenden Abschrift
dieser Ordnung, sondern eben Löners Ordnung, in die diese Stücke aufgenommen waren.
Runtzler bemühte sich auch um weitere Festlegung von Grundsätzen und Richtlinien. Er beantragte

1 Wittenberg immatrikuliert Sommersemester 1541 (Erler 189 b 11). 154. Ölsnitz Schulmeister, 1551 Diakon, 1554
Gnotzheim, als evangelisch entlassen, 1555 Nördlingen Pfarrer und Superintendent - † 1578 (Reinh. Grünberg,
Sächsisches Pfarrerbuch. 2 [Freiberg 1940] 773J.
2 Unsere Nr. VIII 5. -Fendt 311. — Waldenmaier 92. —Geyer, Kirchenordnungen 45-60.
3 = Lutheri. - Unterricht der visitatoren an die pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen 1528 (Sehling 1, 149
bis 178).
4 Melanchthon. -Gemeint ist die Mecklenburgische Kirchenordnung von 1552 (Sehling 5, 161-219. - Zu Melan-
chthons Anteil an ihr Sehling 5, 132f.).
5 Württembergische Kirchenordnung von 1553 (Richter 2, 131—141 — Hauß-Zier). Großenteils gleich der von 1536
(Richter 1, 265-273).
6 Kirchenordnungen für die pfarrherrn in herzog Heinrichs zu Sachsen fürstentum von 1539. - Sie war soeben 1555
in einer neuen Ausgabe erschienen (Sehling 1, 264-281).
7 Einen Druck dieser Ordnung zu Freiberg kennt weder J. W. Feuerlein noch Sehling. - Was ist gemeint ? Eine
Verwechslung mit Frankfurt a.d.O. ?
8 Gedacht ist wohl in erster Linie an die Brandenburgisch-Nürnbergische Kirchenordnung von 1533 (Sehling 11,
140—205) und an Veit Dietrichs Agendbüchlein von 1543 und öfter (Sehling 11, 487—553).
9 Aus Eisfeld. — 16. Nov. 1540 Wittenberg immatrikuliert (Erler 185 a 37), 1543 Engelmesser in Leutershausen,
1545 Nördlingen Diakon, 1555 Löpsingen, 1561 Bopfingen Pfarrer, 1569 emeritiert. (Simon, APfB Nr. 1976. —
Die hier nach oettingischen Nachrichten gebrachte Angabe, Morgenroth sei schon 1548 nach Löpsingen gegangen,
ist wahrscheinlich unrichtig. Zum wenigsten war er 1554 in Nördlingen [Geyer, Kirchenordnungen 45]).
10 Er war Nördlinger und am 30. Mai 1546 in Wittenberg immatrikuliert worden (Förstemann 233b 12), aber
noch im gleichen Jahr Diakonus in Nördlingen, 1561 Schweindorf, 1564 Nördlingen Klosterprediger — † 1597
(Dolp 114. 182f.).
11 Er stammte aus Nördlingen und wurde im Wintersemester 1537/38 in Wittenberg immatrikuliert (Förstemann
168b 15). Wo er dann im Amt war, ist unbekannt. In Nördlingen wird er erst 1553 als Diakonus genannt. Doch ist
es nicht ausgeschlossen, daß er schon vorher in Nördlingen war. 1558 Spitalprediger — † 1567 (Dolp 95. 129).

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