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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0357
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Kirchenordnung von 1579

bewilligung und guethaißen eines erbarn rats als
der ordenlichen obrigkait nichts underlassen, vil
weniger geendert werden soll.
Was dann die visitationes belangt, soll und muß
dasselbig fürnemlich bei der schuelen und in den
andern ußer der statt gelegenen pfarren und ge-
meinden, fürgenommen und getriben werden.
Ist derowegen eines erbarn rats meinung und
will, das beneben des herrn superintendenten gene-
ralinspection, insonderhait und fürnemlich die la-
teinische schuel tanquam praecipium seminarium
ecclesiae et reipublicae alle quatemberzeit18 mit
sonderm vleiß und ernst visitiert, zue solchem werk
auch alle des consistorii gaisthche und politische per-
sonen gezogen und gepraucht werden und will ein
erbarer rat aus irem mitel nach jederzeit eraischen-
der notturft und gelegenhait jemand noch verner
adiungiern, damit je ires tails an so hochnotwendi-
gem und nutzlichem werk nichts verabsaumpt
werde.
Daruf aber die visitation der lateinischen schuel
in specie anzustellen, das befilcht und vertrauet ein
erbarer rat fürnemlich der herrn visitatorn von dem
allmechtigen begapten verstand, geschicklichait und
erfahrung und haben si darneben loco directorii
beede - die kirchen- und schuleordnung -, darob
dann ein erbarer rat dis orts in sonderheit und so-
wol als in dem ganzen ministerio mit gepürendem
ernst in allweg will gehalten haben.
Sonderlich aber sollen und wöllen die herren visi-
tator ir gebürende erkundigung pflegen und vleißige
achtung geben, wie der rector oder schuelmaister
und die andere collaboratores sich tam in laboribus
quam in moribus mit einander betragen, was exem-
pel sie auch der lieben zarten jugend vortragen, son-
derlich wie sanftmütig und glicklich sie in docendo
seien und was für profectus in der jugend sowol in
eruditione doctrinae als in disciplina morum gespürt
und erfunden werden.
Insonderhait auch, was für exercitia gramatices
getriben, gleichfalls ob und was gestalt stilus exer-
ciert und die lectiones autorum ad imitationem
appliciert werden.
18 = Quatuor tempora, nämlich Mittwoch bis Samstag
nach Invokavit, Pfingsten, Kreuzerhöhung (14.
Sept.) und Luciae (13. Dez.).

Was dann die teutschen schuelen zu visitiern be-
trift, bevilcht ein erbarer rat fürnemlich den gaist-
lichen consistorialibus, dasselbig jedes jars zwaimal
fürzunemen, benanntlich umb mitfasten19 und nach
Bartholomei [24. Aug.].
Und demnach an den teutschen schuelen den lie-
ben eltern und dem ganzen gemainen nutz nit wenig,
sonder merklich und hochgelegen, als well ein er-
barer rat zue desto mehr ernstlicher befürderung
derselben aus irem mitel jederzeit jemand darzue
auch verordnen und sollen die visitatores ir gleich
fleißig ufsehen und erkundigung haben, ob vermög
der kürchen- und schuelordnung, die liebe jugend in
dem catechismo wol instituiert, darneben auch in
den fürnembsten bueß- und dankpsalmen nit ailein
gesang-, sonder auch sprüchweis exerciert, dann ver-
ner, was zucht und disciplin gehalten und wie die
liebe jugend zum teutschen schreiben und der ar-
ithmetica angewisen werden.
Da dann in beeden lateinischen oder teutschen
schuelen erhebliche beschwerden und clagen der el-
tern halben mit versaumung, verwähnung20 oder
verhinderung der jugent und ander mehr weg wur-
den fürkommen, sollen und werden die herrn visi-
tatores darüber jederzeit, eraischender notturft
nach gebürend einsehen wissen fürzunemen oder
dasselbig umb mehr ernstlichs abstellen an das con-
sistorium gelangen lassen.
Dann die pfarren ußer der stat, einem erbarn rat
und dem hospital zugehörig, ist eines erbarn rats
will und meinung, das dieselben jedes jars einmal
ungevärlich umb Ostern visitiert werden.
Darzue dann ein erbarn rat dem herrn pfarrer als
superintendenten jederzeit ein person aus den gaist-
lichen consistorialibus und aus irem mittel jemand
beneben ainern taugenlichen schreiber will zugeben.
Die sollen und werden abermalen sowol bei den
pfarrherrn als zuhörern die ganze visitation und er-
kündigung fürnemlich nach eines erbarn rats kir-
chenordnung anstellen und dirigiern, beedes der
lehr und ceremonien halber, sonderlich
ob ein jeder pfarrer die eltern in seinem predigen
mit gebürendem fleiß und ernst erinnere und er-
19 = Lätare und die Woche vorher.
20 = Abweichung von der Gewohnheit (Schmeller
2, 933).

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