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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0379
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Kirchenordnung von 1579

fallen sein, so wöllen wir hiemit niemands beschwert
haben, sonder bei der weis, so bis anhero in der kür-
chen, darin das heilig evangelium rein gepredigt,
breuchig gewesen, bleiben lassen. Und sollen die
pfarrherr und andere kürchendiener die sünder zur
rechtschaffner christlicher bueß auf das vleißigest
und ernstlichest in dem predigen vermanen, nem-
lich: das ein jedlicher, so in schwere sünd gefallen,
sein sünd vor Gott erkenne, laß sie ime von herzen
laid sein, als dardurch er in Gottes ungnad gefallen,
hab den heiligen Geist verloren und sei von Christo
gewichen, hab auch die ewig verdamnus verdient.
Er soll aber sich wider zue Christo bekeren und von
herzen glauben, das sein sünd ime von wegen Jesu
Christi vergeben werden. Auch soll er fürohin sich vor
der sünd als vor seinem ewigen verderben hüeten
und widerumb in dem gehorsam göttlichs beruefs
eintreten. Das ist die summa der lehr von der rech-
ten, wahren christlichen bueß.
Wiewol nun solch gemein predig, darin der Herr
Christus für ein versöner unserer sünden gehalten
würd, an ir selbs ein absolution von unsern sünden
ist und, welcher sie mit rechtem glauben aufnembt,
der würd dardurch vor Gott im himmel von allen
sünden absolviert und entbunden. Welcher aber
nicht glaubet, dem werden alle seine sünd vorbehal-
ten. Jedoch, nachdem die predig des evangelions von
Christo nicht allein in der gemein, sondern auch ei-
nem jeden insonderheit, der es gebürlich begeret,
verkündigt werden solle, wie auch der Herr Christus
selbst vilen, wenigen und auch einem allein zu zeiten
gepredigt hat, so soll die sonderlich predig, die man
sonst privatam absolutionem nennet,nicht aufgeha-
ben, sonder in irem gebürlichen brauch bleiben;
dann der Herr Christus zue seinen aposteln sagt
(Johan. 20 [23]): Welchen ir die sünde erlasset, den
sein die erlassen, und, welchen ir sie behaltet, den
sein sie behalten. Gleichwie er hiemit nicht hat wöl-
len den aposteln und andern iren nachkommenden
kürchendienern ein volmechtigen, freien gewalt ge-
ben, ires gefallens aus sünden gerechtigkeit und aus
gerechtigkait sünde zu machen, auch nicht inen
haimgestellet, die sünder, ob sie schon unbueßfertig
sein, zu absolviern und die frommen, so sie nicht al-

29 Siehe Anm. 26!

les ires, der kürchendiener, aigens willens geleben,
zu verdammen, sonder hat inen hiemit bevolhen, das
evangelium von der verzeihung der sünden zu pre-
digen, das, wer daran glaub, dem werde durch sie
die sünd erlassen, wer aber nicht daran glaube, dem
werde durch sie die sünd behalten, also hat er auch
hiemit inen auferlegt, nicht allein einen großen hau-
fen, sonder auch einer einzelingen person das evan-
gelium von verzeihung der sünden durch Jesum
Christum zu predigen und demnach den, so daran
glaubt, von sünden zu absolviern, dem aber, der
nicht daran glaubt, die sünde zu behalten.
Darumb sollen die pfarrer iren pfarrverwanten
nicht allein die gemein, offenlich predig tun, sonder
inen auch iren dienst in sonderheit anpieten und
fürnemlich, wann sie das nachtmal Christi halten
wöllen, sollen sie die kürch vermanen, das ein jedli-
cher, der das nachtmal Christi zu empfahen gedenkt,
sich zuvor am abent anzeige und sein reu und laid
über die sünd bekenne, auch sein beger der absolu-
tion der verzeihung der sünden und sein furnemen
von den sünden abzustehen und fürohin in christ-
lichen gehorsam zu leben bezeuge, darmit niemand
das nachtmal Christi im selbs zur verdammnus und
der kürchen zur ergernus empfahe29.
Es soll aber hierin volgende ordnung gehalten
werden.
Anfänglich, so die kürch bei einander versamblet,
soll die vesper gehalten werden. Nach gehaltener
vesper, sollen die confitenten ein jeglicher in sonder-
heit verhört und nach gelegenhait der person freund-
lich und christlich underrichtet werden.
Und, so sich begebe, das etlich, die da ergerlich
lebten und mit groben laster beschwert weren, sich
unbußfertig hielten, gedechten auch nit, ir leben zu
bessern, denen soll der kürchendiener das nachtmal
zu empfahen, widerraten und inen bis auf ir besse-
rung abschlahen.
Da aber zu hohen festen oder andern zeiten die
anzal der confitenten so groß, daß sigillatim nit alle
insonderheit füeglich künden examinirt, underricht
und absolviert werden, stehet zue der herren kür-
chendiener christlichem bedenken, etlich in zim-

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