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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0383
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Kirchenordnung von 1579

chendiener das volk zur danksagung und gebet ge-
gen Gott wider ermanen, ohne gefar uf dise weise,
wie hernach volget.
Ordnung des gemeinen gebets und litanei44.
Das gemeine gebet offentlich in der kürchen zu
halten, ist nicht aus aigen selbst erdichten mensch-
lichem guetbedunken, aufkommen, sonder ist von
den heiligen patriarchen, propheten und aposteln
aus bewegung des Heiligen Geistes, fürnemlich in
großen schweren anligen und gefärlicheit als ein
mittel, göttliche hilf zu erlangen, gebrauchet wor-
den. So hat es auch ein offentlichen, apostolischen
bevelch: Ich ermane, sagt Paulus (1. Timo. 2 [1-4]),
das man vor allen dingen zuerst tue bit, gebet, für-
bitte und danksagung für alle menschen, für die
könig und alle oberkeit etc.
Und, das am ernstlichsten zu bedenken ist, so hat
unser Herr Christus selbst dem gemeinen gebet ein
treffenliche zusagung getun und sagt: ,,Wo zween
under euch eins werden auf erden, warumb es ist,
das sie piten wöllen, das solle inen widerfahrn von
meinem Vater im himel“ (Math. 18 [19]). Darumb,
nachdem der kürchen allerlai not und gefahr zu jeder
zeit begegnen, soll das gemein gebet in der kürchen
mit großem ernst geübet und nicht underlassen wer-
den.
Es sollen aber die kürchendiener das volk mit
allem vleiß underrichten, das das gemein gebet nicht
fruchtbar sei noch göttliche hilf erlange, es ge-
schehe dann von den bueßfertigen, die aus erkant-
nus der schwere irer sünden von denselbigen ab-
stehen, bössern ir leben und ruefen Gottes namen an
aus rechtem vertrauen von wegen und im namen
unsers lieben Herrn Jesu Christi, damit wir nicht
hören müssen, wie der Herr bei dem Esaia 1 [15ff.]
prediget: Wann ir schon euer hände ausbreitet, ver-
birge ich doch meine augen vor euch und obe ir
schon vil betet, höre ich euch doch nit, dann euer
hende sein vol bluets etc.
Darumb sollen die kürchendiener das gemein ge-
bet also üeben und treiben, das sie darbei das volk
zur bueß ermanen und inen wol einbülden, das kei-
44 bis Verweisungsziffer 45 aus Württemberg 1553
(Richter 2, 138. - Hauß-Zier 61ff.), wo dieser
Abschnitt nach der Ordnung des Abendmahlsgottes-
dientes kommt.

ner könde ein rechter beter sein, er seie dann zuvor
ein christlicher büeßer.
Wiewol nun das gebet, so uns unser Herr Christus
geleret hat, das Vater unser genant, an ime selbst ein
gemein gebet ist, soll auch als ein kurzer begrif und
summa aller andern christlichen gebet in allweg den
vorzug haben, jedoch, nachdem die andern gebet,
so in der heiligen schrift und sonderlich im psalter
begriffen oder aus den sprüchen der heiligen schrift
uf ein gegenwertige not gezogen, ein erclärung und
auslegung des Vaters unsers seind, so sollen sie nicht
verworfen, sonder neben und mit dem Vater unser
zue seiner zeit geüebt und gebraucht werden.
Es seind aber zwaierlai form des gemeinen offent-
lich gebets: eine, die das gebet unser not, anligen
und beger etwas weitläufig ausfüern, und solcher
form sollen sich die kürchendiener auf die sontag
und andere feiertag gleich nach der predig gebrau-
chen.
Vorrede des gemeinen gebets.
Nachdem wir bei einander in Gottes namen ver-
samlet seind und uns bevolhen ist, das wir Gott in
aller unser not sollen anruefen, auch für meniglich
unser fürbitte tun, zu welchem wir die zusagung
unsers lieben Herrn Jesu Christi haben (Math. 18.
[19]): Wo zween under euch eins werden auf erden,
warumb es ist das sie piten wöllen, das sol inen von
meinem Vater im himel widerfahren, und: Bittet, so
würd euch gegeben! Suechet, so werdet ir finden!
Klopfet an, so würd euch aufgeton (Math. 7. [7])45!
Hierauf laßt uns aus wahrem vertrauen zue gött-
licher barmherzigkait durch unsern Herrn Jesum
Christum, miteinander also beten etc.
Oder46:
Ir geliebten in Christo! Dieweil wir alle glider
eines leibs seind, welches haupt Christus ist, so soll
sich je ein glid des andern annemen und für einander
piten. Das sollen wir aus bevelch unsern Herrn
Christi und seines heiligen apostels Sant Pauli von
herzen geren tun. Betet derwegen mit mir also!
Allmechtiger, barmherziger, ewiger Gott und Va-
ter unsers Herrn Jesu Christi, ein Herr himels und
45 Vgl. Anm. 44!
46 Aus der württembergischen KO (Hauß-Zier 70ff.).

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