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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0407
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Kirchenordnung von 1579

verlassen. (Psal. 9 [1-13]; Josue 10 [12ff.]; Esaie
38 [5-8]).
Neben dem, so ruefet auch der Sohn Gottes alle
betrüebte zu im und versprücht inen hülf (Math. 11
[28f.]): Kompt alle, sagt er, zu mir, die ir beschwert
und beladen sein! Ich will euch erquicken.
Nun seind die kranken nicht die geringsten under
den beschwerten und beladnen als die, so nicht al-
lein irer leiblichen krankhait halben, sonder auch
von wegen der sünden, des todes und der verdamm-
nus, deren sie durch die krankheit erinnert werden,
große beschwerliche bekümmernus und anfechtung
haben. Darumb sollen sich auch die kürchendiener
der kranken, so ires kürchendiensts begeren mit
allem ernst und vleiß annehmen und denselben ver-
mäg ires beruefs christlich trost beweisen.
Es sicht uns auch aus allerlai bewegenden ursachen
für guet an, das die kürchendiener auch denen kran-
ken, so irer nit begeren, ihren gueten willen und
dienst durch sich selbs oder ire verwanten und zu-
getonen erzaigen und anbieten.
Und nachdem die betrüebten beid durch predig
und sacrament getröst werden mögen, so soll ein
kürchendiener, der zu einem kranken beruefen würd,
anfenglich warnemen, wie es mit dem kranken der
beschwerde und bekümmernus halben ein gestalt
habe, nemlich ob er ime allein den leiblichen schmer-
zen laß anligen oder ob er auch der sünden und umb
der verdammnus halben beschwerd trage. Wie es
nun der kirchendiener befindt, also soll er auch sein
underweisung und tröstung mit erclärung göttliches
zorns und gnaden darnach richten, das der unacht-
sam in erkanntnus seiner sünde und daruf zur be-
gird göttlicher gnaden gefüeret, der betrüebt aber
und erschröckt in seinem gewissen mit dem evan-
gelio getröst werde.
Darnach solle der kürchendiener sich gegen dem
kranken halten mit erzehlung der gemeinen offent-
lichen beicht und absolvierung, wie es mit den gsun-
den gehalten und hieoben under dem titel von der
bueß und absolution beschriben ist.
Und dieweil das sacrament des nachtmals von
unserm Herrn dahin gemaint und verordnet ist, das
durch desselben nießung das blöd, zaghaft gewissen

in rechtem glauben und vertrauen gesterkt werde,
und aber der krank in ansehung, das er durch
schwachheit des leibs zur sckwachheit des glaubens
vilfaltig geraizet und in allerlai anfechtung gezogen
würd, der störkung des glaubens fast nottürftig ist,
so soll er auch uf sein christlich gebürlich beger und
bekanntnus seiner sünd, auch glaubens in Jesum
Christum mit dem sacrament des nachtmals ver-
sehen werden.
Dann wiewol das nachtmal fürnemlich in gemei-
ner versammlung der kürchen zu halten ist, jedoch
dieweil Christus spricht: Wo zween oder drei in
meinem namen zusammenkommen, bin ich mitten
under inen [Matth. 18, 19], so gibt er hiemit zu ver-
steen, das auch ein kürch Christi sei, wo sich ein
kürchendiener und ain kranker im namen Christ
beieinander finden. So ist der krank, der warhaftig
in Christum glaubt, nicht weniger ein glid Christi
und der kürchen dann ein gesunder, hat auch sein
gerechtigkeit35 zue den güetern der christlichen kür-
chen, under welchen das sacrament des nachtmals
nicht das geringst ist, eben als wol als die gesunden.
Darumb solle im das nachtmal auf sein geburlich
beger keinswegs abgeschlagen werden.
Es soll aber der pfarrherr die leut vermanen, das
sie in ir krankheit mit dem begeren des sacraments,
nicht bis uf die letst not verziehen, sonder sich bei
zeit lassen anzeigen, damit sie zuvor verhöret, un-
derricht und getröst werden mögen.
So nun der kürchendiener auf die underrichtung,
bekanntnus der sünden und absolution wie oben ver-
meldet (welches ein tag, so es gesein mag, oder auf
das wenigst etlich stund vor der empfahung des
nachtmals mit dem kranken verrichtet werden
soll), das nachtmal bei dem kranken zu halten für-
nembt, soll er es allerding mit der vermanung,
gebet und verlesen der stiftung Christi, wie hie oben
im capitel vom nachtmal Christi beschriben ist,
ausrichten.
Jedoch, so die not des kranken dermaßen so groß
würde, das es langen verzug nicht erleiden möcht,
mag die vermanung ausgelassen, das gebet aber und
die wort der stiftung Christi sollen in allweg ge-
sprochen und daruf der kranke mit dem sacrament

35 = Recht auf etwas (Schmeller 2, 31. - Grimm 4 I
2, 3611f.)

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