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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0031
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schädigung dafür den gewaltigen Zuwachs an säkularisierten und mediatisierten Gebieten, die 1806 das
Königreich Bayern erstehen ließen, nachdem dem Lande bereits 1803 das Religionsedikt allgemeine
Religions- und Gewissensfreiheit gebracht hatte.
Die Kirchenordnungen1
Die im Gebiet verwendeten Kirchenordnungen trugen sehr verschiedene Gepräge. Dabei ist zu unter-
scheiden zwischen gottesdienstlichen und verfassungsrechtlichen Ordnungen.
Bei ersteren stammte nur selten etwas aus den betreffenden Kirchengebieten selbst. Zur Schaffung
eigener Gottesdienstordnungen war es, als im baierischen Reichskreis mit der Durchführung der Refor-
mation begonnen wurde, bereits zu spät. Damals waren die großen Kirchenordnungen schon ausgebildet.
Immerhin stehen doch einige beachtliche Versuche am Anfang. Sonst aber stammte fast alles - wenig-
stens im Ansatz - aus anderen Ordnungen, und dabei kam so ziemlich der ganze Reichtum der deutschen
Ordnungen in seiner bunten Mannigfaltigkeit zur Verwendung. Sie gehören verschiedenen Familien an:
der nürnbergischen, der sächsischen, der mecklenburgischen, der württembergischen und der Heidelberger.
Was aus der Familie der brandenburgisch-nürnbergischen Kirchenordnung Verwendung fand,
wurde so stark mit selbständigem Gut durchsetzt, daß man diese Sonderverwandtschaft im Rahmen
aller auf Luthers Formula missae zurückgehenden Ordnungen fast hintanstellen möchte. Das gilt schon
für Amberg2, wo interessante, durchaus eigene Stücke geschaffen wurden. Erst recht ist hier Regensburg
zu nennen, dessen Selbständigkeit bisher zu wenig beachtet wurde. Ebenso möchte man Ottheinrichs Ord-
nung von 1543 doch auch für eine bodenständige Schöpfung halten, weil - abgesehen von selbständigen
Stücken - nicht nur Osiander dazu von Ottheinrich beauftragt war, sondern mehr noch, weil der Landes-
herr selbst an ihrer Ausarbeitung Anteil nahm.
Was hier entstand, sind selbständige Spielformen der brandenburgischen Ordnung.
Nicht recht viel anders ist es beim Einfluß einer anderen Spielform dieser Kirchenordnung: beim
Agendbüchlein Veit Dietrichs, das 1543 erstmals erschien3 und als hier besonders in Betracht kom-
mende Eigenart den Einschub der Katechismusstücke in den Aufbau der Messe zeigt. Diese Ordnung
wurde unverändert in Vilseck4 und in der Grafschaft Haag eingeführt. Als Grundlage zu selbständiger
Weiterbildung diente sie in Regensburg, der Grafschaft Ortenburg und den Herrschaften Rothenberg und
Wolfstein.
Nach dem Bruch des Grafen Ladislaus mit Regensburg wurde 1563 in der Grafschaft Haag die
nürnbergische Ordnung eingeführt. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß damit nur das
Agendbüchlein gemeint war. Der Graf hatte aber Schwierigkeiten, Geistliche zu bekommen, die das von
ihm gewünschte Meßgewand tragen wollten5.
Regensburg beschränkte sich auf die Übernahme der Katechismusstücke, baute sonst aber selb-
ständig weiter. Die Hausväter wurden zur Abhaltung häuslichen Katechismusunterrichtes ermahnt. Sie
erhielten dazu in einer ,,Kurzen Summa“ den Lehrstoff dargeboten. Außerdem wurde dazu Katechis-
musunterricht für Erwachsene, eine - freilich durchaus freiwillige - Vorstufe des kalvinischen Insti-
tutionswerkes in der Oberpfalz, eingeführt. Einen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in der Kir-
chenregimentsordnung von 1556 und in der Kirchenordnung des Gallus — ein Zeichen dafür, daß die
beiden dafür verantwortlichen Männer - Hiltner und Gallus - auch schon in den früheren Stufen ent-
scheidend dafür tätig waren.
1 Einzelnachweisungen erübrigen sich hier im Blick auf die besonderen Einleitungen.
2 Siehe unten S. 282—294! 3 Sehling 11, 487—553. 4 Weigel, Vilseck 92.
5 MHStA, Grafschaft Haag Lit. 16 If. 124-127 (diesen Hinweis verdanke ich Herrn Hans Rößler in München). -
Götz- Theobald Nr. 39.

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