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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0054
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geworden war. Die Artikel, die inzwischen von 68 auf 76 angewachsen waren32, wurden endgültig an-
genommen und schließlich unter dem 20. Februar 1576 verabschiedet33.
Diese Generalartikel sind ein umfassendes gesetzgeberisches Werk für die ganze äußere Ordnung
des Kirchenwesens. Es besteht freilich aus einer ziemlich unorganischen Aneinanderreihung einzelner
Artikel, die bald kleine Einzelvorschriften, bald große Ordnungen enthalten, wie etwa in den ausführ-
lichen, tiefschürfenden Kirchenzuchtordnungen (bis hin zum großen Kirchenbann)34 oder in der ein-
gehenden Ordnung des Gemeinen Kastens35. Dafür aber werden auch nicht nurfür die einzelnen Fragen
und Anliegen feste Verordnungen erlassen, sondern auch recht oft eingehende theologische und kirchen-
rechtliche Begründungen beigefügt.
Beachtung verdient auch die bei aller lutherischen Entschiedenheit ökumenische Weite bis hin zur
Abendmahlsgemeinschaft in Notfällen mit den Kalvinisten der Kuroberpfalz36.
Zum Druck gelangte dieses Werk nicht im ganzen Umfang, doch erschien wenigstens 1579 ein
„Auszug aus den Generalvisitationsartikeln des fürstentumbs Neuburg“.
Dabei wurde aber - offenbar durch ein bloßes Versehen - dem Werk ein völlig unbegründeter und
irreführender Name beigelegt; denn von einer Generalvisitation ist in ihm nirgends die Rede, und die
allgemeinen Anweisungen für die Spezialvisitation stehen völlig im Hintergrund.
Die Generalartikel fanden noch ein kleines Nachspiel. Sie enthielten verschiedene Bestimmungen,
die Hofmarksherren, adeligen Patronen und Städten Verpflichtungen auferlegten. Es ist natürlich, daß
sich dabei vielfach der Adel in seinen Rechten beeinträchtigt sah. So beklagte sich der Herr von König-
stein nicht nur über die Visitationen in seinen Pfarreien überhaupt, sondern auch besonders über die
Abschaffung des Atz- und Lehensgeldes, über die Abschaffung der abgöttischen Bilder, über die Ab-
schaffung des Nebel- und Wetterläutens und über die Einführung des Katechismusunterrichtes37. Sit-
zinger schrieb in das ihm vom Pfalzgrafen übersandte Exemplar: ,,Wie mich fürstliche durchlaucht
bericht, so sollen dise artikel von den landsässen nit angenomen sein.“38 Der Herzog mußte deshalb 1586
auf dem Landtag eine beruhigende Erklärung abgeben39.
Nach Abschluß dieses großen Kirchengesetzbuches fand auch die äußere Organisation ihre Krö-
nung: der Kirchenrat wurde am 7. Juni 1576 zu einem schon in allen Kirchenordnungen der jüngeren
Zeit angekündigten Konsistorium ausgebaut. Der Plan dieser Konsistorialordnung stammte von Jakob
Andreä40, beruhte also auf der württembergischen Kirchenratsordnung von 155941. Sie zeigt aber ein
durchaus selbständiges Gepräge42. Zuletzt folgte noch eine neue Eheordnung. Sie wurde zwar schon im
32 Der Entwurf aus dem Jahr 1574 (in Neuburg StA. PfNA 6905) ist sehr viel wortreicher und füllt z. B. bis zu
seinem Artikel 45 (in der endgültigen Fassung 42), bei dem er mitten im Satz abbricht, hereits 169 Blätter. Allein
die beiden Artikel 20 (Wetterläuten) und 21 (Zauberei) füllen die Blätter 89 his 137. Er ist daher in jeder Hinsicht
von ganz hesonderem Wert.
33 Rabus 58. — Der Bericht über den Synodus: Neuburg StA Grasseggersammlung 15 327. — Unsere Nr. I 20. —
Böhaimb 22, 14f.
34 Auf sie (in Artikel 8 auf S. 185) soll besonders hingewiesen werden. Sie zeigen bei entsprechend verschiedenen
Kirchen- und Staatsbegriffen und damit verschiedenen Vorstellungen über das gegenseitige Verhältnis von Kirche
und Staat die gleichen gegeneinander stehenden Kräfte, wie sie in Schwaben etwa auf der Seite Lindaus einerseits
und Memmingens anderseits (Sehling 12, 182f. 229) zu beobachten sind. Jetzt wurde der ursprüngliche Ansatz,
der von einer selbständigen Kirche im Staat ausging, durch die staatliche Seite, eben weil sie sich durchaus als
Corpus christianum verstehen wollte, umgebogen in eine Mischform. Leider läßt sich nicht erkennen, ob hier ein
besonderes Vorkommnis auslösend wirkte oder ob sich darin (was um der weiteren Ausführungen willen wahr-
scheinlicher ist) einfach die theologisch-politische Einstellung Sitzingers auslebte.
35 Siehe unten S. 215. - Dieser Abschnitt mit seiner warmen Fürsorge für Hilfsbedürftige verdient besondere Beach-
tung (Reigel).
36 Art. 62 (S. 229). 37 MHStA PfNA 1290 f. 162. 38 NLA 4°. 557.
39 Böhaimb 22. 40 Tretzel 8. - Brock 58. 41 Richter 2, 218-222.
42 Unsere Nr. I 21.

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