Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0067
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I 2 Kirchenordnung von 1543

Nachdem der chresem ein alt hergebrachte cere-
monia ist, einer sonderlichen bedeutung als nemb-
lich, wie im alten testament aus Gottis befelch allein
die könig5, priester und propheten gesalbet sein, wir
aber christen, von Christo Jesu, unserm Herrn,
durch den Heiligen Geist zu einem königlichen prie-
stertumb6 geistlich gesalbet werden und also von
Christo auch christen, das ist: gesalbete heißen, ha-
ben auch die väter, dasselbig in der tauf anzuzeigen,
dise eußerliche ceremonia gebraucht und die chri-
sten mit dem chresem gesalbet zur bedeutung, das
sie mit dem Heiligen Geist als geistliche könig und
priester gesalbet sein wie dann etliche ostercollecten
ausweisen.
Und7, so dann solche ceremonia, der gestalt und
meinung gebraucht, nicht schedlich noch dem glau-
ben abbrüchig ist, wöllen wir sie noch zur zeit, wie
obgemelt, bleiben lassen. Darneben aber sol gleich-
wol das volk genugsam unterricht werden, das allein
der Heilig Geist in der tauf uns salbe und zu christen
mache und gar nicht der chresem, der solcher geist-
lichen salbung nur ein deutung ist; das auch die-
jenigen, so gleich mit dem chresem nicht gesalbt,
nichts dester minder volkommenlich christen und
inen das gar nicht schedlich sei, darumb auch un-
nötig, die kinder, so in der eil und not von weibern
oder sonst getauft, nachfolgends zu chresems; dann
also möchte es als notwendig angesehen werden8 *.
Und eben also sol es auch vom salz, welchs göt-
liche weisheit bedeutet, verstanden und gehalten
werden.b
9Und sintemal die tauf unser, der christen, bunds-
zeichen ist im neuen testament, gleich wie die be-
schneidung der Juden in dem alten testament, so sol
man die kindlein auf begern irer eltern aufs erst und
fürderlichst taufen, dann auch die kindlein nach
dem befelch Gottis (Genesis am 17. [12]) am achten
tag beschnitten wurden. Und Christus spricht: Wer
nicht aus wasser und geist widergeborn wirt, der
5 Salbungen von Königen z.B. 1. Sam. 16, 3; 2. Sam.
12, 7; von Priestern 3. Mos. 4, 1; 4. Mos. 35, 25; von
Propheten 1. Kön. 19, 16.
6 1. Petr. 2, 9.
7 Der Absatz stammt zwar aus 1540, entspricht aber
ganz der eigenen Ansicht Osianders. Dieser hatte ja
in seiner in Nürnberg verwendeten Taufordnung

mög Gottis reich nicht sehen [Joh. 3. 3]. Und Paulus
nennet die tauf ein bad der widergeburt [Tit. 3. 5].
Nun müssen ja die kindlein, wie jung geborn sie sein,
widergeborn werden, sollen sie anderst in Gottis
reich kommen. Darzu sein wir on zweifel. Die apo-
stel haben auch kinder getauft, dieweil die heilige
schrift mer dann an einem ort [Apg. 16. 33; 1. Kor.
1. 16] bezeuget, das sie ganze hausgesind getauft
haben und ist gewiß, das niemand mit der Heiligen
Schrift ein anders und widerwertiges kan beweisen.
Die pfarrherrn und kirchendiener aber sollen mit
allem fleiß darob sein, das zu solchem nötigen werk
der christlichen tauf verstendige gevattern genom-
men werden, die da wissen, warumb sie da seien, auf
das die tauf mit rechter andacht, zucht und dapfer-
keit gehandelt werde. Sie sollen auch ir selbs wol
warnemen, das sie nicht leichtfertig, unbesunnen,
verdrossen oder weinig seien, damit sie die christ-
lichen gebet und zuvor die wort, daran die tauf für-
nemblich gelegen ist, verstendiglich und ernstlich
sprechen, auf das sie nicht die umbstehnden zu-
hörer zur leichtfertigkeit bewegen oder ergern,
sonder vil mer andacht und gute christliche gedan-
ken bewegen.
Desgleichen sollen sie auch das volk, so darbei ist,
sonderlich aber die kinder vermanen und darzu hal-
ten, das sie alle leichtfertigkeit, unzucht und erger-
nus vermeiden und dargegen Got den Allmechtigen
umb gnad, heil, glauben und seligkeit des taufkinds
bitten, dieweil uns Christus so trostlich hat zugesagt,
was wir in seinem namen bitten, das wöl er uns ge-
ben [Joh. 14. 13f.], auch das sie fleißig bedenken, das
sie auch also getauft worden, dem bösen feind wider-
sagt und Christus angezogen haben, auf das sie irem
zusagen fleißig nachkommen, der sünde widerstand
tuen und im glauben an Christum verharren bis ans
ende.
Und solche zucht, ernst und andacht wird on
zweifel folgen, nicht allein bei den kirchendienern,
schon im Titel vermerkt: „Hierin ist aus etlichen
ursachen, was die andern als überflüssig veracht
haben, nicht ausgelassen“ (Sehling 11, 33), womit
er sich deutlich gegen Luthers Taufbüchlein ver-
deutscht gewandt hatte.
8 Siehe 4!
8-13 (Seite 48) Aus 1533 (Sehling 11, 175-177).

47
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften