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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0071
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I 2 Kirchenordnung von 1543

Hie lese er dis evangelion [Mark. 10. 13-16]:
In derselben zeit brachten sie kindlein zu Jesu,
das er sie anrüret. Die jünger aber furen die an, die
sie trugen. Da es aber Jesus sahe, ward er unwillig
und sprach zu inen: Laßt die kindlein zu mir kom-
men und wehret in nicht; dann solcher ist das reich
Gottis. Warlich, ich sag euch, wer das reich Gottis
nicht empfahet als ein kindlein, der wird nicht hin-
einkommen, und er herzet sie und leget die hend auf
sie und segnet sie.
Darnach sprech er weiter:
Und dieweil wir aus jetz gehörten worten unsers
Herrn Jesu Christi des gewiß und sicher sein, das
dises kindlein zum reich der gnaden auch angenomen
ist, so wöllen wir bitten, das es darinnen bestendig
erhalten und selig werd.
Laßt uns beten!
Der almechtig Got und Vater unsers Herrn Jesu
Christi, der dich durchs wasser und Heiligen Geist
anderwert geborn und dir all dein sünd vergeben
hat, der sterk dich mit seiner gnad zum ewigen
leben! Amen. Der frid sei mit dir!
Wurden aber die leut, so das kindlein zur tauf
bringen, auf des pfarherrns frage ungewisse antwort
geben und sagen, sie wußten nicht, was sie in sol-
cher not und schrecken gedacht, vil weniger (wie
dann oftmals zu geschehen pfleget), was sie geredt
oder geton hetten etc., so mache man nur nicht vil
disputirens, sonder neme das kind und fürder es zur
tauf wie alle andre ungetaufte kinder on meldung
einicherlei condition17, wie nachvolgende ordnung
ausweiset.

c 1543 II +: Ein kleiner taufform.
17 Die Wiederholung einer Taufe war kirchlich unzu-
lässig, ja reichsrechtlich sogar mit Todesstrafe be-
droht. In manchen Fällen ließ sich jedoch der tat-
sächliche, gültige Taufvollzug nicht nachweisen. Da-
mit nun aber ein solcher Mensch nicht unter Um-
ständen ohne den Segen der Taufe blieb, bildete sich
schon im 9. Jahrhundert eine bedingte Taufe heraus.
Sie wurde seit Papst Alexander III. (1159-1181)
maßgebend. Dabei sprach der Täufer unmittelbar
vor der Taufformel die Worte ,,Si es baptizatus, non
te baptizo. Si non es baptizatus...“ (Hinschius 4,
463. - Hartmann 529f. - Agenda biijv. - Franz
Lau, Die Konditional- oder Eventualtaufe und die

c
Ordnung der tauf.18
19Erstlich soll der priester fragen20, wes das kind
sei, wie es heißen soll und ob es nicht jachtauft sei,
wie vor gemelt. Und wo dann nicht, soll er nach-
volgende vermanung tun:
Lieben freund in Christo! Wir hören alle tag aus
Gottis wort, erfaren auch beide an unserm leben und
sterben, das wir vom Adam her allesampt in sünden
empfangen und geborn werden, darinnen wir dann
unter Gottis zorn in ewigkeit verdampt und ver-
loren sein mußten, wo uns nicht durch den einge-
bornen Sun Gottis, unsern lieben Herrn Jesum
Christum, daraus geholfen were.
Dieweil dann dises gegenwertigs kindlein in seiner
natur mit gleicher sünde, inmaßen wie wir, auch ver-
giftet und verunreiniget ist, derhalben es auch des
ewigen tods und verdamnus sein und bleiben muste,
und aber Gott, der Vater aller gnaden und barmher-
zigkeit, seinen Sun Christum der ganzen welt und
also auch den kindlein nit weniger dann den alten
verheißen und gesant hat, welcher auch der ganzen
welt sünde getragen und die armen kindlein gleich
sowol als die alten von sünd, tod und verdamnus er-
löset und selig gemacht hat und befohlen, man sol
sie zu im bringen, das sie gesegnet werden,
derhalben, so wöllet ir euch aus christlicher lieb
dises gegenwertigen armen kindleins gegen Got dem
Herrn mit ernst annemen, dasselbig dem Herrn
Christo fürtragen, umb vergebung der sünden und,
das es in sein reich der gnaden und seligkeit auch

Frage nach ihrem Recht in der lutherischen Kirche,
in: Lutherjahrbuch 25 [1958] 110-140. — Sehling
11, 38).
18 Vgl. dazu Höfling 2, 50-63; Sehling 3, 55-59.
Ganz nach 1540.
19-30 (Seite 56) 1543 II ersetzt durch die unten S. 100
mit 102 wiedergegebene Ordnung, beginnend mit:
,,Der taufer sprech...“ und endend mit dem Ende
des Schlußgebets: „...selig werde. Amen.“
20 Wie sich aus der Anweisung Seite 55 ergibt, er-
folgt dieser ganze erste Teil der Taufe vor der
Kirche.

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