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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0077
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I 2 Kirchenordnung von 1543

unwirdiglich gehandelt und von den unwirdigen
empfangen wirt. Derhalben sollen die pfarrherrn
niemand zum heiligen sacrament zu gehn gestatten,
er habe sich dann zuvor angezeigt und unterricht
und absolution gebeten und empfangen. Es sollen
in2 auch die pfarrherren zu solcher verhör weil genug
nemen und nicht gestatten, das ir vil miteinander
ein gemeine beicht tuen, sonder ein jeder sol für sich
selbst sein beicht tun und absolution begern.
Man sol auch das volk unterweisen, das sie glau-
ben und garnicht zweifeln, dieweil der priester da
sitzt nicht an eines schlechten menschen statt, son-
der an der statt Christi, fürt und braucht auch nach
dem befelch Christi sein götliche wort zu der ent-
bindung oder behaltung der sünden, das Christus
selbs das beichtkind durch den mund des priesters,
der in disem werk ein diener Christi ist, absolvir und
ledig sprech von sünden. Dann wir sind doch des
gewiß durch das heilig evangelion, das Christus die
schlüssel des himels den dienern des worts und der
kirchen (welche Paulus austeiler der geheimnus
Christi nennet) seiner heiligen kirchen zu gut aus
sondern gnaden hat befolhen und wil auch selbs
uber solchem seinem befelch halten, das alles, was
sie vergeben werden, sol vergeben sein und alles, was
sie binden werden, das sol gebunden sein. Daraus
dann gewißlich folget, das die, so nach der beicht,
mit rechter herzlicher reu geton, durch den priester
absolvirt werden, die sein für Gott absolvirt und
die, so ein getichte beicht on reu und guoten fürsatz,
ir leben mit Gottis hilf zu bessern, zu einem falschen
schein tun und fürwenden, so sie derhalben vom
priester gebunden und nicht absolvirt werden, das
sie vor Gott gewißlich unabsolvirt bleiben. Der-
halben sollen wir nicht weniger von der absolution
des priesters halten, dann wenn Christus leibhaftig
bei uns were und uns durch seinen eignen mund ab-
solviret, wie er die sünderin Luce am 7. [48] und den
gichtbrüchigen Marci 2[5] und die ehebrecherin Jo-
hannis 8 [11] absolviret hat.
3Dieweil nun die beicht und privata oder sonder-
liche absolutio dermaßen zu guter unterrichtung
und kreftigem trost der gewissen dienet, fürnemb-
lich darumb, das sie auf ein jede person in sonder-

heit gerichtet ist, wie dann der Herr Christus zu der
sünderin sprach: Dir sein dein sünd vergeben [Luk.
7, 48], so sol sie keineswegs aus dem brauch fallen,
sonder mit allem fleiß gefordert und erhalten wer-
den. Doch sol der mißbrauch, das sie auf ein gewise
zeit erzwungen ist worden, aufgehoben sein, auch
niemand mit unmöglicher erzelung aller sünde, die
auch nicht geboten ist, bescliweret werden, sonder:
Wer sein gebrechen durch göttliche gnad und er-
innerung seines heiligen worts erkennet (wie dann
ein jeder, so er in sich selbs gehet, genugsam zu fin-
den hat) und darüber rat und solche heilsame arznei
bei dem priester suchet, wann und wie oft das ge-
schicht, er wölle gleich zum heiligen sacrament
gehn oder nicht, sol es im nicht geweigert, sonder rat,
trost und absolution mitgeteilt werden.
Dargegen aber sol der mißbrauch, so an etlichen
orten zu verhinderung der nötigen straf, der offen-
lichen und unbuoßfertigen sünder fürgenommen,
nemblich, das etwo vil personen zu gleich auf ein
haufen nur ein gemeine oder aber auch wol gar kein
beicht tun und dannoch offenlich absolution fordern
und empfahen und es also darbei lassen wenden,
gar nicht gestattet, sonder ein jeder allein für sich
selbs notturftiglich gehört, angeredet, unterrichtet
und alsdann in kraft des befelchs Christi absolvirt
werden.
Und auf das es ja ordenlich zugehe und alle miß-
breuch, sovil müglich, verhütet werden, sol man
dem volk ansagen, wer das heilig sacrament wöll
empfahen, das er sich des abends zuvor oder wo es
von ferre des wegs oder von anderer zufell wegen
nicht sein könt, des morgens vor der meßzeit dem
pfarrherrn oder einem andern kirchendiener persön-
lich anzeige. Denn on solche vorgehnde anzeigung
soll niemand das heilig sacrament gereicht werden,
sintemal sich sonst vil ungeschicklicheit könten be-
geben, die nicht allein denen, die sie teten, sonder
auch denjenigen, so ursach darzu geben, zu großen
und greulichen sünden möchten geraten.
Denn wir hören und erfaren, das etwo schwermer
und andre glaublose leut, die gar nichts vom heiligen
sacrament halten, allein zu einem gespöt hinzu gehn,
3-3 Aus 1540 (Sehling 3, 59-62).

2 = ihnen (mundartlich = sich).
 
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