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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0135
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I 11 Edikt über Eheordnung und verschiedene Laster 1555

meidung unser ungnad auch ernstlicher straf sich
keineswegs eelich miteinander verloben oder noch
weniger beieinander schlafen sollen.
Wurde aber die jugent und sonderlich diejenigen,
so das fünfundzwainzigst jar erstanden, durch ire
eltern, vormund oder freund one erhebliche genug-
same ursachen am eestand verhindert oder verkurzt,
darauf die pfarrer, kirchendiener und verordnete
amptleut, auch bürgermaister und rate ir achtung
geben sollen, und solichs uns oder unsern eerichtern
fürbrachte, den sol, sovil recht und billich, rate ge-
schafft werden.
Wir gebieten auch ernstlich und wöllen, daß nie-
mand eelich beischlafen noch hochzeit halten sol, er
sei dann zuvor drei underschidliche sontage an off-
ner canzel durch ainen unsern pfarherr oder predi-
canten verkündigt worden. Das auch unsere pfar-
herr und kirchendiener kain verlübd eevolk verkün-
digen oder verrufen sollen, er hab sich dann darvor
erkündigt, das dieselb ee mit rate, wissen und ver-
gunst der eltern, vormunder oder nechsten freund
beschlossen und zugelassen, das auch der sipt- und
blutverwandnus halb kain verhindernus da sei.
Wolten und wurden sich auch personen eelich zu-
samen verpflichten, die frembd, gar unbefreundt,
auch unvervormundt weren, die sollen solchs zum
wenigsten vor zwaien erbern manspersonen tun,
sunst aber das gelübd für kain ee gehalten werden, es
würde dann durch unsere eerichter darfür erkent.
Füegte sich dann, das ainige weibspersonen mit
listen hinderkummen4, uberredt, haimlich mit wil-
len oder durch zwang hingefuert, geschwecht oder
geschwengert würde, ob sie gleich die ee ainander
versprochen, so sol es doch nit allain kain ee haißen
noch sein, sondern an leib, leben oder gut, nach ge-
stalt des fals, bestraft und darnach allererst durch un-
sere eerichter erkant werden, ob es ein ee sei oder nit.

4 = betrogen (Schmeller 1, 1248).
5 = zum andern Mal (Schmeller 2, 855).
6 Partikel im Sinne von ,,als“ (Schmeller 1, 103f.);
,,ehe und“ also = bevor.
7 tedingen = taidingen = durch Verhandlung regeln
(Schmeller 1, 585).
8 = quattuor tempora, nach dem Beginn der sog.
Quartemberfasten (Mittwoch mit Samstag) an den
8*

Ferrer, wann ainige eeschaidung gerichtlich ge-
schicht (anderst sol kaine gelten noch stat haben),
so sol der schüldig tail, so lang der unschüldig sein
eegenoß noch im leben ist, zu kainem andern estand
mehr zugelassen, auch dem unschüldigen nit anderst,
dann durch gerichtliche erkantnus anderweit5 zu
heiraten gestat werden.
Hiebei ermanen und begeren wir gnediglich, das
alle unsere pfarherr, kirchendiener, ampt- und be-
felchleut, auch bürgermaister und rate wollen und
sollen möglichen vleiß ankeren, die unainigkeit und
offentliche zwitracht zwischen den eeleuten guetlich
beizulegen und, obgleich eeschaidung furgangen
wern, dieselben personen, ehe und6 sich der un-
schüldig tail wider verheirat, widerumb zu ver-
sunen und zusamenzutedingen.7
Es sol auch in unserm fürstentumb der uneelich
beisitz kainswegs gestatt, sonder derselb genzlich ab-
geschaft und gestraft werden.
Beschließlich ist unser befelch und ernstliche mai-
nung, damit sich durch unwissenhait niemand zu
entschüldigen hab, das dieses unser edict järlich
viermal zu den quatemberzeiten8 durch ainen je-
den unsern pfarrer an der canzl offentlich verlesen
und durch unsere amptleut steif darob gehalten und
mit gebürlicher straf niemand verschont werden.
Weiter füren wir bülich zu herzen, wiewol Gott
der Allmechtig den sibenden tage, zu des menschen
rue und ubung im dienst Gottes zuzebringen, zu
heiligen und die handarbeit zu underlassen, gepoten
hat, so erfindt sich doch leider, das zu kainer andern
zeit mehr leichtfertigkait, untugent, mord, verwun-
den, gottslesterung, füllerei, eepruch und derglei-
chen ubels dann eben an den feirtägen fürgehen.
Solchem auch zu steuern und vorzukummen, ge-
pieten und schaffen wir hiemit ernstlich bei vermei-
dung unser strafe und ungenade, das sich an dem
heiligen sontag und andern in unser kirchenordnung
benenten feirtägen9 vor und unter der predig und
Mittwochen nach Invocavit (1. Fastensonntag =
6. Sonntag vor Ostern), nach Pfingsten, nach Kreuz-
erhöhung (14. Sept.) und nach Luciä (13. Dez.)
(H. Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittel-
alters und der Neuzeit. 1 [Hannover 1891] 160 f.).
9 nämlich Neujahr (1. Jan.), Epiphanias (6. Jan.),
Mariä Lichtmeß (2. Febr.), Matthias (24. Febr.),
Mariä Verkündigung (25. März), Ostermontag, Phi-

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