Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

I 12. Verordnung gegen die Wiedertäufer
vom 9. Mai 1558.

Zu wissen sei aller meniglich hiemit, das der
durchleuchtigst hochgeborn fürst und herr, herr
Otthainrich, pfalzgrave bei Rein, des hailigen romi-
schen reichs erztruchseß und churfürst, herzog in
nidern und obern Bairn etc., unser gnedigster herr,
als ein treuer, christlicher churfürst neben andern
hochwichtigen gescheften auch betracht und mit-
leidenlich zu herzen gefürt hat, was unrats der
schadlich irtumb der widertäufer nit allain in der
christlichen gemaind und kirchen, sondern auch in
der eußerlichen policei und regierung gebiert. Dar-
umb und, demselben zeitlich zu begegnen, ir chur-
fürstliche gnade sich aller gelegenhait derselben
secten mit höchstem fleis und ernst erköndigen und
darauf ain statut und satzung beratschlagen lassen,
die auch endlich beschlossen ist, als hernach volgt:
Erstlich ist durch ein offenlich, mit vil den fürder-
sten widertaufern gehalten freundlich und christlich
gesprech1 clar und lauter, auch bekanntlich an tag
kommen, daß si mit erschrocklichem, lesterlichen
und schweren irtumben beladen sind, welche zur
warnung meniglichs hiemit erzelt werden.
Si halten und glauben, daß nach dem leiden und
sterben Christi unsers herrn kain erbsund mer sei
und daß alle kinder hernach on erbsünd geborn wer-
den.
Item: Die kindertauf sei unrecht und kain nutz,
verschließen also den unschuldigen kindlen die ein-
leibung der christlichen gemeinschaft und der gnad,
die inen damit angeboten würd.
Item: Si verleugnen die drei person in der gott-
heit.
Item: Si halten, das die erkanntnus Gottes one
betrachtung des eußerlichen worts und kirchen-
dienst den menschen gegeben werde.
Druckvorlage: Original (Exemplar für den Land-
pfleger in Burglengenfeld, Papier, Folio, 4 Blätter,
erstes und letztes leer. - Amberg StA NeuburgerAb-
gabe 1911 Nr. 14044f. 23-26). - Vgl. oben S. 30.
1 Gemeint ist das von Kurfürst Ottheinrich mit Füh-
rern der Wiedertäufer und kirchlichen Theologen am
25. Aug. 1557 zu Pfeddersheim (bei Worms) veran-

Item: Die sacramenta werden bei inen gehalten
allain als kennzaichen und bekennung vor den men-
schen und für ain eußerlich zaichen irer verbrüe-
derung.
Item: Etlich leren und halten falschlich, der
mensch sei gerecht vor Gott durch die hailige (wie
sies rüemen) widertauferwerk und durch leiden,
aigne erfüllung des gesatz und besondre erleuchtung.
Item: Ir vil geben für, die ainmal neu geborne
konnen nit widerumb in Gottis zorn fallen und,
wann si gleich eebrechen, sagen si, si werden vom
gaist also getriben.
Vom weltlichen regiment und oberkeit leeren und
halten etlich, daß weltlich richter- und fürstenambt
sei sünd und verdambt, und sollen die christenleut nit
regieren und die richter oder fürsten konnen nit so-
gleich regiments- und christliche, gottselige perso-
nen sein.
Item: Si geben für, alle christen seien schuldig, ir
gelt und habe in die christlich gemaind zu geben.
Item: In weltlichen gerichten andere anzeclagen,
sei sünd.
Item: Der herrschaft oder in gericht aide tun, sei
sünd.
Item: Wann eelich mann und weib von des wider-
taufs wegen ainander verlassen, das sei recht,
sambt andern mer unchristlichen, groben, greif-
lichen lugen und irtumb, dabei si und der laidig
Sathan, der si also treibt, zu erkennen sind.
Und, wiewol hochernannter churfürst, unser gne-
digster herr, auf undertenigst ansuchen und bitt,
auch auf beschehen erbieten etlicher vorsteer und
leerer der widertaufer, da si mit hailiger schrift ains
andern, weder2 si glauben und lereten, bericht wur-
staltete Religionsgespräch (Mennonitisches Lexi-
kon 2 [Frankfurt a.M. 1937] 593f. - Bossert
Gustav, Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer I
(Württemberg) (= Quellen und Forschungen zur
Reformationsgeschichte 13) 148-161.
2 = als (Schmeller 2, 857).

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