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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0165
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I 16 Superintendenturordnung von 1562

Item: Wo ein kirchendiener seiner besoldung halben
vom geistlichen verwalter9 nicht richtig bezalet oder
ime die behausung der unvermeidenlichen notdurft
nach nit gebaut wollt werden oder andere unrichtig-
keit dem kirchendiener vom geistlichen verwalter
begegnet, alsdann soll superintendens mit dem
geistlichen verwalter fueglich daraus reden und bei
ine guetliche billicheit erhalten. Wa aber der geist-
lich verwalter des zweifelich ze tuen sein wollt, soll
er - superintendens - und geistlich verwalter sa-
mentlich die mengel underschiedlich zu uns oder
unsern kirchenräten berichten und daselbst be-
schaids gewertig sein.
Alles, was kirchendiener, schulmeister, gemain
oder privatpersonen in kirchensachen zu clagen
haben, das solln si zuvor bei den superintendenten
anbringen. Wann inen aber von dem nit möcht ge-
holfen werden, so mögen si ir anligen in ein suplica-
tion stellen, welche der superintendent, so vil der
kirchendiener lehr und leben betrifft, so vil aber die
politica belangt als besoldung, bau etc., die ober- und
underamptleut, darzu geistliche verwalter under-
schreiben sollten, damit wir oder unsere kirchenrät
grundlichen bericht mogen haben, auch die kirchen-
diener nit lang umbgetrieben oder ufgezogen wer-
den, so solln si solche bericht mit sambt der suplica-
tion übergeben.
Es solln auch die superattendenten die kirchen-
diener warnen, das si ohne solche prozeß fur sich
selbs und ohne underschreiben nit furkommen und
uns und unsere kirchenräte unbemüet lassen wöllen.
Sonst werden si wider hinder sich gewiesen oder, wa
si inen nit leren wollten lassen, ir geburent straf
empfahen.
Und, nachdem auch in unser kirchenordnung ver-
sehen, wann ein kirchendiener das nachtmal Christi
halten woll, die kirch zu vermanen, das ein jeder,
der des Herrn Christi nachtmal zu empfahen ge-
a-a Hier hat offenbar ein Schreiberversehen den Text
verwirrt.
9 Das gilt für die in Pfalz-Zweibrücken allgemein,
in Pfalz-Neuburg aber nur teilweise eingeführ-
ten Pfründezentralisationen in den Kirchenschaff-
neien.

denkt, sich zuvor am abend anzaige, ja nun solche
vermanung von unsern kirchendienern nit allwegen
gebraucht noch minder eines teils die pfarrkinder
unserer kirchenordnung gemäß zuvor exploriert und
ermanet werden, daraus volgt, das die unbusfertige,
so in ergernus leben und mit groben laster beschwert
und clarinnen beharren, gleich den bußfertigen zu
des Herrn nachtmal gelassen, welches beschwerlich,
auch hierdurch privatabsolution versaumbt und ver-
achtet wurd, so doch die zu iren geburlichen ge-
brauch pleiben solln.
Demnach verordnen und wöllen wir ganz ernst-
lich, das unsere superintendenten den pfarrern und
diacon irer superintendenz uflegen, sich des orts
unser kirchenordnung aller ding gemäß zu halten
und sonderlich, wann ir ainer oder mehr des Herrn
nachtmal halten will, so soll der das am sonntag dar-
vor nach geender predig der kirchen also verkonden:
welcher das begeern wollte, der soll sich darvor in
der wochen bei ime - pfarrer - privatim anzaigen,
damit er von jedem dannocht zuvor rationem suae
fidei haben und ein jeder darauf die contionem evan-
gelii, die absolutionem, christenlich und unser kir-
chenordnung gemäß empfahen möge.
Welcher aber hiewider ohne vorgehende anzaig
und exploration frefenlicher und verachtlicher weise
sich in des Herrn nachtmal tringen wollte, so sollte
er wissen, das er in craft des predigampts den orden-
lichen weg gegen ime fürnemen und gebrauchen
mueßte und derwegen nit selber ursach geben, sei-
nethalber zu handlen, darab meniglich ain offentlich
exempel nemen möge. Damit der unbußfertig nit
also unbedachtlich zu des Herrn nachtmal laufen
tue, sondern zuvor zu der bueß in rechtem glauben
vermanet und von seinem raulosen10 leben abgehal-
ten werde.
Wurde aber ein unbußfärtige und gottslesterliche
person aallein der exploration und, das si ir erger-
lich, gottslesterlich leben, vol-und zutrinken11 ver-
10 = ruchlos.
11 = die Nötigung, so viel nachzutrinken, als einem
vorgetrunken worden war — eine vor allem damals
durch viele Reichs- und Landesgesetze vergeblich
bekämpfte deutsche Unsitte (Zedler, Universal-
lexikon64 [1750] 890-929), bes. auch auf dem Reichs-
tag von 1524 und 1530 (Egelhaaf 1, 496f.; 2, 192).

10 Sehling, Bayern III

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