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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0201
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I 20 Generalartikel von 1576

sonder in der kirchen und ein furnem glid der kir-
chen, ja, wann dieselbige recht bestellt, ein kern und
ausbund rechter christen seien, sollen billich die rats-
herrn, so in andern stucken die ganze christenliche
gemein vertreten, nicht als heiden oder unglaubige
von der kirchencensur und geistlichen kirchenzucht
ausgeschlossen, sonder vor allen andern darzue ge-
zogen und ihnen vertrauet und bevolchen werden;
dann, da dieselbige zu gericht und ratbestellt, wie
si qualificirt sein solle, wird niemand mit größerm
ernst, autoritet, ansehen, forcht und schrecken die
censur fueren dann solche leut, die nicht allain als
christen, sunder auch als ein furgesetzte obrigkait
bei den offentlichen sündern ein ansehen haben und
ihre vermanungen, erinnerung und warnungen
schneiden und gewißlich mehr wirken dann, da einer
oder mehr aus der gemain genommen und, derglei-
chen ernst gegen den lasterhaftigen menschen zu ge-
brauchen, sich understeen wurde.
Da aber die obrigkait gottlos und der besetzt rat
unerbar, in allen offentlichen sünden ersoffen und
ihren ambtern durch die hohe obrigkait ungestraft
gelitten, da wurde auch die censur, durch personen
außerhalb dem rat bestellt, nicht allain nichts wur-
ken, sonder ein lauter gespött, zur verachtung Gottes
und der heilsamen ordnung Christi daraus gemacht
und darmit getriben werden.
Derhalben unser will und meinung, weil die christ-
lich obrigkait, wie droben vermeldet, nicht außer-
halb der kirchen, sonder in der kirchen und ein fur-
nem glid derselben und also nicht allain bevelch hat,
mit dem schwert die ubelteter am leib oder leben ze
strafen, sunder ihr auch von uns als der hohen obrig-
kait in stetten, märkten, dörfern und flecken ufer-
legt, das si als christen und furneme glider der ge-
main Gottes über der kirchen und geistlichen zucht
halten, das die ubertreter vaterlich vermanet und
gewarnet, von ihren sunden ze lassen, damit si nicht
verursacht, mit dem schwert ze strafen,
sollen hinfuro in allen stetten, märkten, dörfern
und flecken die vornembste, eiferigiste, gottesfurch-
tigiste und verstendigiste, so ein ansehen und forcht
bei der gmain vor andern haben und eins erbarn, un-
streflichen lebens und wandls seien, aus dem rat
zu censorn erwölet und denselben mehr nicht dann
einer oder zwen aus der gemain, so gleicher gestalt

dapfer, ansehenlich, erbar, gottsfurchtig und eines
unsträflichen lebens und wandls, zugeordnet wer-
den, durch welche die ernstliche vermanungen gegen
den unbueßfertigen mit einer christlichen dapfer-
kait verrichtet und die ganze gemain ein christliche
furcht und schrecken ab inen empfahen möge, da
einer oder mehr was ergerliches gehandelt, das er nach
der ersten und andern vermanung dahin erfordert
und ein ernst gegen ime vorgenomen werden solle.
Da nun solchergestalt die christliche censur an-
gerichtet, welches im grund anderst nicht ist, dann
das die christlich obrigkait ihres tragenden ambts
zum tail erinnert und dasselbig nicht nur als ein
obrigkait, so an leib oder leben strafet, sonder auch
als ein christliche obrigkait mit väterlicher, christ-
licher, freundlicher vermanung gegen den übertre-
tern der gebot und des willens Gottes handlet, haben
über der christlichen zucht weder die prediger noch
die gemain Gottes ze klagen, sunder ton hiemit, was
Christus zu anstellung und erhaltung christlicher
zucht Math. 18 [15 ff.] bevolhen und, da sich je-
mand nit bössern, sunder in seinen sunden ver-
harren will, si an seinem verderben nicht schuldig,
sonder sein bluet sei uf seinem kopf, wie die heilig
schrift redet [Hes. 33,4].
Wann auch solche gradus mit den ubertretern
Gottes gesatz und der christlichen zucht nach der
ordnung Christi gebraucht und aber allezumal an
ihnen verlorn, gedenken wir als ein christlicher
landsfurst vermög unsers tragenden und von Gott
bevolhenen ambts solchen ernst gegen dergleichen
personen mit der straf an leib oder leben nach ge-
stalt der sunden zu gebrauchen, dardurch die kir-
chenzucht nicht geschwecht noch verhindert, son-
der vilmer befurdert und nutzlich erhalten, dar-
durch derselben auch noch mehr autoritet, furcht
und ansehens gemacht werden solle.
Wie wir dann uns als der von Gott gesetzten
obrigkait unverhindert der kirchenzucht hiemit
nicht allain in dem andern und dritten, sunder auch
ersten gradu der vermanung, da ein ergerliche sunde
oder laster offenbar und nicht mehr heimblich, die
straf an leib und leben in allweg vorbehalten haben
wöllen, dieselbigen vermög Gottes und der kaiser-

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