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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0233
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I 20 Generalartikel von 1576

armenkastens nit settigen lassen und, damit er sovil
mehr seinem muetwillen und faulenzen nachkomen
möge, frembde land allain umb bettels willen durch-
streichen, dem soll furohin das furstentumb ver-
schlossen sein und nimmermehr ufgetan werden.
Und, nachdem wir befinden, daß von etlichen un-
seren ambtleuten und gerichten hierüber samel- und
bettelbrief gegeben worden und, damit frembde land,
noch auch unsere flecken durch unsere undertonen
mit unnötigem betteln nit beschwert, sonder solches
abgestellt und unsere armen weder ob unsern nach-
barn, anstößern noch andern unsern flecken nit ligen,
wöllen und bevelchen wir ernstlich, daß solches furt-
hin genzlich vermitten, sunder bei itztberuertem ar-
tikl bleibe.Wa aber solches von einem oder mehrüber-
treten, so sollen die ubertreter zu straf in den armen-
kasten unnachleßlich geben zehen gulden35 und, so
oft sich hierüber begeben und erfunden wurde, daß
also eine mit einem bettlbrief, von unsern ambtleuten,
undertonen oder schirmbsverwandten verfertigt,
umbziehen und samblen wurde, so sollen unsereambt-
leut, burgermaister, kasten- oder spitalpfleger, statt-
knecht und bettlvögt bei ihren pflichten und aiden
solchen brief alsbald von ihme nemen und den-
selbigen zu unser canzlei schicken, damit die uf-
gesetzte straf von den ubertretern eingezogen und
solcher straifer abgeschaft werde. Es soll auch, der
also straifet, alsbald haim in sein ambt gewisen und
vor dem betteln und umbstreichen gewarnet oder
der gebur nach gestraft werden.
Also auch den gartknechten und wurstsamblern36
aus den armenkasten bis anher handreichung ge-
schehen, das soll furthin bei straf ein gulden vermit-
ten bleiben und nicht desto weniger der geber das
gegeben dem kasten in duplo neben der straf eines
guldens wider erlegen und bezalen.
Es soll auch leichtfertigen leuten, die arbaiten
mögen und doch nit wöllen, desgleichen, welche zärt-
lich zeren, sich köstlich kleiden, das ihr schendlich
vertuen, zur leichtfertigkait mit dem almosen in
kainen weg geholfen und furschub getan, sonder der
mißbrauch des almosens, ob si es schon durch list
und unwissenhait der pfleger zewegen gebracht
35 1 fl. = 252 Pfennige.
36 garten = bettelnd umherziehen; Gartknechte =
bettelnd herumziehende dienstlose Landsknechte

hetten, bei inen nach erkantnus der ambtleut und
gerichten und gelegenhait der sachen und personen
scharpf und ernstlich gestraft, auch diejenigen, so
der ordnung zewider sich des bettelns nicht ent-
halten oder in einicherlai weg ungeschickt erzeigen
wellten, die sollen gleichergestalt nach maß der
übertretung in ernstliche straf genommen werden.
Unser ernstliche mainung ist auch, wa jemand
diejenigen, welchen außer dem armenkasten gehol-
fen, zu zechen und spilen einziehen, denselben wein
und anders zur zech raichen oder mit ihnen spilen
tete, daß solchem nicht allain nichts fur die zech
und spil, wa die ufgeschlagen, gevolgt, sunder,wa si
gleich ichtzigs derwegen empfangen oder eingeno-
men hetten, von unsern ambtleuten die würt und
mitspiler dasselbig den armen wider herauszegeben
angehalten, darzue nach gelegenhait und gestalt der
sachen umb ein geltbueß, in armenkasten zu erlegen,
gestraft werden.
Wie die notturftigen frommen armen zum
almosen erkent und angenomen werden,
auch der undankbaren halben einsehens
beschehen soll.
Damit nun furohin in disen fällen allain den from-
men armen und desto underschiedlicher und orden-
licher weise geholfen werde, sich die faulenzer, ver-
schwender und rolosen desto weniger under die
frommen, denen zu abbruch, einmischen, auch die
guetherzigen spüren mögen, wem und wie das al-
mosen ausgespendet und desto mehr angeraizt, ir
steur und handreichung in die armenkasten oder
den armen in ander weg ze geben, und sunst alle
ausrichtung diser unser ordnung nach desto wurk-
licher und richtiger volstreckt möge werden, wöllen
und bevelhen wir, daß niemans also zu empfahung
des almosens zuegelassen oder umb Gottes willen
gegeben oder gehofen werde, es sei dann einen von
dem ambtman und gericht, da einer gesessen, sol-
ches seiner notturft und wolhaltens diser unser ord-
nung nach und nit aus gunst vergönt und zuegelas-
sen.
( Schmeller 1, 939f.-Reigel 525f.).-Wurstsamm-
ler: allgemeiner Ausdruck für Landstreicher (Rei-
gel 526).

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