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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0274
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Die Lage vor der Reformation
Kuroberpfalz war ein Teil der Pfalz bei Rhein, die sich dort mit Heidelberg als Mittelpunkt an
beiden Ufern des Rheins und am unteren Neclcar, an der sonnigen Bergstraße und der nicht weniger
beglückten Weinstraße erstreckte. Sie war - wenn man die Zahl der Kirchendiener bei der Unterschrift
der Konkordienformel zugrunde legt - ungefähr halb so groß wie die untere Pfalz1. Was freilich die
räumliche Ausdehnung und auch die Bevölkerungszahl anlangt, war der Unterschied beträchtlich kleiner.
Vor allem aber war sie von ihr in jeder Hinsicht grundverschieden. Nicht umsonst heißt sie - am Ober-
pfälzer Wald gelegen - die Steinpfalz, wobei freilich vor allen Dingen die Erzgruben eine sehr bedeut-
same Rolle spielten und jeder Fluß, ja Bachlauf zu Hammerwerken ausgenützt wurde. Sie war das
Ruhrgebiet der damaligen Zeit2 . Das rauhe Klima, das den Beginn der Obstblüte um volle 14 Tage gegen
die untere Pfalz verzögert, kommt noch dazu. Vor allem aber ist der Menschenschlag baierischer Her-
kunft, ohne jeden fränkischen Einschlag, grundverschieden von dem Kernstück der Pfalz.
Im politischen Leben standen in der Oberpfalz die Landstände - Klöster, Adel, Städte - in voller
Blüte, während sie am Rhein ausgespielt hatten. Dazu kam nun, daß in der Oberpfalz die reformato-
rische Bewegung sehr viel früher einsetzte und sehr viel rascher zum Ziel kam als am Rhein.
Sitz der Regierung dieses Landesteils der Pfalz war Amberg. Anvertraut war sie zumeist als eine
Art Sekundogenitur dem jüngern Bruder oder dem Sohn des Pfalzgrafen. Zur Reformationszeit war das
Friedrich II.3, Ludwigs V.4 Bruder. Er hatte aber jederzeit mit der ,,Landschaft“, den drei Landständen
zu rechnen. Ihre Prälatenbank hatten die Klöster inne. An ihnen war das Land seit alter Zeit sehr reich.
Die Benediktiner saßen in Ensdorf, Kastl, Reichenbach, Michelfeld und Weißenohe. Zisterzienser-
klöster waren Waldsassen und Walderbach. Speinshart war Prämonstratenserstift. Schönthal war ein
Augustinereremitenkloster. Franziskaner hatten in Amberg und auf dem Möninger Berg bei Neumarkt
Konvente, Frauenklöster gab es nach der Zisterzienserinnenregel in Seligenporten und nach der Regel
der schwedischen Birgitta in Gnadenberg. Neben den Klöstern saß im Landtag der Adel. Er war im
ganzen Lande landsässig, stand also nicht reichsfrei neben dem Landesherrn, besaß aber nichtsdesto-
weniger keinen geringen Einfluß. Die dritte Bank der Landstände nahmen die Städte ein. Teilnahme-
berechtigt waren hier die acht Gezirksstädte5: Amberg, Neumarkt i. d. Opf., Nabburg, Weiden, Kemnath,
Auerbach, Cham und Neunburg vorm Wald. Sie besaßen alle weitgehende Selbstverwaltungsrechte.
Kirchlich gehörte das Land vorwiegend zur Diözese Regensburg, doch reichte im Westen das Bistum
Eichstätt bei Neumarkt ein beträchtliches Stück herein. Die geistliche Versorgung des Landes war - rein
äußerlich gesehen - recht verschieden. Die Landpfarreien waren groß und ausgedehnt. Auf sie hatte viel-
fach der dort sitzende Adel Patronatsrechte. In den Städten dagegen hatte frommer Sinn zahlreiche Bene-
fizien gestiftet, so daß hier oft auf 100 Personen ein Geistlicher kam6 . Da es sich aber fast ausschließlich
um solche handelte, die nicht mit der Seelsorge betraut waren, war diese deshalb hier auch nicht besser. Ja,
diese Benefiziaten waren für die Gemeinde oft mehr eine Gefahr als eine Hilfe. Auch bei den Klöstern
war der geistliche und sittliche Stand - mit Ausnahme der Frauenklöster - nicht gut7. Trotzdem hat man

1 J. T. Müller 790-794.
2 Franz Miehael Reß, Geschichte und wirtschaftliche Bedeutung der oberpfälzischen Eisenindustrie von den An-
fängen bis zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: HVOpf 91 (1950) 34-41 u.ö.
3 Geb. 1482, † 1559 (Häusser 1, 598-630. - ADB 7, 603-606. - Schottenloher 32093-32111).
4 1508-1544 (Häusser 1, 501-598. - ADB 19, 575ff.).
5 = führende Orte der 8 Gezirke (— Bezirke), in die die Kuroberpfalz 1526 eingeteilt worden war (M. Döberl,
Entwicklungsgeschichte Bayerns. 2 [München 19082] 564).
6 Lippert, Reformation 2.
7 Götz, Bewegung 31-70.

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