den Eindruck, daß die zustimmende Aufnahme der reformatorischen Botschaft nicht eigentlich dem
Zorn über kirchliche Mißstände entsprang, sondern dem Trost, den sie brachte.
Wie die zahlreichen Klöster aus allen Zeiträumen seit der christlichen Besiedlung des Landes und
die noch viel zahlreicheren Stiftungen von Benefizien, Kirchen und Kapellen beweisen, war hier allezeit
religiöses Leben rege. Nicht weniger beweist das die Tatsache, daß ständig ketzerische Bewegung Ein-
gang gefunden hat: Beginen und Begarden, die Waldenser, die Hussiten, vor allem die aus einer Ver-
mischung beider Richtungen gebildete, weitverzweigte Gemeinschaft Friedrich Reisers8. Daß hier schon
sehr früh Predigerstellen gestiftet wurden, ist gewiß als kirchliche Form der gleichen Sehnsucht zu ver-
stehen9. 1439 hielt in Amberg der Stadtprediger Johann von Wünschelburg seine aufsehenerregende
Predigt über die Weissagung des Gamaleon von dem kommenden gewaltigen Umsturz aller Kirchen-
wesen gegenwärtiger Formen10. Vielleicht fand sie aufmerksame Ohren besonders deshalb, weil Amberg
zur Zeit des großen Schismas von 1409 bis 1415 Sitz eines eigenen, gegen Regensburg errichteten Bis-
tums gewesen war11. Das war zunächst eine politische Angelegenheit des damaligen Landesherrn gewe-
sen, aber schwerlich so ganz ohne Rückwirkung auf die innere Einstellung des Volkes zu dieser hierarchi-
schen Kirche geblieben.
Über die innere Lage schreibt ein katholischer Historiker: ,,Unwissenheit und Unmoral im Klerus,
Erstarrung des religiösen Lebens in äußeren, mißverstandenen Formen, Nachwehen früherer religiöser
Wirren: das war ein Boden, auf dem die neue Lehre rasch gedeihen mußte.“12 In verschiedenen Städten
hatten sich die Gemeinden eigene Predigerstellen gestiftet - in Amberg, Neumarkt i. d. Opf., Neunburg
vorm Wald, Schwandorf und Cham13. Weiden stiftete seine Predigerstelle vielleicht schon unter dem
Einfluß der neuen Bewegung.
Die freie Volksbewegung
Wie anderwärts waren auch hier die Predigerstellen die besonderen Einfallstellen für die evange-
lische Verkündigung. Sie waren nicht die einzigen.
Eine anfangs aufkeimende Hoffnung auf landesherrliche Förderung erwies sich als trügerisch.
Pfalzgraf Friedrich, der Statthalter, - meist in dem von ihm erbauten Schloß in Neumarkt, oft aber, wie
es seiner unruhigen, lebensdurstigen Natur entsprach, überhaupt auswärts - zeigte sich 1518 durchaus
lutherfreundlich, wurde das auf dem Wormser Reichstag noch mehr und bestellte sogar Martin Butzer
zu seinem Hofkaplan. Dann aber wandte er sich, schloß sich wieder stärker an den Kaiser und seine
Richtung an, und Butzer verließ seinen Dienst1.
Dafür regte sich die neue Richtung jetzt im Volk. In Pressath bestritt 1522 Kaplan Heber den Wert
von Gelübden. Dafür wurde er am 5. September 1522 eingesperrt. Nach fünf Wochen kam er wieder
8 Simon, EKGB 114—122.
9 ADB 43, 518ff. - Janner 3, 273; 3, 563. - Götz, Bewegung 9, 126. - Simon, EKGB 126.
10 ADB 44, 320. — J. Schmidt, Johannes von Wünschelburg, in: Festschrift zu Dr.Fr. Volkmers 75. Geburtstag
(= Glatzer Heimatschriften 5). Glatz-Habelschwerdt 1921. 3244. - von Bezold, Zur deutschen Kaisersage, in:
Sitzungsberichte der Münchener Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse. 1884. 560-606.
11 Erwin Herrmann, Zum Schisma in der Diözese Regensburg (1409-1415), in: ZbKG 34 (1965).
12 Götz, Bewegung 11.
13 Götz, Bewegung 9. 75.
1 Walter Müller 20f. 31. 42. - Götz, Bewegung 13f.
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Zorn über kirchliche Mißstände entsprang, sondern dem Trost, den sie brachte.
Wie die zahlreichen Klöster aus allen Zeiträumen seit der christlichen Besiedlung des Landes und
die noch viel zahlreicheren Stiftungen von Benefizien, Kirchen und Kapellen beweisen, war hier allezeit
religiöses Leben rege. Nicht weniger beweist das die Tatsache, daß ständig ketzerische Bewegung Ein-
gang gefunden hat: Beginen und Begarden, die Waldenser, die Hussiten, vor allem die aus einer Ver-
mischung beider Richtungen gebildete, weitverzweigte Gemeinschaft Friedrich Reisers8. Daß hier schon
sehr früh Predigerstellen gestiftet wurden, ist gewiß als kirchliche Form der gleichen Sehnsucht zu ver-
stehen9. 1439 hielt in Amberg der Stadtprediger Johann von Wünschelburg seine aufsehenerregende
Predigt über die Weissagung des Gamaleon von dem kommenden gewaltigen Umsturz aller Kirchen-
wesen gegenwärtiger Formen10. Vielleicht fand sie aufmerksame Ohren besonders deshalb, weil Amberg
zur Zeit des großen Schismas von 1409 bis 1415 Sitz eines eigenen, gegen Regensburg errichteten Bis-
tums gewesen war11. Das war zunächst eine politische Angelegenheit des damaligen Landesherrn gewe-
sen, aber schwerlich so ganz ohne Rückwirkung auf die innere Einstellung des Volkes zu dieser hierarchi-
schen Kirche geblieben.
Über die innere Lage schreibt ein katholischer Historiker: ,,Unwissenheit und Unmoral im Klerus,
Erstarrung des religiösen Lebens in äußeren, mißverstandenen Formen, Nachwehen früherer religiöser
Wirren: das war ein Boden, auf dem die neue Lehre rasch gedeihen mußte.“12 In verschiedenen Städten
hatten sich die Gemeinden eigene Predigerstellen gestiftet - in Amberg, Neumarkt i. d. Opf., Neunburg
vorm Wald, Schwandorf und Cham13. Weiden stiftete seine Predigerstelle vielleicht schon unter dem
Einfluß der neuen Bewegung.
Die freie Volksbewegung
Wie anderwärts waren auch hier die Predigerstellen die besonderen Einfallstellen für die evange-
lische Verkündigung. Sie waren nicht die einzigen.
Eine anfangs aufkeimende Hoffnung auf landesherrliche Förderung erwies sich als trügerisch.
Pfalzgraf Friedrich, der Statthalter, - meist in dem von ihm erbauten Schloß in Neumarkt, oft aber, wie
es seiner unruhigen, lebensdurstigen Natur entsprach, überhaupt auswärts - zeigte sich 1518 durchaus
lutherfreundlich, wurde das auf dem Wormser Reichstag noch mehr und bestellte sogar Martin Butzer
zu seinem Hofkaplan. Dann aber wandte er sich, schloß sich wieder stärker an den Kaiser und seine
Richtung an, und Butzer verließ seinen Dienst1.
Dafür regte sich die neue Richtung jetzt im Volk. In Pressath bestritt 1522 Kaplan Heber den Wert
von Gelübden. Dafür wurde er am 5. September 1522 eingesperrt. Nach fünf Wochen kam er wieder
8 Simon, EKGB 114—122.
9 ADB 43, 518ff. - Janner 3, 273; 3, 563. - Götz, Bewegung 9, 126. - Simon, EKGB 126.
10 ADB 44, 320. — J. Schmidt, Johannes von Wünschelburg, in: Festschrift zu Dr.Fr. Volkmers 75. Geburtstag
(= Glatzer Heimatschriften 5). Glatz-Habelschwerdt 1921. 3244. - von Bezold, Zur deutschen Kaisersage, in:
Sitzungsberichte der Münchener Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse. 1884. 560-606.
11 Erwin Herrmann, Zum Schisma in der Diözese Regensburg (1409-1415), in: ZbKG 34 (1965).
12 Götz, Bewegung 11.
13 Götz, Bewegung 9. 75.
1 Walter Müller 20f. 31. 42. - Götz, Bewegung 13f.
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