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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0286
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auf das Eingreifen Pfalzgraf Richards hin wurde dann den drei weniger schroff auftretenden Geistlichen,
darunter Schalling, gegen die bloße Verpflichtung auf den ersten dieser vier Punkte das Verbleiben für
ein Vierteljahr gestattet. Weiteres Entgegenkommen war beim Kurfürsten nicht zu erreichen. Vor allem
blieben Pfarrer Pankratius und Prediger Ketzmann sofort entlassen. Bei seiner Abreise am 20. Januar
1567 übergab der Kurfürst dann schließlich auch noch das eigentlich unentbehrliche Verzeichnis der
Zeremonien, die er als abergläubisch ansah: Chorrock, Kommuniontüchlein, Wendung in Richtung auf
die Abendmahlselemente beim Sprechen der Einsetzungsworte u.ä., Exorzismus, lateinische Gesänge,
Altäre, Bilder, Kruzifixe. Der genaue Wortlaut und Inhalt ist leider nicht feststellbar. Eine amtliche
Ausfertigung liegt überhaupt nicht vor. Dazu erscheint, was erhalten ist, in zwei sich nicht ganz decken-
den Formen. Sie werden daher beide nebeneinander gebracht12.
Damit war praktisch die bisherige Kirchenordnung weithin außer Kraft gesetzt und die Heidel-
berger Ordnung zur Pflicht gemacht. Die Kirchen in Amberg sollten beiden Bekenntnissen offenstehen.
Das Pfarramt wurde sogleich mit einem Kalvinisten besetzt. Außerdem wurde ein Kirchenrat aus gefü-
gigen oberpfälzischen Geistlichen gebildet.
Mit dem Bildersturm wurde am 14. Februar 1567 in der Franziskanerkirche zu Amberg begonnen.
Der Eindruck im Volk war aber derart, daß erst im Sommer fortgefahren wurde. Im ganzen Lande gab
es erhebliche Schwierigkeiten. An Geistlichen wurde gleich anfangs 1567 der Pfarrer von Nabburg ent-
lassen, weil er den Kampf gegen den Kalvinismus nicht lassen wollte. Es hielt schwer, ihn durch einen
kalvinisch gesinnten Geistlichen zu ersetzen. Im Lauf der nächsten Monate wurden die übrigen lutheri-
schen Geistlichen entlassen. Die Gemeinde besuchte die Gottesdienste der neuen Geistlichen nur während
der Liturgie und verließ mit Predigtbeginn die Kirchen. Am Abendmahl nahm niemand teil. Taufen
ließ man trotz der hohen Geldstrafen auswärts vornehmen. In Amberg wurden im Laufe des Jahres 1568
noch zwei lutherische Geistliche entlassen. Aber die Stadt fügte sich erst nach Androhung einer Geld-
strafe von 10000 Talern. Nun war nur noch ein alter, gebrechlicher Prediger im Dienst. Der Gemeinde
blieb zwar erlaubt, sich neue Geistliche zu holen; aber keiner wollte sich, wie ihm zugemutet wurde, in
Heidelberg zum Examen stellen und auf die vier Punkte verpflichten13.
Im Wittum der Kurfürstinwitwe Dorothea um Neumarkt14 und im Stiftsland Waldsassen unter
Pfalzgraf Richard unterblieb einstweilen auf deren Protest hin jedes Eingreifen. Diese beiden und der
Statthalter Ludwig, zu dem auch seine Frau, Philipps von Hessen Tochter, stand, waren der Rückhalt
der Bevölkerung. Versuche, Ludwig durch Johann Kasimir zu ersetzen, mißlangen. 1569 freilich zog
Richard nach Pfalz-Simmern; damit erlosch sein Einfluß im Stiftsland.
1574 erfolgte eine Generalvisitation. Der Kommission gehörte kein Geistlicher an. Sie sollte ein
Polizeimandat einführen, in dem allerdings das strenge Gebot des Gottesdienstbesuches stand. Zugleich
sollte sie aber Geistliche und Beamte durch Handschlag auf Befolgung des Religionsmandates vom
20. Januar 1567 verpflichten. Der Adel, Dorothea und das Gemeinschaftsgebiet Parkstein-Weiden, in
dem Pfalz-Neuburg Mitherr war, wurden von dieser Visitation verschont. Die Haltung von Pfarrern
und Gemeinden war recht verschieden.
12 Unsere Nr. II 6. - Lippert, Reformation 106. 108. - Götz, Kalvinismus 97. — Schalling wandte sich im nächsten
Jahre wegen dieser Vier Punkte an die Universitäten Wittenberg, Leipzig, Marburg und Tübingen um Gutachten,
die in seinem Sinne, aber mit verschiedener Entschiedenheit abgegeben wurden. Eine Bitte an die Universität Jena
blieb unbeantwortet (Handschriftlich in Amberg StA ORuR 841 und Gotha Landesbibliothek, Codex Gothanus
charth. B. 161. - Auszugsweise gedruckt als ,,Wahrhaftiger Bericht“: Wittenberg 1574 [Nürnberg, Germanisches
Nationalmuseum G 1022]; Leipzig 1576. - Das „Schreiben an ... Wittenberg“ allein mit dem dortigen Gutachten.
1574: München Staatsbibliothek Polem 2586 h. - Weigel, Vilseck 84ff.).
13 Götz, Kalvinismus 102—121. — Die Kirchenratsprotokolle 1567ff.: Amberg StA ORuR 919.
14 Hasenclever 431f. 438. 442ff.

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