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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0359
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II 15 Institutionswerk von 1596

wiederumb verhöret. Welche es dann noch nicht ge-
lernet, dem soll weiter zeit vergönnet und die ver-
hörung so lang mit ihnen angetrieben werden, bis
sie alle die hauptstück recht erzehlen können, damit
die schand und schmach von dem volk abgewendet
werde, daß man nicht sagen dürfe: ,,ln dieser statt
oder flecken sind leute, hausväter und hausmütter,
die sich christen nennen und doch die hauptstück
christlicher religion, das Vaterunser oder die articel
des christlichen glaubens etc., darauf sie getauft
seind und ihre kinder taufen lassen, welche ein jeder
christ soll wissen und verstehen, nicht erzehlen
konnen“, ja, damit auch die straf und plagen, so von
solcher unwissenheit und verdamlichen blindheit
uber das ganze land gezogen werden, verhütet und
abgewendet werden mögen; dann ja kein gnade
Gottes, auch kein segen sein kan, wo man ihn und
seinen Sohn, den mittler Christum, nicht recht er-
kennet, anrufet, ehret und ihm nach seinem willen
und wolgefallen dienet. Doch soll man mit den gar
alten, albern, ubelhörenden und tauben gedult ha-
ben und, wo sie nit die wort alle behalten können,
ihnen den verstand und den gecreuzigten Christum
ins herz predigen, domit sie mit dem alten Simeon
im friede aus dieser welt und leben seliglich abschei-
den mögen. Und sollen alle weg nach solcher verhör
beampte und kirchendiener, wie sie es befunden, be-
richt, den sie unterschreiben sollen, gen Amberg zur
canzelei schicken.
Damit aber solche unberichte leute gelegenheit
haben, ermelte hauptstuck christlicher religion zu
lernen, soll alle sonntag ihnen dieselbige von den
kirchendienern zweimal deutlich und verstendlich
aus der bibel, wie sie darinnen stehen, von wort zu
wort neben den articuln des glaubens abgelesen
werden - einmal fur der morgenpredigt an stat der
epistel oder, wo es nit zu lang wird, gleich nach ver-
lesener epistel, zum andern mal in der kinderlehr,
do sie den kindern langsam, deutlich und verstend-
lich sollen fürgelesen werden, also daß auch die
kinder können nachsprechen und dieselbigen recht
erzehlen lernen.

3 Der Ausdruck bezeichnet hier nicht die wirtschaft-
liche Lage, sondern in älterem, damals freilich be-
reits fast ausgestorbenem Sinne das Untertanenver-
hältnis. - Eine andere, besondere Gruppe von ,,Ar-

Do sollen nun die beampten und rat jedes orts ver-
fügung tun, daß das volk sich fleißig zur kirchen
finde, domit der mangel nicht an ihnen gespüret
werde.
Dieweil es aber nicht genug ist, wenn einer den
blosen text der hauptstück erzehlen kan, verstehet
sie aber nicht, betet also mit dem munde, das herz
aber ist weit vom Herrn, so haben seine churf[ürst-
liche] gn[aden] auch gnedigst verordnet, daß alle
sonntag nachmittag den armen leuten3 solche haupt-
stücke, dieweil in denselben alles, was einem chri-
sten zu seiner seligkeit von nöten, begriffen ist, fein
nacheinander uf das allereinfeltigste und verstend-
lichste sollen erkleret werden ohn allen streit und
gezank, dardurch die arme leute nicht unterrichtet
noch gebessert, sondern allein irr gemacht werden,
also daß alle monat die summa des ganzen evangelii
und das fundament der seligkeit den armen leuten
fürgetragen werde.
Den ersten sonntag sollen sie ihnen aus den zehen
geboten Gottes oder aus der summa des gesetzes er-
kleren, in was großem jammer und elend alle men-
schen von wegen der sünden stecken, wie sie solches
aus den geboten Gottes erkennen sollen und wie
solcher jammer in die welt kommen sei, dabei sie
dann die histori von der schöpfung, von dem fall des
menschen einführen und dem gemeinen volk bekant
machen sollen.
Den 2. sonntag sollen sie ihnen aus den articuln
des glaubens weisen, wie die armen verlornen, ver-
dampten menschen durch Christum, der uns von
Gott, dem himlischen Vater, zum mittler und erlöser
geschenkt ist, wiederumb aus ihren elend erlöset
und selig werden, was Christus sei, nemlich wahrer
Gott und mensch in einer person, warumb er wahrer
Gott und mensch hab sein müssen und wodurch er
uns erlöset habe, wie solches alles in den articuln des
glaubens begriffen ist. Und sollen in diesem andern
stück die kirchendiener die leut uf die erste ver-
heisung Gottes im paradis und, wie dieselbe nach-
mals den erzvätern und patriarchen von Gott wider-
men Leuten“ ist gemeint bei Wilh. Müller, Die
„Armen Leute“ in ostfränkischen Urbarien, in:
Archiv für Geschichte von Oberfranken 39 (1959)
29-55.

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