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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0384
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Die Verhältnisse vor der reformatorischen Bewegung

Uralter Kulturboden ist Regensburg. Hier, an der nördlichsten Stelle der Donau, des mächtigen
Wasserweges in den Osten, gegenüber der Mündung des Regen, der den Weg nach Böhmen weist und
nicht weit von der Mündung der Naab, die den Handelsweg nach Norden beginnt, am kornreichen Gäu-
boden, hatten schon die Kelten ihre Siedlung Radaspona angelegt. Die Römer errichteten dann daneben
das große Legionslager mit seiner bürgerlichen Begleitung. Hier gab es bereits in vorkonstantinischer Zeit
Christen. Nachdem im 5. Jahrhundert die Römer abgezogen waren, übernahmen um 540 die aus dem
Osten einwandernden Baiern den Ort als Sitz ihrer Herzöge. Diese gründeten hier neben ihrer Burg den
Bischofssitz, aus dem sich bald das Kloster St. Emmeram verselbständigte, sowie die Chorfrauenstifte
Obermünster und Niedermünster. Nach der Eingliederung Baierns in das Frankenreich wurde der
Herzogsbesitz Reichsgut. In karolingischer Zeit kam als weitere Reichsgründung das Chorherrenstift
Alte Kapelle dazu. Der Bürgersiedlung wurde immer größere Selbständigkeit gewährt. Ihre unmittel-
bare Obrigkeit war der kaiserliche Burggraf - ein Amt, in das sich bald der Bischof von Regensburg und
der Herzog von Baiern teilten, aber zumeist in gegenseitiger Fehde. Die Stadt erkämpfte sich ihre Rechte
bald gegen den einen, bald gegen den anderen. Immer weitere kaiserliche Rechte kamen in ihre Hand,
1496 auch das Schultheißenamt, bis schließlich die kaiserliche Herrschaft ein politisch bedeutungsloser
Reichshauptmann nur noch symbolisch darstellte. Die Stadt war freie Reichsstadt.
Das Vorgehen der Stadt 1519 gegen die Juden, des Kaisers Kammerknechte, führte zu einer ernsten
Verstimmung zwischen dem Reich und der Stadt. Um sie beizulegen, stellte sich die Reichsstadt 1521 in
besonderer Weise in den ,,Schutz“ des Hauses Habsburg, dem der Kaiser angehörte.
Die politische Lage der Stadt war sehr schwierig, schon weil sie von Baiern als einstige Hauptstadt
immer noch erstrebt wurde. Dabei war es zunächst schon allezeit von schwerwiegender Bedeutung, daß die
Stadt ringsum von baierischem Gebiet umschlossen war. Zwar konnte schon wenige 100 m jenseits
der Donau kuroberpfälzischer Boden betreten werden; aber baierischen Raum mußte man dazu erst
durchschreiten, und niemand konnte daher nach Regensburg kommen, er hätte denn baierisches Gebiet
durchquert.
Dazu war nun auch noch die räumliche Siedlung Regensburg eine Mehrzahl politisch und ver-
fassungsrechtlich unabhängig und gleichberechtigt nebeneinander stehender Größen - neben der Stadt
standen der Bischof, der Abt von St. Emmeram, die Äbtissinnen von Obermünster und von Niedermünster
und die dem Bischof von Bamberg gehörige Propstei der Alten Kapelle. Dabei lagen die zu den ver-
schiedenen Hoheiten gehörigen Gebäude und Personen untereinander im Gemenge. Genaue Unterlagen
über die Einwohnerzahl der Stadt scheinen nicht vorhanden zu sein. Noch weniger gibt es solche zur
Feststellung eines Zahlenverhältnisses zwischen den Bewohnern eigentlich reichsstädtischer Häuser und
denen der Gebäude geistlicher Stände. Man darf aber die Gesamtbevölkerung Regensburgs damals auf
etwa 13500 Einwohner schätzen. Davon trafen etwa 11000 auf die Reichsstadt1.
Eine Vorstellung von den Größenverhältnissen gibt es etwa, daß 1521 die monatliche Leistung an
Reichsbeitrag bei der Stadt Regensburg 688 fl.2 , beim Bischof 232 fl., beim Abt von St. Emmeram 228 fl.,
bei der Äbtissin von Obermünster 64 fl. und bei der von Niedermünster 96 fl.3 betrug.

1 Simon, Beiträge 4f. — Theobald 1, 8 rechnet mit 10000.
2 Nürnberg zahlte 1680 fl., Lindau 360 fl. (Johannes Müller, Veränderungen im Reichsmatrikelwesen um die
Mitte des 16.Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben ...23 [1896] 117).
3 a.a.O. 147-153.

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