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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0411
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III 1 Wahrhaftiger Bericht 1542

Erstlich: Das die absolucion und vergebung der
sünden in diser besondern, heimlichen beicht nit
weniger, sonder ja so trostlich und bei vilen ange-
fochten gewissen trostlicher und annemlicher ist
dann, wann si auf der canzel in gemein geschicht,
welches auch der erste teil der schlüssel ist, die Gott
der Herr, wie obsteet, den kirchendienern für die
bußfertigen bevolhen hat, nemlich die absolucion
und entbindung oder vergebung der sünden.
Zum andern, so ist si gut, das man darin die rohen,
unbusfertigen gewissen erlernt und dieselben als un-
wirdig von des Herrn abentmal ausschließen mage,
welche erfarung sunsten so wol nit geschehen kan. Und
dises ist der ander tail der schlussel fur die unbusferti-
gen, nemlich die bindung und behaltung der sunden.
Zum dritten, das man diejenigen menschen, so
des gebrauchs dises heiligen sacraments und abent-
mals (wie auch, wem es nutz oder schedlich sei)
durch kein ander mitl desselben ehe und bas unter-
weisen oder berichten kan, dann eben in diser heim-
lichen beicht, darin der kirchendiener leichtlich ver-
nimbt, waran es einem jeden mangelt und wie ime
zu helfen sei.
Zum vierten, das auch billich einem jeden gots-
förchtigen pfarrer oder kirchendiener zum höchsten
beschwerlich ist und erschreckenlich sein solle, den-
jenigen, die er speisen wirdet, on vorgeende erfor-
schung irer geschicklickeit oder ungeschicklickeit
solch hochwirdig sacrament zu raichen, und, obwol
etliche hoffertige geister gefunden werden mögen,
5 Grewiß in der Fassung Martin Luthers (WA 30 III
1-36. - Kulp 138) wie in Nürnberg (Sehling 11,
503f.). - Ihre Verwendung an dieser Stelle kommt
wohl daher, daß sie als Ersatz für ein allgemeines
Kirchengebet, wie es im mittelalterlichen Predigt-
gottesdienst üblich war, verstanden und daher nun
an diese Stelle als Bindeglied zwischen Predigt-
gottesdienst und Amt gestellt wurde. Diese Tren-
nung bzw. Verbindung von Predigtgottesdienst und
Amt kannte auch Nürnberg (z.B. Sehling11, 50. -
Officium sacrum 1Of. 226), seit dort die Predigt
vom Nachmittag an diese Stelle gerückt war (Seh-
ling 11, 17). Auch Luther hatte in der Formula
missae diese Ordnung zur Wahl gestellt.
6 Die Leviten waren im Alten Testament die Angehö-
rigen des Stammes Levi und Gehilfen der Priester.
Daher werden die geistlichen Gehilfen des Priesters
beim „levitierten“ Amt (Hochamt, Missa solemnis) —
insonderheit der dabei als Evangelier tätige Diakon
und der als Epistler tätige Subdiakon — Leviten ge-

die sich so frome und weis bedunken, das si diser be-
richt, beicht und trösts nit bedörfen, sonder sich
selb genuegsam der notturft zu erinnern und zu trö-
sten vermeinen, so wirdet doch gleichwol kein war-
haftiger christ, der sein selbs und seines negsten
schwachait erkent und beherziget, sich derselben
beschweren, sonder die fur hoch notwendig achten,
zudem auch niemants leugnen kan: je mer und öfter
wir Gottes wort und zusagen hörn können, je besser
es sei und je crefftiger wir im glauben dardurch wer-
den und zunemen.
Des andern tags aber, so man das volk
speisen will, wirdet ein christlich ambt
nachvolgender gestalt und weise gehalten,
das anfenklich nach der predig vor demselben
ambt der schulmaister sambt seinen knaben und
mithelfern die letanei5, das ist: das gemein gebet
fur alle stende und note der christenheit, singet, also
das etliche aus denselben den ersten chor anfahen
zu singen und der ander chor darauf antwortet.
Unter diser letanei geen drei kirchendiener, nem-
lich der priester, so das ambt singet, sambt zwaien
leviten6, nemlichen einem evangelier und einem
epistler, aus dem sagra7 zum altar, darauf das volk
gespeiset werden solle, und betet der priester sambt
dem evangelier das Confiteor8. So verordnet dhweil
der epistler den kelch, buech, partikl und paten auf
den altar.
nannt. Im allgemeinen muß freilich außer an Dom-
kirchen deren Dienst gleichfalls durch Priester über-
nommen werden (Braun 225. - Hartmann 419ff.
440. 443).
7 = Sagerer, Sagrer (aus sacrarium) = auch Sagran
= Sakristei (Schmeller 2, 235f.).
8 Das Agendbüchlein Dietrichs von 1543 und Pfalz-
Neuburg 1543 kannten ebenso wie die brandenbur-
gisch-nürnbergische Kirchenordnung von 1533 nur
ein vom Geistlichen allein gesprochenes „Confiteor
oder was ine sein andacht erinnert“ (Sehling 11,
188. 495). Auch in den Nürnberger Hauptkirchen
wurde die Meßform des Confiteor nicht verwendet.
Zwar ist das Stillschweigen der dortigen Ordnung
von 1524 (Sehling 11, 46) allein nicht beweiskräf-
tig; aber auch das spätere Officium sacrum (4. 221)
kennt sie nicht. In ähnlicher Weise wie in Regensburg
wurde aber das Meß-Confiteor auch 1544 in Nörd-
lingen (Sehling 12, 311) gebraucht.

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