Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0437
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
III 9. Bußvermahnung
wegen des Verhaltens während des Interims
22. Juni 1552.

Vermanung vor der letanei.
Ir geliebten im Herrn! Dieweil wir itzo Gottes er-
schrockenlichen zorn über uns in vil wege augen-
scheinlich vermerken und offenlich fur augen sehen,
welchen wir dan mit unsern schweren sünden und
sonderlichen aber mit dem, das wir die raine lere
seines heiligen, götlichen worts und evangelii (domit
er uns nun ein lange zeit here ganz väterlich und
genediglich hat heimgesucht und zum himelreich
beruefen) entweders gar nit angenommen oder ja nit
bestendig dobei gebliben sind wegen angenommenen
interims noch unser leben darnach gebessert, sonder
fur den maisten tail unter dem schein des evangelii
allenthalben unsern aigen nutz oder wollust gesuecht
haben und letzlich auch vil davon abgefallen sind1,
dardurch dan Gott der Herr und sein heiliger nome
umb unserm willen bei vilen ist verlestert und aller-
lei ergernus angerichtet worden, an welchem allen
wir dan sehuldig sind und uns gewislich einer ernst-
lichen und schweren straf, bede zeitlich und ewig
besorgen und versehen mussen, woe wir nit wider-
keren und Gott mit uns versönen. Nachdem wir aber
je keinen andern weg haben, solchen erschrocken-
lichen zorn Gottes zu stillen und Gott den Herrn
widerumb mit uns zu versonen dan, das wir unsere
sünde bekennen, unser leben bessern und Gott umb
gnade anruefen und biten, wie er uns dan solchen
weg selb angezaigt und doneben auch gewise er-
hörung zugesagt hat, do er spricht (am 50. Psalm):
Ruefe mich an in der zeit der note, so will ich dich
erretten, so solstu mich loben! Und sonderlichen aber
Druckvorlage: Gleichzeitige Reinschrift (Papier,
Quart, 5 Bl. — R StadtA Eccl. I 10 ad 142f. 614-618).-
Gleichzeitige Abschrift (Papier, Folio, 2 Bl. mit Um-
schlag. - RStadtA Eccl. I 10, 142). - Siehe oben
S.375!

so ist solch gebet creftig, dem Teufl erschröcklich
und Gott ser angenem, wenn es in der gemain und
von vilen miteinander geschicht; dann, was einem
sunst (wenn er allain betet) umb seines schwachen
glaubens unvolkomenheit willen abgeet oder manglt,
dasselbig wirdet aldo erstattet durch die reiche
bruederschaft anderer Gottes heiligen und Christi
des Herrn selb, als der doselbst bei uns ist und unser
gebete hilft furdern, ja derselb auch neben und mit
uns bitet, auf das wir ja der erhörung und hilf von
Gott dester gewiser sein, wie er dann sagt (Mathei 18
[19f.]): Woe ir zwen oder drei versamlet sind in mei-
nem nomen, do bin ich mitten under ihnen und, was
sie biten werden, das soll ihnen widerfarn von mei-
nem Vater im himel.
Demnach so wöllen wir in einem busfertigen fur-
satz zu Gott fliehen, ihne durch Jesum Christum,
seinen geliebten Sone, unsern Herrn, umb gnade an-
ruefen und biten, das er uns unsere sünde vergeben,
seinen zorn von uns abwenden und uns bei der rainen
lere seines heiligen göttlichen worts in einem rech-
ten, waren, christlichen verstand und festem glau-
ben wider alle irtume und ergernus genediglichen
erhalten wölle und doneben auch seinen göttlichen
segen geben, auf das dise fursteende erschrocken-
liche kriegsrustung2 zu einem gotseligen frieden ge-
bracht werde und die römische kaiserliche und kö-
nigliche majestät sambt des heiligen reichs stenden
und andern christlichen potentaten in rechter, war-
haftiger erkantnus des heiligen evangelii alle falsche
leren, abgötterei und ergernussen abschaffen, den
rechten reinen warhaftigen gottesdienst aufrichten
1 Gedacht ist dabei nicht nur an die durch die Stadt
vertretene Gesamtgemeinde, sondern auch an viele
Einzelglieder, die sich in der Zwischenzeit zur katho-
lischen Kirche gehalten hatten.
2 im Fürstenaufstand und Markgräflichen Krieg. Doch
hatte schon am 25. Mai 1552 bei ersterem der Waffen-
stillstand begonnen. Er führte am 2. August zum
Passauer Vertrag (Egelhaaf 2, 561-573).

27 Sehling Bayern III

417
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften