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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0452
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[III13.] Warum die leviten- und meßgewand sollen abgetan
werden, der kirchen fürzulesen [29. April 1554].

Ein ehrbar rat hat sampt uns dienern des worts
für gut angesehen, das die leviten-1 und meß-
gewand2 bei der communion in unser christlichen
kirchen alhie wie bei vielen andern hinfort genzlich
abgetan sein sollen. Dasselbig aus nachvolgenden
ursachen:
Erstlich, das beide stück (wie zum teil die namen
noch anzeigen) vom levitischen priestertum des alten
testaments und von des bapsts messe in unser kir-
chen kommen und ihre bedeutung auf den zukünfti-
gen Christum gehabt haben.Weil wir denn im neuen
testament von gesetzen des levitischen priester-
tums frei und von des bapsts gotteslesterischen
messe ledig sind, den cörper Christum selbs und
im abendmahl nach den worten Christi nit mehr
denn ein communion haben, so lassen wir billich den
jüdischen schatten faren sampt demjenigen, was des
bapsts messe anhanget und dienet.
Zum andern sind die leviten- und meßgewand nit
allein vom bapst unrecht in die christliche kirchen
des neuen testaments eingefüret, sondern werden
von ihm noch aufs neu3 geboten und als nötig zum
waren gottesdienst mit aberglauben und abgötti-
scher meinung erfordert. Derhalben, wie wir sonst
vom bapst, von seiner falschen lere und falschen
gottesdienst recht abgesondert sind, also sollen wir
auch hierin von ihm fort ganz sein gescheiden und
zu erzeigung unser christlichen freiheit dieses fals
das widerspiel beweisen.

Druckvorlage: Originalentwurf (von der Hand
des Nikolaus Gallus. — Papier, Quart, 4 Bl. [letzte Seite
leer]. — RStadtA Eccl. I 10 ad 152 f. 661ff.). — Gleich-
zeitige Abschrift (Papier. Folio, 4 Bl. [letzte Seite leer].
- RStadtA Eccl. I 10, 142). - Abschrift des 17. Jahr-
hunderts (RStadtA Eccl. I 10 ad 152 f. 664-667). -
Siehe oben S. 377!
1 Die liturgische Kleidung der Leviten (siehe oben
S. 391 Anm. 6). Strenggenommen handelte es sich
um zwei verschiedene Kleidungsstücke, um die Dal-
matik des Diakons und um die Tunicella des Sub-
diakonus. Sie waren in der damaligen Zeit ihrem

Zum dritten: Weil alle ceremonien von menschen
in der kirchen geordnet, den göttlichen ceremonien
(welche itzt im neuen testament allein sind: predig
und sacrament von Christo eingesetzt) und der
christlichen gemeine zu erbauung und besserung
dienen sollen, so sind diese levitische und antichristi-
sche ceremonien darzu nit allein ganz unnütz, son-
dern umb soviel mehr schedlich, das sie die einfelti-
gen am waren gottesdienst hindern und viel gut-
herzige ergern, als sei unter des bapsts und unserm
kirchendienst wenig unterscheid.
Ob aber gleichwol jemand möchte dunken, [es möch-
te] fein stehen in der kirchen, und das etliche schwa-
chen noch möchten erzugebracht oder, so es abgetan
würde, dadurch möchten geergert und abgeschreckt
werden, der- oder dieselben sollen hinwider wissen,
das in Gottes sachen mit nichte nur gesehen werden,
was uns gut und fein dunkt, sondern allein, was Gott
saget. Welchen auch Christi wort und sacrament nit
erzubringen, der wird der mosaischen und antichristi-
schen ceremonien halben wol ewig davonbleiben.
Und wer nach so vielfeltigen unterricht von
christlicher freiheit in gemein so viel jahr her, und
etliche zeit in sonderheit, von angeregten satzungen
der leviten- und meßgewand geschehen, sich noch
wollte ergern, der ist unter die schwachen fast nit
mehr zu rechnen. Und so gleich ware schwachen
noch darunter weren oder andere darzukemen, so
sind wir bisher lange gnug mit ihn hierin schwach
äußeren Aussehen nach zusammengefallen (Braun,
Gewandung 247-305. — Braun 74f. 357f.). Deshalb
und, weil im allgemeinen bei gewöhnlichen Pfarr-
kirchen Priester als Diakone bzw. Subdiakone
tätig sein mußten, verzichtete man auf eine Unter-
scheidung. Die Pfarrkirche in Hersbruck hatte noch
1593 neben 21 Meßgewändern 10 „Diacon- oder Le-
vitemöck“ aus den gleichen Stoffen und mit ähn-
licher Ausschmückung wie jene (Volkm. Wirth,
Kirchengüter und Ornate zu Hersbruck 1593, in:
BbKG 12 [1906] 38-44).
2 vor allem die Casula (siehe oben S. 77!).
3 wie oben beim Interim.

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