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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0492
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Reichsstadt Regensburg

rin auch alle not, beide - geistliche und leibliche,
zeitliche und ewige - aufs kürzest und ordentlichst
zusammenverfast sein.
Exordium.
Der anfang leret erstlich, wen wir in unserm gebet
ansprechen sollen, nit engel oder menschen oder
einig creatur, sondern Gott allein, der da ist Vatter,
Son und Heiliger Geist, wie oben davon in artikeln
des glaubens. Darnach leret er auch, wie wir Gott
recht ansprechen sollen, als ein vatter nemlich und
nit als ein richter oder türannen, das ist: im glauben
Christi, auf sein verdienst, nit auf uns selb oder ei-
nigs andern verdienst; darzu als ein himlischen vat-
ter, der allenthalben ist und helfen kan, wie er als
ein vatter auch gern wil und, wie wir ihn also sollen
ansprechen in warem glauben, also ferner auch in
warer liebe, dadurch wir uns anderer christen not
sowol annemen als der unsern, dieselbe neben der
unsern Gott mit in unserm gebet zu befelen.
Hierauf volgen weiter sieben unterscheidne bit-
ten, so zugleich auch mit leren, das der christen ge-
bet nit sol ein ledig geschwätz sein, sondern allzeit
gewisse not, eine oder mehr, Gott fürbringen, in was
ordnung auch er jede wölle gebeten haben und
geben wölle.
Prima petitio.
Die erst bitt belangt die lere und brauch der sa-
crament, das Gott dieselbe reine geben und erhalten
wölle, dadurch sein name anfehet bei uns und wir in
ihm geheiligt zu werden; dargegen wehren der
tyrannei und verfelschung.
Secunda.
Die andere bitt ist umb die frucht des worts und
sacrament, das Gott dadurch sein reich anfahen, ge-
rechtigkeit, fried und freud im Heiligen Geist, wie
es Paulus nennet [Gal. 5, 22] oder wie sonst die
schrift zu reden pflegt, ware, christliche buß in uns
wirken wölle.
Tertia.
Die dritt bitt ist umb die früchte der buß, das Gott
dieselbe auch geben wölle, davon er spricht durch
den taufer Johannem: Sehet zu und tut rechtschaf-
fene früchte der buß [Matth. 3, 8.-Luk. 3, 8.]. Dar-
unter gehöret gedult im creuz, was Gott nach seinem

rat und willen uns wil auflegen, dasselbig auch zu
gutem zu wenden.
Quarta.
Die vierte bitt trift das leiblich leben, das Gott
darzu die notturft gebe und, wie wir teglich ein je-
der in seinem beruf darumb sollen arbeiten, also
sollen wir auch teglich darumb bitten, nit auf uns
selb noch einig creatur auch hierin verlassen, son-
dern ihm vertrauen und in keiner not an seiner
hülpf verzagen.
Quinta.
Die fünfte bitt trifft das geistlich leben, die gefahr
der sünde an allen christen, welche sie noch gegen-
wertig allzeit haben und behalten, wie sie hiemit in
dieser bitt für Gott bekennen; aber doch nit sind
mutwillige sünde, sondern, wie sie hie genent wer-
den mit einem rechten namen, so sinds schuldsünde,
da sie wol tun, soviel sie können, doch imer dabei
beide, Gott und menschen, noch mehr zu tun, schul-
dig bleiben. Derselben sünde bitten sie vergebung,
das Gott mit gnaden die hand darüber decken und
nit zur verdammnis ihnen zurechnen wölle. So sollen
und wollen sie zwar hinwider auch gern vergeben de-
nen, so was wider sie getan haben.
Sexta.
Die sechste bitt ferner trifft künftige gefahr, beide
des leiblichen und des geistlichen lebens der christen,
so hie ihm stets von Teufel und menschen und eig-
nem, ihrem fleisch noch imerdar fürstehet und sie gar
bald dadurch betrogen oder uberwunden weren, wo
Gott nit mehr denn nur seine hand von ihnen abzöge
und sie ihrem eigendünkel und vermögen ließe. Der-
halben bitten sie hie umb die göttliche hülpf, da es je
nach dem willen Gottes zur versuchung oder anfech-
tung mit ihnen kumpt, das er sie selb dawider sterken
und uberwinden helfe oder, do sie je von der anfech-
tung uberwunden, doch gnedig wiederumb aufhelfen
wölle.
Septima et ultima petitio.
Die siebende und lezte bitt fassets alles zusam-
men; dann, wenn Gott gleich das alles gibt, beide
geistlichs und leiblichs, was wir zuvor gebeten ha-
ben, so ists doch noch in diesem leben mehrs dann
stückwerk und bleibt noch ubels mehr dann gnug
immerdar vorhanden, damit die christen, mehr dann
andere leut, sich noch zu martern und zu plagen

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